Das Leben ist nichts für Feiglinge

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Von der Kunst der Trauerarbeit

Ebenso wie jeder Mensch seine ganz eigene Art und Weise hat, mit der Vergänglichkeit des Lebens umzugehen, gibt es auch auf der Kinoleinwand sehr unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema Tod. André Erkau wählt in „Das Leben ist nichts für Feiglinge“, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Gernot Gricksch, einen tragisch-komischen Stil, der den Zuschauer immer wieder durch ein leises Schmunzeln von der dramatischen Tragweite seiner Geschichte abzulenken weiß.
Nachdem Markus (Wotan Wilke Möhring) seine Frau verloren hat, stürzt der nun alleinerziehende Vater in ein Tief. Es gelingt ihm weder seiner Tochter Kim (Helen Woigk) den notwendigen Beistand zu leisten, noch selbst bei seiner Mutter Gerlinde (Christine Schorn) Trost zu suchen. Infolgedessen leidet jedes Familienmitglied für sich allein. Inmitten dieser schwierigen Situation traut sich Gerlinde nicht, auch noch von ihrer Krebserkrankung zu erzählen, die nun ihr eigenes Leben bedroht. Erst der Pflegerin Paula (Rosalie Thomass) gelingt es, den Kontakt zwischen den Familienmitgliedern langsam wieder herzustellen. Doch an diesem Punkt ist es schon fast zu spät: Die pubertierende Kim hat sich längst von ihrem Vater entfremdet und in dem Schulabbrecher Alex (Frederick Lau) eine zweifelhafte Ersatzfamilie gefunden. Wird Markus auch noch Tochter und Mutter verlieren?

Die bittere Komik von Das Leben ist nichts für Feiglinge erinnert ein wenig an US-amerikanische Independentkomödien. Das traurige Thema des Films wird immer wieder durch kleine humoristische Einlagen aufgelockert, für die in vielen Fällen Rosalie Thomass als unkonventionelle Pflegerin verantwortlich ist. André Erkaus Film lebt von seinen komplex gestalteten Charakteren. Jede der Figuren hat ihre eigenen Schwächen, Leidenschaften und Träume und macht im Zuge der Geschichte eine überzeugende Entwicklung durch. Wotan Wilke Möhring und Helen Woigk sind die beiden Überraschungsmomente des Films. Wilke Möhring, der im deutschen Kino sonst eher seine komödiantische Seite zeigt, kann in der ernsten Rolle vollends überzeugen. Dem Schauspieler gelingt es, Markus’ stillen Schmerz ebenso darzustellen, wie seine Unfähigkeit, die Trauer in der familiären Gemeinschaft in gegenseitigem Beistand zu ertragen. Neuentdeckung Helen Woigk steht ihrem Filmvater in nichts nach. Die Nachwuchsschauspielerin legt eine starke Leinwandpräsenz an den Tag, zeigt in ihrem subtilen Spiel tiefe Emotionen und kann den erfahreneren Kollegen Frederick Lau damit zuweilen in den Schatten spielen.

Das Thema Tod ist in André Erkaus Film omnipräsent. Allein das schwarze Gothic-Styling von Kim erhält den Gedanken an die Verlustthematik des Films stets aufrecht. Jede der Figuren trauert auf eine andere Weise. Das Drama der Geschichte liegt darin, dass die Protagonisten nicht in der Lage sind, aufeinander einzugehen und sich gegenseitig Kraft zu spenden. Lediglich Kim gelingt es, der Großmutter angemessen beizustehen, doch die Suche nach einer starken Person, bei der auch sie Trost und Halt findet, führt sie schließlich von ihrer Familie fort. Durch die gelungenen Charakterzeichnungen wirken die verschiedenen Haltungen zum Thema Tod und Vergänglichkeit in gleichem Maße überzeugend. Der Zuschauer kann wählen, mit welcher Figur er sich identifizieren möchte, in welcher Herangehensweise er sich am ehesten wieder findet. Somit ist Das Leben ist nichts für Feiglinge in der Lage, ein breit gefächertes Publikum zu erreichen.

Die Kamera von Ngo The Chau inszeniert die Geschichte der kleinen Familie in Bildern, die der großen Leinwand würdig sind. Ohne die Geschehnisse übermäßig zu dramatisieren, kann er so die Aufmerksamkeit des Publikums dauerhaft fesseln. Das Konzept ist leider nicht ganz so konstant. Während Das Leben ist nichts für Feiglinge mit einer gelungenen Mischung aus Tragik und Komik startet, gesellen sich im Laufe der Handlung immer mehr Kitschmomente hinzu. Die Musikuntermalung trägt zu einer Überdosis Rührseligkeit einzelner Passagen und damit leider auch zur Distanzierung des Zuschauers von der Geschichte bei. Dabei ist das in Anbetracht des ungewohnt emotionalen Spiels Wotan Wilke Möhrings gar nicht notwendig. Wenn Markus’ harte Schale bricht und er endlich in der Lage ist, Trost zu geben und zu spüren, geht dies deutlich mehr ans Herz als das konstruiert wirkende Finale.

Auch wenn André Erkau sein Konzept der Tragikomödie gen Ende zu Gunsten des Rührstücks aus den Augen verliert, bleibt Das Leben ist nichts für Feiglinge ein sehenswerter Film über den Tod und die multiplen Mechanismen, mit denen wir Menschen auf dieses Ereignis reagieren. Gleichzeitig stellt der Film eine sympathische Erinnerung an die bekannte Lebensweisheit dar: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Das Leben ist nichts für Feiglinge

Ebenso wie jeder Mensch seine ganz eigene Art und Weise hat, mit der Vergänglichkeit des Lebens umzugehen, gibt es auch auf der Kinoleinwand sehr unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema Tod. André Erkau wählt in „Das Leben ist nichts für Feiglinge“, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Gernot Gricksch, einen tragisch-komischen Stil, der den Zuschauer immer wieder durch ein leises Schmunzeln von der dramatischen Tragweite seiner Geschichte abzulenken weiß.
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Meinungen

tina sannek · 25.08.2013

Ich habe gelacht und geweint, teilweise beides gleichzeitig.
Der Film spricht das Thema Krankheit und Tod sehr emotional an, Christine Schorn, Wotan Wilke Möhring und Helen Woigk bringen die Traurigkeit, die Unfassbarkeit des Todes und die Verarbeitung damit sehr überzeugend rüber.
Ich bin gedanklich nicht einmal abgeschweift, so hat mich das Thema, die Darsteller und die Umsetzung begeistert.
Man sollte sich diesen Film unbdingt ansehen.

Hildegard Müller · 25.05.2013

Warum Kriege ich diese Trailer nicht auf?