Der Schatz (2015)

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Eine Frage der Zeit

Der Schatz ist – wie vieles im Schaffen von Corneliu Porumboiu – eine Frage der Zeit. Die Zeit, die es braucht, die Zeit als Geschichte, die Zeit des Humors und die tote Zeit. Wenn man das Neue Rumänische Kino (das nun seit mehr als zehn Jahren „neu“ ist) mit der Nouvelle Vague vergleichen müsste, wäre Porumboiu wohl so was wie der Éric Rohmer der Bande um Cristi Puiu und Cristian Mungiu. Ein Freund der scheinbar einfachen Konstellationen, die sich ins Unendliche verkomplizieren. Aber natürlich ist ein solche Bemerkung zu einfach.

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In Der Schatz sehen wir einen Film darüber, wie man Illusionen lieben kann. Es ist das erste Märchen von Porumboiu. Natürlich geht es dabei um Desillusionierung. Dabei hält sich Porumboiu formal im Vergleich zu seinen beiden vorigen Filmen The Second Game und When Evening Falls on Bucharest or Metabolism deutlich zurück. Zwar gibt es hier und da selbstreflektierende Gesten, aber letztlich widmet sich der Filmemacher deutlich mehr der Narration. Es ist eine bewusste Entscheidung, da Porumboiu zunächst eine Dokumentation über einen Schatz im Garten eines Freundes drehen wollte, aber bemerkte, dass die eigentliche Suche danach zu traurig war. Er wollte lieber eine Komödie, eine Fiktion.

Diese beginnt mit einem Fehler und der schlimmsten aller enttäuschten Lieben: dem enttäuschten Kind. Der schuldige Vater ist Costi (der wunderbar körperliche Toma Cuzin), der den Jungen zu spät abholt. Schon hier findet sich also auch die Zeit, in Form einer Verzögerung. Man kann das, was folgt, als die Suche Costis nach etwas bezeichnen, das den Sohn wieder glücklich macht. Ein Nachbar erzählt Costi von einem Schatz, der im Garten eines Hauses der Familie des Nachbarn vergraben liege. Der Nachbar suche nach Kollaborateuren, da ihm das Geld für Ausrüstung fehle. Eine perfekte Ausgangsposition für den leichten Ton und den absurden Humor, den Porumboiu schnell und unaufgeregt etabliert. Jedoch sind die Grenzen zwischen Komödie und Abgrund äußert schmal im rumänischen Kino, und so liegt auch eine Traurigkeit und politisches Bewusstsein im Film.

Das Unterfangen der Schatzsuche gestaltet sich nicht so einfach, wie man womöglich glauben würde. Hier geht es um die Zeit, die es braucht, die Zeit der Hindernisse. Das Duo braucht mehr Geld für einen Metalldetektor, es gibt Gesetze, die sich mit dem Finden von Schätzen befassen, und außerdem brauchen die beiden Männer Entschuldigungen für ihr Fehlen bei der Arbeit. Es ist wunderbar, wie der Film in diesen Szenen ein immenses Auge für tägliche Frustrationen in Beziehungen und im Arbeitsleben beweist. Es zeigt sich, dass das Kino von Porumboiu immer dann am lebendigsten und reichsten ist, wenn es Momente des Wartens oder Gehens gibt, also der gefilmten Zeit. Das gilt auch für die eigentliche Suche nach dem Schatz im Garten, die zu den lustigsten Sequenzen des Filmjahres gehört. Das liegt vor allem am Metalldetektor-Experten, den sich Costi und sein Nachbar an Land ziehen. Ein seltsamer Kettenraucher, der auch im wirklichen Leben mit Metalldetektoren arbeitet, aber ständig so wirkt, als wisse er nicht genau, was er da tut. Porumboiu filmt den Mann und seine unvergessliche Art und Weise, sich langsam von einer Ecke des Gartens in die andere zu bewegen, in totalen Einstellungen und macht dadurch die Absurdität greifbar. Leider nutzt der Filmemacher die Möglichkeiten des Digitalen nicht wirklich aus, die Bilder sind sehr flach und uninspiriert.

Der Garten und das dazugehörige Haus ermöglichen Porumboiu, über eine andere Zeit zu erzählen: die rumänische Geschichte und ihre Verirrungen. Dabei findet der Filmemacher wieder überraschende Wendungen, um über nationale Identitäten nachzudenken. Im Kern steht dabei nach wie vor die Frage nach dem Verhältnis der Gegenwart zur Vergangenheit, die nicht nur aus der Revolution und dem Kommunismus besteht. Die nationalen Stereotypen bei Porumboiu erinnern wie der geduldige Humor der Betrachtung an das Kino von Hong Sang-soo, der ein großes Vorbild für Porumboiu ist. Bei beiden Filmemachern gibt es die Absurdität der kleinen Gesten, Sätze und Missverständnisse bei gleichzeitiger Thematisierung des Erzählens von Geschichten. Man hat beständig das Gefühl, dass man eine Lektion bekommt, die nichts lehrt, aber alles beobachtet.

Aus diesem Grund findet sich die Moral des Films letztlich in der Ironie des Lebens. In einer bemerkenswerten letzten Einstellung, die sich plötzlich bewegt, wird die Illusion plötzlich real und gerade dadurch zerstört. Die Kamera erhebt sich und zeigt uns eine Welt, die Illusionen braucht. Das ist insofern bemerkenswert, als Porumboius erster Spielfilm 12:08 — Jenseits von Bukarest von einer Welt handelte, die keine Illusionen und Fiktionen will, ein Film über Märchen, die lächerlich sind. Eine erstaunliche Entwicklung, womöglich fehlt jetzt etwas, an das man glauben kann. Aber Porumboiu geht sehr klug mit den Fallen solcher Gedanken um und zeigt uns im Moment der Illusion auch deren Effekt. Man könnte es die Illusion einer Illusion nennen, dort, wo alles an Wert verliert, sobald es real wird. Natürlich steckt in diesen Überlegungen auch viel Politik und Zeitgeschichte.
 

Der Schatz (2015)

„Der Schatz“ ist – wie vieles im Schaffen von Corneliu Porumboiu – eine Frage der Zeit. Die Zeit, die es braucht, die Zeit als Geschichte, die Zeit des Humors und die tote Zeit. Wenn man das Neue Rumänische Kino (das nun seit mehr als zehn Jahren „neu“ ist) mit der Nouvelle Vague vergleichen müsste, wäre Porumboiu wohl so was wie der Éric Rohmer der Bande um Cristi Puiu und Cristian Mungiu.

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