Ein freudiges Ereignis

Der Kampf junger Eltern

„Kinder sind das Schönste auf der Welt“, heißt es gemeinhin. Und tritt ein Paar in diese Welt mit der Neuigkeit, bald Nachwuchs zu bekommen, beglückwünscht sie ein jeder zum freudigen Ereignis. Dass Schwangerschaft, Geburt und die ersten Wochen und Monate mit einem Säugling auch alles andere als freudig und schön sein können, wird Barbara in Ein freudiges Ereignis schneller klar, als ihr lieb ist. Zu romantisch war die Empfängnis, zu groß die Vorfreude auf eine gemeinsame Zukunft und ein Kind. Ehrlich und kitschbefreit präsentiert der Film von Rémi Bezançon die Wende im Leben von Barbara und Nicolas und zeigt, dass Kinderkriegen auch ganz schön anstrengend und aufregend sein kann.
Philosophie-Doktorandin Barbara (Louise Bourgoin) liebt Nicolas (Pio Marmaï), ihre Beziehung gleicht einem romantischen Traum, wie ihn viele junge Mädchen zu träumen glauben. Die beiden verlieben sich, ziehen zusammen, ihre Liebe wird immer intensiver, bis sie nur noch eines wollen: den nächsten Schritt tun und gemeinsam ein Kind bekommen. „Mach es mir“, flüstert Barbara Nicolas in der Lobby eines Hotels während des gemeinsamen Urlaubs ins Ohr, und dann ist es auch schon passiert. Barbara ist schwanger, und das junge Paar freut sich riesig über die anstehenden Veränderungen. Dass diese jedoch nicht nur angenehm und erfreulich sein werden, müssen die werdenden Eltern bald lernen.

Barbara hängt regelmäßig über der Kloschüssel, mit einem dicken Bauch zu schlafen oder aufzustehen, ist ein großer Kraftakt, und den Geburtsvorbereitungskurs findet sie so bescheuert, dass sie demonstrativ den Saal verlässt. Doch die Schwangerschaft hat auch ihre schönen Momente, lässt Barbara erblühen und von ihr seltsamem und gleichzeitig faszinierendem Sex träumen; Nicolas dagegen hat Angst, beim Geschlechtsverkehr das Baby zu erschrecken. Und das ist dann auch schon der erste Knacks in der Bilderbuchbeziehung von – doch erst – eben.

Spätestens mit der Geburt und der daran anschließenden Rollenneuverteilung bekommt die Beziehung von Barbara und Nicolas ernsthafte Risse. Während er sich – aus dem Gefühl einer neuen Verantwortung heraus – ernsthafte Arbeit gesucht und den Job in der Videothek gegen einen Büroalltag eingetauscht hat und nun lange Stunden schuftet, kämpft sie an heimischer Front mit Durchfall, Milchpumpe, endlosem Geschrei und der Schwiegermutter, die immer das letzte Wort hat zu Themen der Kindererziehung. Schlafmangel haben sie beide – denn Töchterlein Lea schläft weder durch noch in einem elternkonformen Rhythmus. Und beide sind mit ihren Nerven am Ende.

Das alles zeigt die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Eliette Abeccassis besonders schön, auch wenn der Film vornehmlich die Perspektive der jungen Mutter einnimmt. Dass hier sowohl Mama als auch Papa am Ende ihrer Kräfte sind, dass beide denken und fühlen, alles zu geben, während es der oder die andere im Vergleich doch so gut habe. Gegenseitig Verständnis aufbringen und dies einander zeigen, das müssen Barbara und Nicolas noch lernen, wenn sie beieinander bleiben wollen. Denn sich auseinander leben, das tun sie automatisch.

Überhaupt geht der Film vor allem ehrlich und ungeschminkt mit dem Thema Eltern-Werden um, das sich – das macht Ein freudiges Ereignis mehr als deutlich – nicht im Akt der Empfängnis oder der Geburt zeigt, sondern in den ersten Wochen und Monaten der neuen Dreisamkeit – und wohl noch ein ganzes Stück länger und immer wieder neu – gelernt werden muss. In einer Zeit, in der Kinderkriegen mit Selbsterfüllung und Lebensglück in Verbindung gebracht wird, wird häufig vergessen, dass die ersten Jahre als junge Familie – so schön sie sein mögen – auch sehr anstrengend, kräftezehrend und bisweilen frustrierend sein können. An die Fertigstellung von Barbaras Doktorarbeit ist nicht mehr zu denken; an der Fakultät wird sie durch einen jungen Kollegen ersetzt – damit spricht der Film nicht nur Schlafmangel und Streitigkeiten am Wickeltisch an, sondern auch die Probleme, mit denen junge Mütter in der Arbeitswelt zu kämpfen haben.

Trotz aller Betonung der negativen Seiten, die die frohe Hoffnung mit sich bringt, zeigt Ein freudiges Ereignis auch, dass das Kinderkriegen und -haben doch auch schön ist – die Innigkeit von Mutter und Kind zum Beispiel oder auch das neue Verhältnis zu den eigenen Eltern, weil man sie plötzlich besser versteht. Hier schafft der Film ein gut funktionierendes Gleichgewicht, das ihn so glaubwürdig, persönlich und – eben – ehrlich macht. Das ist ein Blick auf unsere Welt, wie sie kein Dokumentarfilm besser hinkriegen würde. Und gleichzeitig gelungene Unterhaltung, anspruchsvoll und leicht zugleich. Ein Film über ein durchaus ernstes Thema, durchaus ernst und dennoch mit viel Humor umgesetzt.

(Verena Schmöller, Festivalkritik Französische Filmtage Tübingen 2012)

Ein freudiges Ereignis

„Kinder sind das Schönste auf der Welt“, heißt es gemeinhin. Und tritt ein Paar in diese Welt mit der Neuigkeit, bald Nachwuchs zu bekommen, beglückwünscht sie ein jeder zum freudigen Ereignis. Dass Schwangerschaft, Geburt und die ersten Wochen und Monate mit einem Säugling auch alles andere als freudig und schön sein können, wird Barbara in „Ein freudiges Ereignis“ schneller klar, als ihr lieb ist. Zu romantisch war die Empfängnis, zu groß die Vorfreude auf eine gemeinsame Zukunft und ein Kind.
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