Elixir

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Im Glashaus

Die Surrealisten – unter anderem – im heutigen Berlin: Regisseur Brody Higgs, der aus Australien stammt, in Polen wohnt und in Berlin arbeitet, versucht mit „Elixir“ einen unbedingten Bohème-Film zu drehen, avantgardistisch und seiner Zeit voraus, zugleich in Reminiszenz an die surrealistische Bewegung vor fast 100 Jahren, gesprenkelt mit weiteren radikalen Kunstfiguren der letzten Jahrzehnten wie Malcolm McLaren, dem Punk-Macher, oder auf dem Soundtrack unter anderem Patti Smith, The Johnsons oder PJ Harvey.
André lebt im Glashaus, einer ausgebauten Fabrikhallen-WG, in der er mietfreien Schlafplatz für Künstler und solche, die es werden wollen, bereithält. Tristan will eine große Aktion gegen eine Art Week-Modeveranstaltung unternehmen; und zwischendurch streift als völlig autonomes Element die junge bosnische Herumtreiberin Lexia. Das dramaturgische Element einer durchgehenden Handlung sieht so aus, dass Malcolm, der Art-Week-Macher, von Tristans subversivem Plan erfährt, Lexia abzuwerben versucht, um schließlich den Plot gegen seine Veranstaltung zu schlucken.

Doch eigentlich hält sich Higgs nicht mit Handlung auf. Im Grunde geht es um einen fiebrigen Blick in eine fiebrige, vibrierende Szene, die der kleinen Künstler in Berlin, die sich verwirklichen wollen ohne sich zu verkaufen. Gut zwei Dutzend Kunstwerke aktueller Berliner Künstler sind im Set-Design des Filmes enthalten, junge Modedesigner statten die Art-Week-Szenen aus. Gentrifizierung droht ebenso wie die Bedeutungslosigkeit. Die Frage nach dem Kommerz in der Kunst und dem Kunst im Kommerz stellt sich immer wieder auf schmerzende Weise.

Higgs stellt eine internationale Besetzung zusammen, mit Freunden aus diversen Ländern vor der Kamera, die ihrer Figuren in die quälenden Existenznöte und in die freien Geisteshöhen der Bohème stoßen. Während im Hintergrund die Trauer über einen drogentoten Freund, Charles, weht, versetzt Lexia als neues Element die eingefahrenen Strukturen des Glashauses – das ja alles Eingefahrene und jede Struktur zu vermeiden und zu verhindern sucht – in tektonische Schwingungen.

André: Das ist natürlich André Breton, Surrealisten-Katalysator und Initiator des surrealistischen Manifests; Tristan ist Dadaisten-Urgestein Tristan Tzara, Charles ist Charles Vaché, 1919 opiumvergiftet verstorben und einer der Uranstöße für den Surrealismus; Malcolm schließlich ist Malcolm McLaren mit seinem Great Rock’n’Roll-Swindle, der radikale Musik- und Kunstbewegung und kommerzialisierten Ausverkauf in sich vereinte. Auch andere Avantgardisten der 1920er Jahre spielen mit, an ihren Vornamen wären sie aufzuschlüsseln.

Als intellektuelles Spiel mit der Verschiebung, mit der Vermischung aus Vergangenheit und absoluter Gegenwart funktioniert Elixir gut, das Porträt einer Künstlergeneration aus sich selbst heraus kann durchaus für sich einnehmen. Die wirklichen Qualitäten von Avantgarde und Surrealismus erreicht Higgs freilich nicht, eine nachhaltige Störung oder auch nur ein Wachrütteln im Zuschauer, oder ein Zusammenklang der unterpsychischen Strömungen auf der Leinwand mit dem Unterbewusstsein des Publikums. Ausgiebig zitiert wird die wahre surrealistische Tat, nämlich mit dem geladenen Revolver direkt ins Publikum zu schießen – aber der Schuss geht eben doch nur im Film los; die Barriere der Leinwand kann nicht ansatzweise überwunden werden.

Elixir

Die Surrealisten – unter anderem – im heutigen Berlin: Regisseur Brody Higgs, der aus Australien stammt, in Polen wohnt und in Berlin arbeitet, versucht mit „Elixir“ einen unbedingten Bohème-Film zu drehen, avantgardistisch und seiner Zeit voraus, zugleich in Reminiszenz an die surrealistische Bewegung vor fast 100 Jahren, gesprenkelt mit weiteren radikalen Kunstfiguren der letzten Jahrzehnte wie Malcolm McLaren, dem Punk-Macher, oder auf dem Soundtrack unter anderem Patti Smith, The Johnsons oder PJ Harvey.
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