Embrace

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Wohlgefälliger Aufruf zur Eigenkörperliebe

„Du bist schön“ lautet der Untertitel dieses Dokumentarfilms, der keinesfalls nur einen Kommentar zur nackten Frau auf dem Filmplakat darstellt, sondern nichts Geringeres als eine positive und universelle Botschaft an alle Frauen dieser Welt. Oder doch zumindest an diejenigen, die möglicherweise oder gar höchstwahrscheinlich daran zweifeln, dass ihr ureigener Körper genau diese so schlichte wie scheinbar immens bedeutsame Wertung auch verdient. Denn „91% aller deutschen Frauen sind mit ihrem Körper unzufrieden“, titelt das Poster plakativ, neben einigen weiteren schlagkräftigen Prozenten zu diesem Themenkreis, der offensichtlich in sensationeller Manier Millionen von Weiblichkeiten dauerhaft und nachhaltig beschäftigt. Eine solche weltweite Resonanz nämlich hat dieses Cover-Girl, die australische Fotografin und Regisseurin Taryn Brumfitt, ab 2013 für zwei Schnappschüsse ihrer physischen Erscheinung bei Facebook erhalten, die sie in einer so genannten Vorher-/Nachher-Pose abbilden: Einmal als muskulöse, glamouröse Teilnehmerin an einem Bodybuilding-Wettbewerb und dann eine Weile danach ungeschminkt als ganz gewöhnliche nackte Frau. Der Hype, der darum ausgelöst wurde, mündete unter anderem in den Dokumentarfilm Embrace, der nach seinem kräftig in den Medien beworbenen deutschen Kinostart am 11. Mai hierzulande am 18. Mai auch auf DVD erscheinen wird.
Dieser überwiegend wohlwollende mediale Rummel, der etliche öffentliche Diskussionen über das Körpergefühl von Frauen im Allgemeinen zelebriert hat, liegt wohl nicht zuletzt an der Beteiligung der Schauspielerin Nora Tschirner, die mit ihrer persönlichen Körpergeschichte im Film auftritt, sich zudem als Produzentin engagiert hat und mit diesem Thema durch die Talkshows tingelt. Ebenso wie Taryn Brumfitt verfolgt sie dabei offenbar die hehre Absicht, ihre an mangelnder Selbstakzeptanz leidenden Geschlechtsgenossinnen so wie sich selbst von deprimierenden Körperbildern zu befreien, die einschlägigen Industriezweigen dauerhaft Milliardenumsätze bescheren. Der Dokumentarfilm wartet mit einigen weiteren internationalen Protagonistinnen auf, die – interviewt im Rahmen eines Reiseprojekts der Regisseurin – von ihren ganz speziellen körperlichen Besonderheiten und Strategien im Umgang damit berichten. Auf diese Weise entstehen symphatische, deutlich ermutigend intendierte kleine Porträts von Frauen, die ihre meist als Defizite deklarierten Eigenheiten positiv umzudeuten bemüht sind.

Diese befreiende, als emanzipatorischer Akt markierte Erkenntnis wird als günstige Entwicklung eines nicht selten langwierigen Kampfes um Optimierung und Perfektion geschildert, der sich allein auf Grund der unvermeidlichen Lebensbedingungen nicht gewinnen lässt und doch die meisten Frauen bedrückt – zumal Schwangerschaft, ungesunde Lebensführung und Altern regelmäßig zwingende, kaum zu bändigende Komponenten dabei darstellen. Ganz einfach scheint es also, ist die diktatorische Macht der gesellschaftlichen Strukturen erst einmal benannt und die Erfolgsgeschichte tapferer Wegbereiterinnen gesichtet: Liebe dich, Frau, deinen Körper also auch, so, wie du (gerade) bist, denn selbst ein vermeintlich perfektes „Äußeres“ garantiert dir nicht das große Glück, zumindest nicht nachhaltig. Umarme dich selbst und andere, die deine Haltung teilen, lässt sich der wärmende Titel von Taryn Brumfitts engagiertem Film herleiten, der in weiten Teilen wie die Ausdehnung eines munteren Erweckungsvideos daherkommt, trotz seiner durchaus kritischen und um Facettenreichtum bemühten Ambitionen. Doch die tiefliegende potenzielle revolutionäre Dimension, die nahezu ausschließlich auf die ungeheure Popularität des Themas und den scheinbaren Gleichklang der femininen und feministischen Haltungen auf diesem Terrain zurückgeführt wird, verbleibt ohne nähere Analyse in ihrer adretten Ansicht.

Welche Machtverhältnisse und psychosozialen Wirkungskräfte sind es denn, die zuvorderst und in deutlich sichtbarer Unverhältnismäßigkeit Frauen mit einem derart defizitären Körperempfinden ausstatten? Ist es tatsächlich eine günstige Lösung, sich selbst anhand des Mainstreams als mangelhaftes Wesen zu akzeptieren und zu lieben, während der angebliche Zeitgeist in seinen aktuellen Ausprägungen ungebrochen das so bezeichnete Ideal präsentiert und propagiert? Folgt aus dem sanften Entschluss, so an der eigenen Geisteshaltung zu arbeiten, irgendeine förderliche Form der Partizipation von Frauen an bedeutsamen Positionen? Solche Fragen destillieren bedauerlicherweise in den schmeichelnden Schwaden der emotional aufgewärmten Wohnfühlstimmung von Embrace, die absolut nicht zu verachten ist und zahlreichen Zuschauerinnen sicherlich tröstliche Unterhaltung sowie den Impuls bietet, die eigene Körpergeschichte hervorzuholen – immerhin!

Embrace

„Du bist schön“ lautet der Untertitel dieses Dokumentarfilms, der keinesfalls nur einen Kommentar zur nackten Frau auf dem Filmplakat darstellt, sondern nichts Geringeres als eine positive und universelle Botschaft an alle Frauen dieser Welt. Oder doch zumindest an diejenigen, die möglicherweise oder gar höchstwahrscheinlich daran zweifeln, dass ihr ureigener Körper genau diese so schlichte wie scheinbar immens bedeutsame Wertung auch verdient.
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