Der Stadtneurotiker

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 30. November 2015, ARTE, 20:15 Uhr

Der unscheinbar wirkende, agile kleine Mann, gerade vierzig, der sich zu Beginn dieses Films vor der Kamera präsentiert und sich ganz direkt an sein Publikum wendet, erläutert anhand eines Witzes und eines berühmten Zitats zunächst rasch seine selbstironische, pessimistische Daseinsphilosophie. In seinem dynamischen, egozentrischen Wortschwall ist dieser Alvy Singer (Woody Allen) bald bei seiner kürzlichen Trennung von Annie Hall (Diane Keaton) angelangt, die er offenbar bedauert. Im Folgenden erleben wir den so gesprächsfreudigen wie streitbaren Berufskomiker in einigen komplizierten zwischenmenschlichen Konstellationen auf seinem Territorium New York City, dessen Bewohner sogar mit augenscheinlicher Beliebigkeit in seine kuriosen Diskurse eingebunden werden: Woody Allen, der am 1. Dezember achtzig Jahre alt wrd, ist Der Stadtneurotiker.
Zu diesem runden Geburtstag des exzentrischen Kultregisseurs zeigt ARTE damit einen seiner erfolgreichsten, markantesten Filme, der zudem als stark autobiographisch geprägtes Werk gilt. Der Stadtneurotiker, in dem Woody Allen neben seiner einstigen Lebensgefährtin Diane Keaton die Hauptrolle spielt, erntete nach seiner Kinopremiere im Frühjahr 1977 einen ansehnlichen Preisregen, angeführt von vier Academy Awards in den Kategorien Bester Film, Bester Regisseur, Bestes Drehbuch und für Diane Keaton als Beste Nebendarstellerin, und 1992 wurde der Film ins Nationale Filmregister der USA audgenommen. Seinerzeit läutete diese kritisch-krachend das urbane Beziehungsgeschehen sezierende Komödie in ihrer innovativen Machart eine ganz neue Ära im filmischen Schaffen des ebenfalls umtriebigen Autors und Musikers Woody Allen ein.

Da werden historische Persönlichkeiten nach ihrer Erwähnung vor die Kamera zitiert und erhalten Mitspracherecht, plotferne Protagonisten werden nach ihrer Meinung zu den Ereignissen der Dramaturgie befragt, selbst Teil derselben, und auf diese Weise verwischt sich das ohnehin fragile Bild von Geschichte, Inszenierung und Reflexion, gleichermaßen zur Verwirrung und Erquickung des Zuschauers, der so scheinbar auch in die Vorgänge involviert wird oder zumindest jederzeit involviert werden könnte. Dieser Meisterstreich des passionierten New Yorkers Woody Allen, dessen aktueller Film Irrational Man gerade hierzulande in den Kinos läuft, wird zudem von einem grandiosen Ensemble mit ganz besonderen Typen wie Paul Simon, Christopher Walken und Truman Capote in kleinen Rollen verfeinert, während es dann doch und immer wieder Woody Allen selbst als Akteur ist, der das Spielfeld mit kognitiv kurioser Dynamik virtuos beherrscht. Im Anschluss an diesen Komödien-Klassiker ist bei ARTE zusätzlich Woody Allen, a documentary von Rober B. Weide als recht intimes Porträt über den Regisseur zu sehen.

Der Stadtneurotiker

Der unscheinbar wirkende, agile kleine Mann, gerade vierzig, der sich zu Beginn dieses Films vor der Kamera präsentiert und sich ganz direkt an sein Publikum wendet, erläutert anhand eines Witzes und eines berühmten Zitats zunächst rasch seine selbstironische, pessimistische Daseinsphilosophie. In seinem dynamischen, egozentrischen Wortschwall ist dieser Alvy Singer (Woody Allen) bald bei seiner kürzlichen Trennung von Annie Hall (Diane Keaton) angelangt, die er offenbar bedauert.
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