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Nach einer Intrige wird General Yu von seinem politischen Gegner hingerichtet — und hat es nun auch auf seine Kinder abegesehen. Der wegweisende Wǔxiá-Klassiker „Dragon Inn“ findet mehr als ein halbes Jahrhundert nach seiner Premiere nun auch seinen Weg in die deutschen Kinos.

Dragon Inn - Die Herberge zum Drachentor (1967)

Eine Filmkritik von Kai Hornburg

Episches Schwertballett

China im Jahre 1457: Nach einer Intrige an General Yu durch den Obereunuchen Zhao (Bai Ying), sollen auch dessen Kinder ausgeschaltet werden. An der Herberge zum Drachentor bereitet die Geheimpolizei des Eunuchen alles für eine Falle vor. Doch sie haben nicht mit den treuen Gefolgsleuten des Generals gerechnet — gemeinsam mit dem Gastwirt Wu Ning (Cao Jian) eilen der wandernde Schwertkämpfer Xiao (Shi Jun) und die Geschwister Hui Zhu (Shangguan Linfeng) und Ji Zhu (Xue Han) den Kindern des ermordeten Generals zur Hilfe.  

56 Jahre nach seiner Uraufführung läuft der wegweisende Wǔxiá-Klassiker Dragon Inn auch erstmals in deutschen Kinos. Rapid Eye Movies zeigt den Film von 1967 im Rahmen der ZEITLOS-Reihe in einer 4K-Restauration des Taiwan Film Institute. King Hus erster in Taiwan realisierter Film war nicht nur in Korea, Taiwan und den Philippinnen ein großer Erfolg an den Kinokassen, er sicherte sich über die Jahrzehnte auch einen festen Platz in der Filmgeschichte und gilt mittlerweile als Wegbereiter des Wǔxiá-Genres. Dieses verbindet Elemente von Martial-Arts, vor allem des Kung Fu, mit traditionellem Schwertkampf. 

Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten setzt das Genre dabei immer wieder außer Kraft: Gerade im finalen Aufeinandertreffen zwischen dem Obereunuchen Zhao und den vier Protagonisten übersteigen die Fähigkeiten zusehends weltliche Beschränkungen. Meterhohe Sprünge und gleitende, beinahe schwebende Bewegungen geben den Gefechten in Dragon Inn die Anmutung von sorgsam arrangierten Tanzchoreografien. Mittels Wirework, also der versteckten Verwendung von Drähten und Seilen am Körper der Schauspieler, erzielt Dragon Inn eine außerweltliche Anmut in seinen Kämpfen, bei der selbst dem tödlichen Schwerthieb noch eine zärtliche Eleganz innewohnt. Die auch als Wire Fu bezeichnete Technik (eine Kombination aus Wirework und Kung Fu) erlangte auch weit über den asiatischen Filmmarkt hinaus Anerkennung und fand neue Iterationen in Filmen wie The Matrix (1999) oder Kill Bill: Volume 1 (2003).

Regisseur King Hu, der mit 18 Jahren nach Hong Kong auswanderte, um als Illustrator für Filmwerbungen erste Erfahrungen in der dortigen Filmbranche zu sammeln (die Titelkarten für Dragon Inn malte er selbst), war auch als Set Designer tätig, ehe er seine ersten eigenen Filme für das Filmstudio der Shaw Brothers drehte. Diese Entwicklung ist auch in „Dragon Inn“ zu jeder Sekunde spürbar: die enorm bewegliche Kamera durchfährt das detaillierte Set der Herberge, bis dessen Dimensionen klar umrissen sind, erst danach kommt es zu einer ersten gewaltsamen Eskalation. Das Publikum weiß so zu jedem Zeitpunkt, wo sich die Figuren befinden und wie sie zueinander positioniert sind. Dragon Inn ist ein Film, der sich über die Bewegung von Körpern erzählt, die sich umkreisen, sich anziehen und wieder abstoßen, die aber im filmischen Raum stets klar zu verorten sind. Die vom abwechslungsreichen, bisweilen fast jazzigen Score von Lang-Ping Chow getakteten Actionsequenzen bewahren sich dadurch eine große Klarheit, egal wie rasant die Kamera den Kämpfenden durch die Begrenzungen der Herberge folgt. 

In seiner Ausgangslage erinnert Dragon Inn an die amerikanischen Western seiner Zeit, etwa an John Sturges’ Die glorreichen Sieben (1960) oder an die Samurai-Klassiker eines Akira Kurosawa, dessen Meisterwerk Die sieben Samurai (1954) wiederum als Vorlage für Sturges‘ Film diente. Die Verdichtung des Geschehens auf einen zentralen Schauplatz sowie die archetypische Konfrontation zwischen jenen, die die Schwachen entrechten, und jenen, die sie verteidigen, ist all diesen Filmen gemein. In der Herberge verdichtet Hu den filmischen Raum auf einen einzigen Blick, den sich die Kämpfer der Geheimpolizei und der mysteriöse Fremde Xiao skeptisch zuwerfen. Niemand weiß von der Identität des anderen und darum um dessen Absichten. Die gleichen Elemente von Paranoia und plötzlich eruptierender Gewalt finden sich auch in den Filmen von Quentin Tarantino wieder, dessen ebenfalls in einer Herberge spielender Schneewestern The Hateful Eight (2015) sogar ganz direkt von Dragon Inn inspiriert sein dürfte.

Im Gegensatz zu den meisten amerikanischen Western ist es jedoch nicht der einsame Revolverheld, der für die Rechte der Schwächeren streitet, sondern ein Kollektiv aus Helden, die den Eunuchen schlussendlich zu Fall bringen. Wenngleich der Film den wandernden Schwertkämpfer Xiao zunächst als eben jene archetypische Figur des einsamen Revolverhelden (oder wahlweise des Samurais) einführt, wird im Verlauf der Geschichte doch schnell klar, dass sie den Herausforderungen, die ihr gestellt sind, nicht allein bewältigen kann. Hier werden die kulturellen Unterschiede zu einem Kino westlicher Prägung besonders deutlich und sollten unbedingt auch hierzulande (wieder)entdeckt werden.

Dragon Inn - Die Herberge zum Drachentor (1967)

Nach einer erfolgreichen Intrige wird General Yu von seinem politischen Gegner Obereunuch Zhao hingerichtet und seine Kinder aus China verbannt. Doch die Kinder des Generals sind dem Obereunuchen Zhao ein Dorn im Auge und daher setzt er alles daran, sie auf ihrem Weg ins Exil umzubringen. An der einsamen Herberge zum Drachentor legt er einen Hinterhalt. Doch die treuen Gefolgsleute des gemeuchelten Generals eilen den Kindern zur Hilfe. Es entfesselt sich ein Kampf um Leben und Tod.

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