Egon Schiele - Tod und Mädchen

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Betrachtungen von Tod und Leben

In einer frühen Szene von Egon Schiele – Tod und Mädchen zeichnet der junge Schiele (Noah Saavedra) einen Akt seiner sechzehnjährigen Schwester Gerti (Maresi Riegner). Sie wirkt dabei viel jünger, beinahe wie ein Kind. Dann albern sie herum, bis Schiele sich rittlings auf seine Schwester setzt und dann eingenommen von dem, was er sieht, beginnt, sie in dieser Stellung zu malen. Das wäre ein guter Anfang für den Film gewesen. Einer der kontextualisiert und Sachen vorwegnimmt, aber nicht zu viel. Möglicherweise wäre es auch ein besserer als der eigentliche Anfang des Films – eine Rückblende aus Schieles Kindheit als der Vater, von Syphilis wahnsinnig geworden, das ganze Vermögen der Familie im Kaminfeuer verbrennt. Für diese Szene, die Schieles Leben stark geprägt hat, hätte es sicher eine stärkere Stelle gegeben.
Dieter Berners Film besteht aus einer Vielzahl von Rückblenden. Dabei folgen diese keiner linearen Struktur, sondern einer Art Spirale, die zwar meist in die gleiche Richtung verläuft, sich jedoch auch Ereignisse heraussucht, die keinen temporalen Zusammenhang haben. Was anfänglich eine legitime Methode scheint, das turbulente Leben Schieles wiederzugeben, wird dem Film recht bald zum Verhängnis. In knapp zwei Stunden will Berner die wichtigsten Schaffensjahre Schieles nach dem Verlassen der Wiener Kunstakademie 1910 bis zu seinem Tod an den Folgen der Spanischen Grippe 1918 erzählen. Hierbei beruft er sich auf wahre Begebenheiten wie auch Spekulationen rund um Schieles Leben. Dabei versucht Berner, den Film mit zu vielen Ereignissen zu füllen, die als Schlüsselmomente für Schieles Werk gelten. Leider gelingt ihm oftmals keine elegante Verknüpfung der biographischen Daten. Vielmehr wirkt es, als wolle der Regisseur die Begebenheiten eine nach der anderen abhaken. Selbst die Darstellung Wiens in den 1910er Jahren wirkt recht zufällig. Und wenn Schieles Schwester Gerti 1918 durch ein heruntergekommenes Wien auf der Suche nach Chinin schreitet, ist die Stadt nicht mehr als bloße Kulisse. Ein weiterer Pflichtpunkt des aufgestellten Programms, der nicht mehr als nebensächliche Erwähnungen erfährt.

Zum Ende wirkt der Film schließlich überladen. Anstatt sich mehr Zeit für die Person und das Genie Schieles zu nehmen, bleibt der Film an seinem Lebenslauf haften. Die intensiven Beziehungen, die Schiele in seinem Leben zu Frauen geführt hat, scheinen zum Ende des Films beinahe beliebig. Die prägenden Verhältnisse zu seiner Schwester und seiner Geliebten und Partnerin Wally Neuzil (Valerie Pachner), lassen keinen Raum mehr, um die Beziehung zu seiner Ehefrau Edith (Marie Jung) detailliert darzustellen. Zu spät wird sie erwähnt und recht indifferent als Person eingeführt. Dabei ging der kalkulierten Ehe zu Edith Harms eine jahrelange Freundschaft voraus. Auch das Ende der Beziehung zu Wally war für Schiele viel schmerzhafter, als es der Film zu zeigen zulässt.

Zudem bleibt Schiele selbst einem bis zum Ende hin als Künstler und Person verschlossen. Eine Rolle spielt dabei die Castingentscheidung, Schieles Rolle mit Noah Saavedra zu besetzen. Das überdurchschnittlich gute Aussehen Saavedras wird stetig durch Kameraführung und Licht betont. Das wirkt befremdlich, weiß man, wie Schiele in Wirklichkeit ausgesehen hat. Die Attraktivität, die Schiele auf Frauen ausgestrahlt hat, war nicht seinem herausragenden Aussehen geschuldet, sondern seiner Person, seiner Ausstrahlung und seinem künstlerischen Genie. All diese Nuancen werden zwar von Berner angedeutet, jedoch nicht in der Darstellung Saavedras offenbart. Zu verträumt wirkt Schiele in seiner Interpretation und auch zu unschuldig. Die mantrischen Wiederholungen, dass er immer malen müsse und sonst nicht leben könne, mag man ihm beinahe nicht glauben.

Es sind vielmehr die schauspielerischen Leistungen von Valerie Pachner und Maresi Riegner, die der Person Schieles neue Tiefen zu geben vermögen. Ihre Positionierungen gegenüber Schiele erlauben einem, mehr in ihm zu sehen als einem geboten wird. Das ist zwar sicherlich nicht beabsichtigt, ergibt allerdings an dieser Stelle eine interessante Sichtweise auf Schieles Werk. Wie sehr haben die Frauen um Schiele ihn als Person schlussendlich definiert? Wie hat Schieles, von außen beinahe inzestuös wirkende, Beziehung zu seiner Schwester seine spätere Arbeit beeinflusst? Das gleiche gilt auch für seine Partnerschaft zu Wally Neuzil. Auch diesen Fragen hätte man nachgehen können.

Leider scheint der Film aber keine weitere Agenda gehabt zu haben, außer möglichst genau wichtige Begebenheiten darzustellen. Das ist allerdings bei einem Film über einen so polarisierenden und bedeutenden Künstler eine Herangehensweise, die der Person Schieles und seinem Werk nicht gerecht wird.

Egon Schiele - Tod und Mädchen

In einer frühen Szene von Egon Schiele – Tod und Mädchen zeichnet der junge Schiele (Noah Saavedra) einen Akt seiner sechzehnjährigen Schwester Gerti (Maresi Riegner). Sie wirkt dabei viel jünger, beinahe wie ein Kind. Dann albern sie herum, bis Schiele sich rittlings auf seine Schwester setzt und dann eingenommen von dem, was er sieht, beginnt, sie in dieser Stellung zu malen.
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