Die Lügen der Sieger

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Journalisten und Lobbyisten

Woodward und Bernstein waren, zumal in ihrer Redford/Hoffman-Verkörperung, gestern. Heute ist Fabian Groys. Der ist Journalist im Hauptstadtbüro des Hamburger Nachrichtenmagazins „Die Woche“, lebt in einem unordentlichen Apartment, ist Diabetiker, guckt abends Wrestling. Er recherchiert in Sachen Bundeswehr-Beschaffungswesen, langweilige Pressekonferenz, der Chef ist mäßig begeistert von der eventuellen Story, immerhin hat Groys einen Informanten, der vielleicht Dokumente besorgen kann … aber zu diesem Zeitpunkt wissen wir bereits, dass er beobachtet wird.
Genregemäß will Groys nichts mit der Volontärin Nadja zu tun haben, die ihm zugeteilt wird, schiebt sie ab zu einer Meldung aus der Bild, in Gelsenkirchen hat ein Löwe einen Zoobesucher zerfleischt, „das ist ja vielleicht was für dich“, und: „Ich arbeite lieber allein“. Nebenher streut der Film das Coaching eines Lobbyisten hinein, eine Beraterfirma probt mit einem Chemie-Industrie-Einflüsterer, der mit dem Wirtschaftsminister beim Restaurantbesuch eine Parlamentsabstimmung zu seinen Gunsten absprechen will: Eine Szene von grimmigem satirischen Witz, wer sitzt wo, zu welchem Zeitpunkt welches Wort, welche Art von Smalltalk und welcher Kellner…

Christoph Hochhäusler, mit erfolgreichem Berliner-Schule-Abitur, dreht einen Politthriller, mit scharfem Blick hinter Investigativjournalismus und Lobbyismus, mit analytischem Ansatz und bösem Witz: Ein Spiel mit dem Genre, mit den Merkmalen von Suspense und Aufklärung, die ihm innewohnen, und mit einer fatalistischen Weltsicht, der die Vergeblichkeit allen Strebens innewohnt. Groys ist ein Schluffi, keiner dieser hartnäckigen Reporter, kein engagierter Aufklärer, er erledigt seinen Job. Mailverschlüsselung oder andere Vorsichtsmaßnahmen sind ihm unwichtig, eigentlich ist ihm auch egal, worüber er nachforscht. Abends, zum Stressabbau, geht er in eine illegale Spielhölle hinter den U-Bahn-Gleisen, hat immense Schulden, aus denen er immer wieder herauskrabbelt. Und er hat Nadja im Schlepptau, der Mann im Löwenkäfig, ein Afghanistan-Veteran, beschäftigt in einer Recyclingfirma, vielleicht war er verrückt, vielleicht psychisch geschädigt durch Chemikalien…?

Die Story, an der sich Groys und Nadja entlanghangeln, ist aktuell, sie ist relevant; und sie ist manipuliert, man weiß es, man sieht es, wie die Lobbyisten die Journalisten zu ihren Marionetten machen, und obwohl, nein: weil man es weiß, erfüllt Hochhäusler die Vorgaben an Spannung und an Enthüllung über die Verhältnisse, die ein Politthriller, wenn er denn tatsächlich als solcher gelten möchte, erfüllen muss: dem Zuschauer die Augen öffnen, ohne sein Unterhaltungsbedürfnis zu hintergehen.

Zwar geht Hochhäusler auch mal etwas zu weit – Fabian Groys und seine Spielsucht, das wirkt ein bisschen stark – dafür aber liefert er auf der anderen Seite auch eine großartige satirische Parodie, hält dem Politmagazinjournalismus den Spiegel vor, wenn Groys und Nadja ihren Artikel zusammenkloppen, im typischen „Woche“-Stil, irgendwo zwischen reißerisch und informativ. Mit der großen Ironie der falschen Fährte, der sie dabei aufsitzen… Und dem desillusionierenden Schluss, niemandem mehr glauben zu können.

Die Lügen der Sieger

Woodward und Bernstein waren, zumal in ihrer Redford/Hoffman-Verkörperung, gestern. Heute ist Fabian Groys. Der ist Journalist im Hauptstadtbüro des Hamburger Nachrichtenmagazins „Die Woche“, lebt in einem unordentlichen Apartment, ist Diabetiker, guckt abends Wrestling. Er recherchiert in Sachen Bundeswehr-Beschaffungswesen, langweilige Pressekonferenz, der Chef ist mäßig begeistert von der eventuellen Story, immerhin hat Groys einen Informanten, der vielleicht Dokumente besorgen kann … aber zu diesem Zeitpunkt wissen wir bereits, dass er beobachtet wird.
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