Drei Wünsche von Handloh

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Kinder mit Sorgen entfalten ihre Kreativität

Elf Kinder und Jugendliche wollen auf dem Thannerhof im bayerischen Dorf Handloh ein paar unbeschwerte Freizeittage erleben. Lisa, Carla, Niko und die anderen stehen nämlich, weil sie gesund sind, daheim etwas im Schatten. Das ganze Familienleben dreht sich um ihre schwerkranken Geschwisterkinder. In einigen Elternhäusern herrscht Trauer, weil der Kampf gegen den Krebs oder angeborene Krankheiten bereits verloren wurde.
Wenn die Regisseurin dieses Dokumentarfilms, Simone Jung, den Kindern in Handloh Fragen über ihr Zuhause stellt, können die Mädchen und Jungen lang über Chemotherapie und Hygienevorschriften erzählen. Was ihnen schwerer fällt, ist das Formulieren eigener Wünsche. Extra danach gefragt, sagen sie natürlich, die Schwester oder der Bruder möge wieder gesund werden. Aber dann läuft plötzlich ein animiertes Pferdchen über den einsamen Hof und im Licht des Vollmonds fliegt ein winziger, gezeichneter Drachen – oder ist es eine Fledermaus? — vorbei. Die Kinder drehen auf dem Thannerhof einen Trickfilm und lassen dabei ihrer Kreativität Flügel wachsen.

Die vom Frankfurter Kinderbüro in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Trickfilmkinder organisierte Aktion verknüpft nämlich die Freizeit mit einem Filmprojekt. Tanja, Bianca, Eric und die anderen feilen an den einzelnen Kapiteln des Drehbuchs oder erstellen Knetfiguren für die Stopmotion-Animation. Wie muss das rosa Schweinchen beschaffen sein, damit es vor der Kamera einen Purzelbaum schlagen kann? Die Kinder werden auch selbst vor der Kamera stehen. Zum Beispiel verwandeln sich im Märchenkapitel des gemeinschaftlichen Drehbuchs Knettiere plötzlich in reale Menschen. Doch der Zauber klappt nicht ganz und diesen Menschen fehlt die Sprache.

Inwiefern sich im Trickfilm die seelischen Nöte der Kinder spiegeln, welche kreativen Bewältigungsstrategien ihnen einfallen, können die Zuschauer im Anschluss an den dokumentarischen Teil selbst sehen. Dann wird der fertige Kinderfilm präsentiert. Trotz dieser inhaltlichen Fülle ist Drei Wünsche von Handloh insgesamt nur schlanke 70 Minuten lang. Mit dieser Eigenschaft empfiehlt er sich besonders für die junge Zielgruppe. Die Kinder von Handloh jedenfalls wünschen sich mehr Verständnis von Gleichaltrigen. Manche von ihnen wurden gehänselt oder mussten ihre kranken oder behinderten Geschwister gegen Herabsetzungen verteidigen.

Simone Jung gewichtet die verbalen und visuellen Inhalte ihres Films geschickt. Viele Szenen dienen der Beobachtung des bunten Treibens auf dem Thannerhof. Die Kinder arbeiten am Film, spielen Kegeln im Flur oder Fußball auf der Wiese, backen Kuchen. Manchmal kommentiert Jung diese Aufnahmen in Voice-Over, oder es erklingt eine muntere Musik, die zuweilen an die pfiffigen Detektivfilme oder Heist Movies aus der Zeit der Großeltern erinnert. Dazwischen platziert Jung Interviews mit einzelnen Kindern. Für diese Aufnahmen sitzen die Kinder jeweils auf einer gemütlichen Holzbank im Grünen, unter einem blühenden Obstbaum. Ein schöner Ort, um die eigenen Gedanken zu sortieren. Dennoch hat die Freizeit weder das unrealistische Ziel, die Kinder von ihrer Bürde zu befreien, noch sie zu therapieren. Vielmehr geht es um ein wenig gelebte Freiheit, um Erleichterung und das behutsame Stärken des Selbstwertgefühls. Diese Kinder können ihre Geschwister nicht gesund machen, aber ihre gestalterische Kraft erblüht in einem solchen geschützten Freiraum wie von selbst.

Drei Wünsche von Handloh

Elf Kinder und Jugendliche wollen auf dem Thannerhof im bayerischen Dorf Handloh ein paar unbeschwerte Freizeittage erleben. Lisa, Carla, Niko und die anderen stehen nämlich, weil sie gesund sind, daheim etwas im Schatten. Das ganze Familienleben dreht sich um ihre schwerkranken Geschwisterkinder.
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Meinungen

Boris Kreuter · 11.11.2016

Eine wunderbare Rezension die sehr treffend die Seele dieses Films beschreibt. Frau Bianka Piringer schreibt sehr talentiert. Es macht Freude und Spaß die Besprechung des Films zu lesen. Vielen Dank!