Dark Places (2015)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Dunkle Langeweile

Wer Gone Girl mochte, wird Dark Places lieben. So einfach könnte es sein. Ist es aber nicht. Dabei haben die beiden Filme einiges gemeinsam. Sie basieren auf Büchern der Autorin Gillian Flynn, sie erzählen Geschichten tiefster menschlicher Abgründe und setzen auf weibliche Figuren, die alles sind außer nett und einfach. Doch während David Fincher jede noch so dunkle Seite seines Gone Girls ausleuchtet, tappt Dark Places lieber im Dunkeln. Was ist passiert? Die Antwort liegt in der Inszenierung des französischen Regisseurs und Drehbuchautors Gilles Paquet-Brenner (Sarahs Schlüssel), die der eigentlich spannenden Geschichte von Anfang an jegliche Verve und jeglichen Schauer nimmt.
1985 im Mittleren Westen der USA. Die kleine Libby Day (Sterling Jerins) ist die einzige Zeugin des Massenmords an ihrer Familie. Die Medien und die Polizei sind überzeugt, den Täter zu kennen: ihr Bruder Ben (Tye Sheridan). Denn der stille Junge mit den schwarz gefärbten Haaren steht auf Gothic-Musik und hat keine Freunde in der Schule. Das genügt, um ihn als Satansjünger zu begreifen und in die gerade in den USA vorherrschende Sekten-Hysterie mit einzuschließen. Ben passt ins Bild der religiösen Paranoia, und Libby bestätigt diesen Verdacht, der ihr durch Suggestivfragen und Druck der Behörden auferlegt wird. Ihr Bruder wandert daraufhin ins Gefängnis und sie bleibt als Vollwaise und ohne jegliche Familie zurück. Knapp 30 Jahre später ist aus der kleinen Libby eine verängstigte, einsame und harte Frau (Charlize Theron) geworden, die von den Tantiemen einer Autobiografie, die sie nicht selbst geschrieben hat, und den Spenden von Fremden ihren Lebensunterhalt bestreitet. Doch sie ist nicht mehr klein und süß; das Geld wird immer weniger und versiegt schließlich ganz. Nur einer will sie bezahlen: Lyle (Nicolas Hoult) ist Mitglied des Kill Clubs, einer Gemeinschaft, die besessen ist von Massenmorden. Und dieser Club will Libbys und Bens Fall noch einmal aufrollen, denn etwas stimmt nicht an der Geschichte. Widerwillig lässt sich Libby von ihnen anheuern, ihren Fall noch einmal Stück für Stück durchzugehen. Bald merkt sie selbst, dass etwas nicht stimmt. Doch sie und Lyle müssen sich beeilen, denn Bens Hinrichtung steht bald bevor.

Eigentlich eignet sich das Material hervorragend für einen grundanständigen Psychothriller, doch Paquet-Brenners Adaption bringt vor allem die Hauptfigur Libby von Anfang an zum völligen Stillstand in ihrer eigenen Geschichte. Die junge Frau vermag ihrem Trauma ausschließlich dadurch Ausdruck zu verleihen, indem sie einerseits hochgradig aggressiv gegenüber jedem anderen Menschen auftritt und anderseits immerfort passiv bleibt. Obwohl ihre Geschichte von Lyle wieder neu ins Rollen gebracht wird und Libby sich aus ihrem Stillstand befreit, bleibt die Figur stets unangenehm hölzern und ohne jegliche charakterliche Entwicklung. Wer ist diese Libby eigentlich und was macht sie aus – außer ihrer Angst und ihrer Wut? In den Teilen des Films, die in der Gegenwart spielen, lässt sich diese Frage nicht beantworten. Es stellt sich aber bald eine andere: Warum sollte man sich überhaupt für sie interessieren oder gar Empathie entwickeln? Auch die in der Vergangenheit spielenden Sequenzen warten ausschließlich mit Rollentypen und festgelegten, sich nie in die Tiefe entwickelnden Figuren auf: die Mutter (Christina Hendricks), die vom Ehemann misshandelt wurde und jetzt allein versucht, die Farm aufrecht zu halten, die fiese ältere Schwester, der verlorene Bruder, der an die falschen Leute gerät und eine Freundin hat, die – man weiß nicht wieso – völlig durchgeknallt ist.

Auch ästhetisch ist Dark Places nichts Besonderes. In den klassischen Thriller-Farben grau/blau gehalten, verstärken die Bilder nur die depressive Melancholie und Langweile, derer sich der Film in der Hoffnung bemächtigt, die tiefen Wunden bildhaft einfangen zu können. Doch alles was er bewirkt, ist grau und bleiern vor sich hinzukriechen.

Was macht man mit all diesen grauen Figuren, die durch einen grauen Film staksen, der versucht, mit dem Wechsel der Zeitebenen den Thriller-Anteil so gut es geht in die Länge zu ziehen, um über die Runden zu kommen? Was tun mit ProtagonistInnen, die einem schnuppe sind, und einer Geschichte, die an vielen Stellen so unglaubwürdig und manchmal unerklärlich daher kommt, dass man sich nur den Kopf kratzen kann?

Die Antwort ist: nichts. Man bleibt kalt, lässt den Film vor sich hinplätschern, seufzt ab und an ob der völlig vertanen Chancen und vergisst ihn, sobald der Abspann läuft.

Dark Places (2015)

Wer „Gone Girl“ mochte, wird „Dark Places“ lieben. So einfach könnte es sein. Ist es aber nicht. Dabei haben die beiden Filme einiges gemeinsam. Sie basieren auf Büchern der Autorin Gillian Flynn, sie erzählen Geschichten tiefster menschlicher Abgründe und setzen auf weibliche Figuren, die alles sind außer nett und einfach.
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