Fado (2016)

Sturm der Liebe

Wenn Golo Euler in die Ferne schaut … Wenn Luise Heyer ihre Oberlippe leicht bewegt … Wenn die Kinostadt Lissabon ihren magisch-realistischen Nachtzauber entfaltet … Dann wird Jonas Rothlaenders erster abendfüllender Spielfilm Fado zum visuellen Ereignis. Wundersam dichte wie harmonisch durchkomponierte, lange nicht gesehene Einstellungen (Bildgestaltung: Alexander Haßkerl) sind hier in einem gelb-braun schimmernden Kinojuwel zu entdecken, nein: körperlich zu erfühlen. So sieht Liebe aus. Liebe zu seinen Figuren, Liebe zum Detail, Liebe zum physischen Spiel (gewohnt athletisch: Golo Euler als junger Arzt) – ohne in süßlich-herber Fado-Stimmung zu ersaufen.

Denn das nationale Musikkulturwelterbe à la Mariza, das sich mittlerweile weltweit großer Beliebtheit erfreut und täglich zahllose Touristenmassen in manch abgehalfterte Eckkneipen-Fallen tappen lässt, wird in Rothlaenders erstaunlich souveräner Personenführung nur ansatzweise eingesetzt. Was nur konsequent ist: Denn hier knistert es vom ersten Moment an sehr sinnlich wie bedrohlich.

Beinahe aggressives Nicht-Aussprechen-Wollen in der Doro-Figur (Luise Heyer) trifft an dieser Stelle immer häufiger auf einen innerlich unzufriedenen Weltenwanderer Fabian (Golo Euler), der weder in Berlin noch in Portugals Perle wirklich zu Hause ist. Zwischen Sprachkurs-Affären wie mit der Exil-Finnin Anita (burschikos: Pirjo Lonka) und permanenten Eifersuchtsattacken manischen Ausmaßes, pendelt Fabian durch die engen Straßen der Lissaboner Altstadt. Nur mit einem Ziel: Seiner abgeflammten Liebe zu Doro neues Leben einzuhauchen, mehr planlos, denn tatkräftig. Kein gemeinsamer Zwangsurlaub hilft da mehr weiter. Wie auch? Doro betrügt ihn – systematisch und mit grotesker Kindsfreude: Fabelhaft von Luise Heyer (Westwind, Jack) gespielt, die Fabian lustvoll im Pedro Hotel mit einem einheimischen Architektenkollegen (Albano Jerónimo) hintergeht.

Der 33-jährige Lübecker Rothlaender, ausgebildet an der Berliner dffb und bereits mit seinem Kurzfilm Das Hemd (2010) in Cannes vertreten, setzt mit diesem aufwühlenden Körper-und-Geist-Drama um die Liebeszwänge und Erwartungen eines chronisch krankhaften Nachwuchsarztes und seiner wild umhervögelnden (Ex-)Freundin (in spe) eine weitere Duftmarke innerhalb der deutschen Branche. Bereits dessen dokumentarischer Erstling Familie haben, der Anfang 2016 in den Kinos startete und per VoD direkt vertrieben wird, hatte aufhorchen lassen.

In Fado wiederum halten mosaikartige, oft hart geschnittene Auf- und Umbrüche (Montage: Dietmar Kraus) den Intrigenreigen und Feuereifer des furiosen Drehbuchs zusammen. Jonas Rothlaunder hatte es nach mehreren Scouting-Reisen zusammen mit Sebastian Bleyl kreiert, wie er bei der Weltpremiere im Rahmen des 37. Festivals Max Ophüls Preis einem begeisterten Publikum spät in der Nacht erklärte.

Dieser starke fiktionale Langfilm Rothlaenders gehört zum Besten, was es in Saarbrücken zu sehen gab. Woran das liegt? Nicht allein am erstklassigen Dramoletten-Paar Euler und Heyer, die beide jeweils ihren besten Schauspieler-Perfomances bisher abliefern. Nein, noch an vielem mehr: Aufgrund mehrerer überraschender Bild-Schnitte, einiger furiose Drehbuchzeilen im Affekt („Ich war zufällig in der Gegend“) und dem sich minütlich intensivierenden Körperspiel bleibt der Zuschauer nach 100 fulminanten Minuten gebannt zurück. Kurz zuvor war Golo Euler durch die Wand gegangen. Und das Premierenpublikum mit ihm. Fado ist kein Film, sondern eine Macht.

(Festivalkritik Max Ophüls Preis 2016 von Simon Hauck)

Fado (2016)

Wenn Golo Euler in die Ferne schaut … Wenn Luise Heyer ihre Oberlippe leicht bewegt … Wenn die Kinostadt Lissabon ihren magisch-realistischen Nachtzauber entfaltet … Dann wird Jonas Rothlaenders erster abendfüllender Spielfilm „Fado“ zum visuellen Ereignis. Wundersam dichte wie harmonisch durchkomponierte, lange nicht gesehene Einstellungen (Bildgestaltung: Alexander Haßkerl) sind hier in einem gelb-braun schimmernden Kinojuwel zu entdecken, nein: körperlich zu erfühlen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen