Die Florence Foster Jenkins Story (2016)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Königin des "Camp"

Reichlich spät hat das Kino Florence Foster Jenkins für sich entdeckt, jene exzentrische Salon-Diva, die ihr Publikum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihrem miserablen Gesang amüsierte. Im Jahr 2015 verkörperte Catherine Frot die Sängerin leicht abgewandelt als Madame Marguerite. Meryl Streep spielt sie in Stephen Frears Hollywood-Variante (Kinostart am 24.11.2016). In Ralf Plegers Dokudrama Die Florence Foster Jenkins Story gibt Opernsängerin Joyce DiDonato mit ihrer Interpretation ihr Leinwanddebüt.

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Warum der Historiker Stephen Pile die 1868 geborene und 1944 verstorbene Florence Foster Jenkins als „schlechteste Opernsängerin der Welt“ bezeichnet hat, lässt uns Regisseur Ralf Pleger bereits nach wenigen Minuten hören. Dann steht ein altes Grammofon auf einem Hausdach in New York. Und während wir auf das Chrysler Building im Hintergrund blicken und sich die Sonne malerisch im Schalltrichter bricht, dringen unsagbar schiefe Töne aus der Apparatur. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1942 und selbst ein ungeschultes Ohr vernimmt, dass der Interpretin jegliches Gefühl für Intonation und Rhythmus abgeht. Der eigenen Selbstüberschätzung tat das keinen Abbruch. Foster Jenkins sah sich zeitlebens auf Augenhöhe mit den bedeutendsten Sopranistinnen ihrer Generation.

In der Rückschau war diese schillernde Persönlichkeit, die wohl nicht wahrnahm, wie schlecht sie sang, so viel mehr als nur die „Königin der Dissonanzen“. Auch das macht Die Florence Foster Jenkins Story früh deutlich. Zwar kreist Plegers Dokudrama wie die Spielfilme um die späten Jahre der Exzentrikerin, um ihre liberale, außereheliche Beziehung zu St. Clair Bayfield, um ihre extravaganten Liederabende, die schließlich in einem Auftritt in New Yorks Carnegie Hall gipfelten; Pleger dringt aber auch tief in Foster Jenkins Vergangenheit ein. Dann verrät er uns etwas über ihr Elternhaus in Pennsylvania, über ihre Flucht in eine Ehe mit dem Arzt Frank Thornton Jenkins, der sie aller Wahrscheinlichkeit nach mit Syphilis ansteckte, und über ihre Emanzipation nach New York. Bereits die Beibehaltung ihres Geburtsnamens Foster war in jenen Tagen ein politisches Statement. Und so stellen die Experten in Plegers Film dann auch die Hypothese auf, ob die Möchtegernsopranistin nicht eine Feministin und eine Performancekünstlerin avant la lettre gewesen sei, die bereits vorwegnahm, was Susan Sontag später als Camp bezeichnete.

Pleger nähert sich seiner Protagonistin in einer Mischung aus klassischem Dokumentarfilm und Spielszenen, die sich nicht davor scheut, selbst ausgesprochen campy zu sein. Gleich zu Beginn präsentiert uns der Regisseur seine Schauspieler und Experten vor einem glänzenden Vorhang aus Lametta. Danach führt der Journalist William Key (Jan Rekeszus), der Foster Jenkins 1944 interviewte, als Erzähler durch den Film. In stilisierten Spielszenen stellt Pleger die Tableaux vivants nach, jene lebenden Gemälde, die Foster Jenkins bei ihren Liederabenden mit viel Pomp inszenierte. Joyce DiDonato singt dazu mal auf den Punkt genau, mal scheußlich schief, ebenso wie Foster Jenkins tatsächlich sang und wie es sich in ihrem Kopf angehört haben muss. Aufnahmen vom heutigen New York trimmt Pleger durch künstlich hinzugefügte Kratzer und Verschmutzungen auf alt. Nötig sind all diese Spielereien nicht, machen Die Florence Foster Jenkins Story aber zu einem ausgesprochen unterhaltsamen Dokudrama über eine Frau, die heute noch mehr Platten verkauft als viele um ein Vielfaches begabtere Sängerinnen.
 

Die Florence Foster Jenkins Story (2016)

Reichlich spät hat das Kino Florence Foster Jenkins für sich entdeckt, jene exzentrische Salon-Diva, die ihr Publikum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihrem miserablen Gesang amüsierte. Im Jahr 2015 verkörperte Catherine Frot die Sängerin leicht abgewandelt als „Madame Marguerite“.

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