Den Sternen so nah (2016)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der junge Marsianer

Sowohl Coming-of-Age- als auch Boy-meets-Girl-Erzählungen benötigen immer wieder neue Ansätze, um dem Repertoire an Standardsituationen etwas Interessantes, Außergewöhnliches zu verleihen. In Peter Chelsoms romantischer Teenager-Tragikomödie Den Sternen so nah, deren Drehbuch von Allan Loeb verfasst wurde, geschieht dies durch eine Beimischung von Science-Fiction-Motiven: Die Konfrontation mit den Gefahren sowie den Schönheiten der Welt und das Erleben der ersten Liebe, die ebenfalls gefährlich und schön zugleich sein kann, wird darin durch die Tatsache erschwert, dass der junge Protagonist auf dem Mars aufwuchs – ohne Eltern und ohne Gleichaltrige, umgeben von Wissenschaftler_innen.

Um diese Handlungsprämisse, die ein sehr schönes Bild für das pubertätstypische Gefühl des ‚Andersseins‘ ist, zu schaffen, muss der Film möglichst schnell ein paar Bedingungen etablieren – was ihm nicht in jeder Hinsicht ganz tadellos gelingt. Der Forscher und Unternehmer Nathaniel Shepherd (Gary Oldman) schickt zu Beginn sechs Leute zum Roten Planeten, damit diese dort vier Jahre verbringen, um die Siedlung „East Texas“ zu gründen. Sarah Elliot (Janet Montgomery), die Leiterin der Mission, stellt jedoch noch während des Hinfluges fest, dass sie schwanger ist. Als sie kurz nach der Landung bei der Entbindung stirbt, fasst das Team um Nathaniel den Entschluss, die Existenz des Kindes geheim zu halten. Da es eine Rückreise zur Erde nicht überleben würde, soll das Kind vorerst auf dem Mars bleiben. Ein Hang zum Pathos („Mut ist Furcht, die ihre Gebete gesprochen hat“, verkündet Sarah zum Beispiel vor dem Start der Mission) sowie eine Melange aus Hektik und Detailversessenheit machen den Prolog des Werks zu einer inszenatorisch und dramaturgisch wenig überzeugenden Angelegenheit.

Wesentlich einnehmender wird Den Sternen so nah hingegen, sobald die Hauptfigur in Erscheinung tritt: 16 Jahre nach Sarahs Tod ist der adoleszente Gardner (Asa Butterfield) in der Gesellschaft einer großen Wissenschaftstruppe und eines Roboters, den er selbst mitgebaut hat; die Astronautin Kendra Wyndham (Carla Gugino) ist zu einer Art Ersatzmutter für ihn geworden. Gardners einziger Kontakt zur Erde findet online statt: In den Chat-Sessions mit der einsamen Highschool-Schülerin Tulsa (Britt Robertson) hat sich eine enge Freundschaft entwickelt – wenngleich Gardner behaupten muss, wegen einer Krankheit das Haus nicht verlassen zu können. Als die NASA den jungen Mann nach diversen Operationen sowie einer physiotherapeutischen Vorbereitung schließlich auf dessen Wunsch hin zur Erde bringt, zeigt sich rasch, dass Gardners Herz die Erdatmosphäre nicht auszuhalten vermag. Kurzerhand entflieht Gardner, um Tulsa in der Provinz in Colorado aufzusuchen und gemeinsam mit ihr seinen unbekannten Vater zu finden.

Dass dieser konventionelle, ziemlich vorhersehbare Plot trotz einer offenkundigen Ansammlung von Klischees sowie einigen Ungereimtheiten überraschend gut funktioniert, ist neben der angenehm beiläufig-organischen Einarbeitung von SciFi-Elementen (etwa Automobilen, in denen man sich schlafend fortbewegen kann) vor allem dem extrem sympathischen Spiel von Asa Butterfield (Hugo Cabret) zu verdanken, der hier ein beachtliches Komiktalent an den Tag legt. Das Staunen eines Außenseiters beziehungsweise Außerirdischen über die für uns längst selbstverständlichen Wunder der Welt („Das ist Feuer! Es ist so warm!“) hat man gewiss schon unzählige Male in Büchern gelesen und in Filmen sowie Serien gesehen; doch Butterfield verkörpert diese Be- und Entgeisterung, diese ersten Begegnungen mit Wasser und Wind, Pferden und Tausendfüßlern, Hamburgern und (Heißluft-)Ballons mit derart bezwingendem Charme, dass man rasch bereit ist, mit dem Teenager mitzufühlen. Auch der zweifelsohne nicht allzu originelle Road-Trip-Strang profitiert von der darstellerischen Interpretation: Der biografische Hintergrund von Tulsa bleibt im Skript entschieden zu unscharf, Britt Robertson (A World Beyond) verleiht ihrer Rolle in den zunächst screwball-artigen Dialogen zwischen dem Jugendpaar indes viel Witz und Schneid; ebenso wird die Ernsthaftigkeit in den späteren Passagen von dem Leinwand-Duo glaubhaft vermittelt. Die bemühten Bezüge zu Wim Wenders‘ Der Himmel über Berlin (1987) sind fraglos zu hoch gegriffen; ein äußerst liebenswürdiger, gut gespielter Genre-Mix ist Den Sternen so nah aber allemal.
 

Den Sternen so nah (2016)

Sowohl Coming-of-Age- als auch Boy-meets-Girl-Erzählungen benötigen immer wieder neue Ansätze, um dem Repertoire an Standardsituationen etwas Interessantes, Außergewöhnliches zu verleihen. In Peter Chelsoms romantischer Teenager-Tragikomödie „Den Sternen so nah“, deren Drehbuch von Allan Loeb verfasst wurde, geschieht dies durch eine Beimischung von Science-Fiction-Motiven.

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