Die Stille nach dem Schuss

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Vom Persönlichen im Politischen

Mit einer stark privat geprägten Perspektive auf das Leben terroristischer Protagonisten der 1970er Jahre hat Regisseur Volker Schlöndorff Die Stille nach dem Schuss von 1999 inszeniert. Der Film thematisiert die Verstrickungen der ehemaligen DDR in die Unterstützung von in der Bundesrepublik gesuchten Terroristen, wobei sich der Fokus der Geschichte vom politischen Hintergrund aus zunehmend stärker auf die persönliche Situation seiner Charaktere richtet. Dabei steht vor allem die Figur der Rita Vogt (Bibiana Beglau) im Vordergrund, die enge Parallelen zur Biographie der Schriftstellerin Inge Viett aufweist, die der Bewegung 2. Juni sowie später der Rote Armee Fraktion angehörte und seit 1997 nach einer langjährigen Haftstrafe wegen versuchter Tötung eines Polizisten wieder auf freiem Fuß lebt.
Nach einer gewalttätig aus dem Ruder gelaufenen Befreiungsaktion eines inhaftierten Mitstreiters aus einem Gefängnis im Westen Berlins flüchtet die kleine Gruppe Terroristen am Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße in den Osten der Stadt, wo sie von der Stasi in Obhut genommen wird. Der überaus zuvorkommende Offizier Erwin Hull (Martin Wuttke) bietet den Flüchtigen ein künftiges Leben in der DDR mit einer neuen Identität innerhalb der sozialistischen Gesellschaft an. Während die Männer sich für die Weiterführung ihres bisherigen bewaffneten Kampfes entscheiden, um später dabei getötet zu werden, lassen sich die Frauen nach den Vorgaben der Stasi getrennt voneinander in eine neue Existenz in der DDR integrieren.

Die nach wie vor idealistisch orientierte Rita Vogt verändert ihr Äußeres und begibt sich in den Arbeitsalltag einer Fabrik, wo sie allerdings als seltsame Außenseiterin aus dem Westen zunächst nur schwer Fuß fasst. Doch dann freundet sie sich mit der unkonventionellen Tatjana (Nadja Uhl) an, die nur allzu häufig dem Alkohol zuspricht und sich gerade in einer heftigen Krise befindet. Die beiden Frauen verbünden sich gegen das rauhe, konservative und triste Klima ihrer Umgebung und beginnen, eine zuverlässige, zugeneigte und tragende Beziehung zu entwickeln, als Rita auf Grund einer Fahndung in den Nachrichten von einer Arbeitskollegin erkannt wird …

Der Versuch einer Darstellung des Privaten im Politischen, des persönlichen Schicksals der radikalen Linken abseits der öffentlichen Schlagzeilen und Geschichtsschreibung sowie jenseits moralischer Verurteilungen, ist kein leichtes Unterfangen, besonders dann nicht, wenn es dabei um die deutsch-deutsche Vergangenheit sowie um terroristische Protagonisten geht. Im Rahmen des Wettbewerbs der Berlinale 2000 uraufgeführt gewann das Drama für das überzeugende Schauspiel von Bibiana Beglau und Nadja Uhl den Silbernen Bären, während Volker Schlöndorff mit dem Blauen Engel für den Besten europäischen Beitrag ausgezeichnet wurde.

„Alles ist so gewesen. Nichts war genau so.“ – Diese nur scheinbar widersprüchliche Aussage, die der Zuschauer nach Beendigung des Films im Abspann mit auf den Weg bekommt, betont noch einmal den fiktiven, spekulativen Charakter dieses Films, der sich letztlich bewusst einer direkten Auseinandersetzung seiner Protagonisten mit der Verantwortung für ihre Haltungen und Handlungen weit gehend verweigert. Mit Die Stille nach dem Schuss hat sich Volker Schlöndorff, der gemeinsam mit Wolfgang Kohlhaase auch das Drehbuch zum Film schrieb, auf eine Gratwanderung begeben, innerhalb welcher ihm Augenblicke von bewegender Emotionalität und Zerrissenheit gelingen.

Die Stille nach dem Schuss

Mit einer stark privat geprägten Perspektive auf das Leben terroristischer Protagonisten der 1970er Jahre hat Regisseur Volker Schlöndorff „Die Stille nach dem Schuss“ von 1999 inszeniert.
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