Global Shopping Village: Endstation Kaufrausch

Eine Filmkritik von Falk Straub

Das Geld liegt auf der Wiese

Ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese – ob es in Deutschland, Österreich oder Kroatien steht, ist auf den ersten Blick nicht auszumachen. Die Welt rückt zusammen, Architektur und Marken gleichen sich. Der französische Anthropologe Marc Augé hat solche austauschbaren, mono-funktional genutzten Flächen als Nicht-Orte bezeichnet. Regisseurin Ulli Gladik geht ihnen in Global Shopping Village: Endstation Kaufrausch auf den Grund.
Wenn Thomas Kronsteiner über seinen Beruf spricht, klingt er beinahe missionarisch. Dann ist von „Kraftorten“ für seine Einkaufszentren die Rede. Wo Menschen früher Kirchen errichteten, will der Shoppingcenterentwickler heute Konsumtempel platzieren. Warum die Kunden dort hinströmen, ist simpel. Der Mensch sei schlicht zu bequem, meint Roman Schwarzenecker. Der Standortberater für Einkaufszentren ist sich sicher, dass die Kunden bereits bei Nieselregen für einen Liter Milch ins Auto stiegen und vor die Tore der Stadt führen, nur um nicht nass zu werden. Zur Eröffnung eines neuen Centers schaut dann schon einmal der Pfarrer vorbei, um seinen Segen zu erteilen.

Doch es regt sich Widerstand. Aktivistin Silvia Hartleb wohnt im österreichischen Judenburg nur drei Kilometer von einem solchen Einkaufzentrum entfernt. Seit der Einzelhandel auf die grüne Wiese gezogen ist, herrscht in der Innenstadt gähnende Leere. Dass die Größe des Centers geltende Vorgaben überschreitet, stört laut Hartleb niemanden. Die Verlagerung des Einzelhandels bemängelt auch der Architekt Walter Brune, der zu Beginn der 1970er Jahre mit dem Rhein-Ruhr Zentrum im nordrhein-westfälischen Mühlheim eines der ersten professionellen Einkaufszentren in Europa baute. In Bezug auf die Stadtentwicklung sei der Bau in der Rückschau eine Katastrophe. Er habe damit das Leben in der Innenstadt „zerstört“. Denn das Einkaufszentrum am Stadtrand „nimmt nicht die Kultur mit, nimmt nicht die Urbanität mit, nimmt nicht den offenen Raum mit“, stellt Brune kritisch fest. Investoren ist das freilich egal. Die kümmert auch drohender Leerstand wenig, solange mit den Immobilien Geld zu verdienen ist. Am Rande von Messen und Konferenzen geben sie allenfalls lapidar zu, dass man den Markt falsch eingeschätzt und besser weniger gebaut hätte.

Regisseurin Ulli Gladik hat die Idee zu ihrem Dokumentarfilm bereits einige Jahre mit sich herumgetragen, als sie 2008 mit den Recherchen begann. 2014 kam Global Shopping Village schließlich in Österreich ins Kino. Darin trifft sie Befürworter und Gegner von Einkaufszentren in Deutschland, Österreich und Kroatien, das exemplarisch für den boomenden Markt in Osteuropa steht. Auf einen einordnenden Kommentar verzichtet Gladik. Das ist Segen und Fluch zugleich. Statt ihr Publikum aus dem Off zu belehren, lässt die Regisseurin die Aussagen der Interviewten für sich sprechen. Einige entlarven sich dabei selbst. Andere wie etwa Renata Vlasic Novacovic, die Managerin der ersten Shopping Mall in Zagreb, macht gute Miene zum bösen Leerstand. Hier wie an anderen Stellen versäumt es der Film jedoch, entschiedener nachzuhaken. So bleiben Anschuldigungen und Spekulationen der Aktivistin Hartleb und des Architekten Brune unbestätigt, aber auch unwidersprochen im Raum stehen. Immerhin spekuliert Brune über Bestechung.

Gegen Ende des Films gibt sich Thomas Kronsteiner nicht mehr ganz so selbstsicher. Hoch oben mit Blick über sein Shopping Center blickt er nachdenklich in die Zukunft. Dass seine Branche, die stets vom Wachstum abhängt, irgendwann an ein Ende kommen muss, ist auch ihm klar. Dass die Branche dennoch unbeirrt weitermacht, davon erzählt Global Shopping Village und offenbart sein größtes Versäumnis. In einem Interview im Bonusmaterial der DVD stellt sich Ulli Gladik die Frage, warum über dieses Thema nicht mehr in der Gesellschaft diskutiert wird und warum die Politik dazu schweigt. Mit ihrem Dokumentarfilm hat sie nun einen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion geleistet; die zwingend notwendigen Fragen an die Politik stellt aber auch Global Shopping Village nicht, obwohl Gladik Bürgermeister und Landesräte vor der Kamera hatte. Ein schlichter Hinweis auf eine unbeantwortete Anfrage bei der Raumordnungsbehörde am Ende des Films ist hier zu wenig.

Global Shopping Village: Endstation Kaufrausch

Ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese – ob es in Deutschland, Österreich oder Kroatien steht, ist auf den ersten Blick nicht auszumachen. Die Welt rückt zusammen, Architektur und Marken gleichen sich. Der französische Anthropologe Marc Augé hat solche austauschbaren, mono-funktional genutzten Flächen als Nicht-Orte bezeichnet. Regisseurin Ulli Gladik geht ihnen in „Global Shopping Village: Endstation Kaufrausch“ auf den Grund.
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Meinungen

Harald Papitsch · 17.05.2022

Es ist sehr schade, dass soviel Zeit verloren geht. Diese Themen und Filme müssen viel akzentreicher und aktivistischer für das Publikum aufbereitet und in der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Nur so kann ein Umdenken einsetzen und viel mehr auf Nachhaltigkeit und weniger Wachstum hingearbeitet werden. Irgendwann wird auch der größte Investor draufkommen, dass man Geld nicht essen kann.