Die letzten Gigolos

Eine Filmkritik von Monika Sandmann

Von aussterbenden Berufen

Für die Titelauswahl gibt es die volle Punktzahl. Die Neugier ist sofort geweckt. Man hat Bilder im Kopf. Gigolo: Ein attraktiver, charme- und charismastrotzender Beau, eher südländischer Herkunft, den Kopf voll verruchter Absichten, das Versprechen auf ein Abenteuer, für eine Beziehung aber völlig ungeeignet. Davon gibt es nur noch wenige Exemplare und die führt uns der Film vor. Wikipedia gibt zum Gigolo eine alternative Erklärung. Und zwar abgeleitet von der Gigolette. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts eine eher junge Frau, die gegen Bezahlung von tanzwütigen Männern bestellt werden konnte. Die männliche Form der Gigolette ist auch als Eintänzer bekannt. Ende des 1. Weltkriegs wurde der Beruf en vogue. Die Männer waren im Krieg gefallen, die Frauen hatten niemanden, der sie – vornehmlich – zu Tanzveranstaltungen begleitete.
Ähnliches tun auch die letzten Gigolos aus Stephan Bergmanns Dokumentarfilm. Sie werden von Reedereien gebucht und auf Kreuzfahrtschiffen eingesetzt. Die eigentliche Berufsbezeichnung heißt: Gentlemen-Host. Gentlemen, weil sie top Manieren und Umgangsformen haben. Host, weil sie auf dem Schiff als Gastgeber fungieren. Den Gästen soll es gutgehen. Sie sollen schließlich beim nächsten Urlaub das Schiff wieder besuchen. Und da die meisten Gäste auf Kreuzfahrtschiffen Damen höheren Alters sind und die wenigen Herren in der Regel Tanzmuffel, müssen die Gentlemen-Hosts unbedingt eins: das Tanzbein schwingen.

Bergmann stellt uns die Gentlemen-Hosts Peter Nemela und Heinz Löffelbein vor. Beide in ihren Siebzigern. Aber, in Abwandlung der US-TV-Serie Cougar Town – 40 ist das neue 20, kann hier behauptet werden, 70 ist das neue 50. Topfit, so sehen wir Löffelbein, bei seinen täglichen Morgenübungen auf der noch leeren Reling, wie aus dem Ei gepellt lässt der smarte Nemela die Herzen der Frauen höher schlagen. Der Regisseur begleitet die Männer bei ihrem Arbeitsalltag auf dem Schiff. Im Bad beim Aufhübschen und Frischmachen, sorgfältig und genau. Wir sehen Nemela, der den neuen Kollegen für die abendliche Tanzveranstaltung einweist und Tipps gibt: Am besten man steht auf der toten, weil nirgendwohin führenden Treppe, etwas erhöht, um den Überblick zu wahren, um zu erkennen, wo man gefragt ist, wo eine Dame zum nächsten Tanz aufgefordert werden möchte. Und schon legt der Gigolo los.

Was bewegt einen Gigolo oder besser einen „Gentleman-Host“? Und was ist eigentlich mit den Frauen an Bord? Was ist mit Sex? Und was – vielleicht sogar – mit Liebe? Die Protagonisten geben Antworten darauf. Ehrlich und offen. Die Damen ebenso wie die Hosts. Aber gerade der Charme, der leise Witz und die Ernsthaftigkeit der Gigolos bleiben lange im Kopf hängen. Diese nahen und sehr persönlichen Momente sind das große Verdienst des Regisseurs und seiner kleinen Crew. Mit Respekt und Achtung beobachten sie und erzeugen offenbar eine Atmosphäre, in der sich die Beobachteten öffnen können.

Wie die Dame aus dem Film, die auf der Cologne Conference erklärt, sie habe das Filmteam fast gar nicht mehr bemerkt. Sie redet frank und frei von der Leber weg, mit ausgeprägtem Hang zu Bühne und Kamera und ist verständlicherweise ein gutes Motiv für den Filmemacher. Doch gut ist nicht unbedingt die beste Wahl. Regisseur Stephan Bergmann verliert darüber sein eigentliches Sujet, die letzten Gigolo, und gibt der leichten Unterhaltung, die die Dame bietet, den Vorzug. Das nimmt dem Film Stringenz und Gradlinigkeit.

Für die Themenauswahl kann guten Gewissens volle Punktzahl vergeben werden, dafür gibt es aber Abzüge in der filmischen Umsetzung. Die ist allenfalls gutes Mittelfeld. Die Bilder verfangen nur selten, überrascht wird man nie. Man sieht und vergisst. Die Kamera wird routiniert, aber nicht auffallend – im guten oder schlechten Sinn – geführt. Alles bleibt gefällig, hübsch und fernsehkompatibel – und das ist vielleicht auch ein wenig der Zusammenarbeit mit dem ZDF/Das kleine Fernsehspiel geschuldet.

Die letzten Gigolos verheißen mehr als sie halten. Aber tun sie das nicht immer? Vielleicht ist die Kinoleinwand auch bloß einen Tick zu groß für diesen kleinen, aber durchaus feinen Film.

Die letzten Gigolos

Für die Titelauswahl gibt es die volle Punktzahl. Die Neugier ist sofort geweckt. Man hat Bilder im Kopf. Gigolo: Ein attraktiver, charme- und charismastrotzender Beau, eher südländischer Herkunft, den Kopf voll verruchter Absichten, das Versprechen auf ein Abenteuer, für eine Beziehung aber völlig ungeeignet. Davon gibt es nur noch wenige Exemplare und die führt uns der Film vor.
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