Cinema Futures

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Cinema Futures von Michael Palm hätte leicht der traurigste Film des Jahres sein können. Ein Filmessay, das vom Sterben des Films erzählt. Aber dazu ist Palm trotz einiger humoristischer und dramatisierender Auswüchse zu nüchtern. Genau darin liegt auch eine der großen Stärken der vom Österreichischen Filmmuseum initiierten Arbeit, die letztlich weniger vom Sterben eines Mediums erzählt, als vom Speicher- und Erhaltungstrieb einer sich transformierenden, medialen Welt. Dieses Thema scheint jetzt besonders stark im Kino und im Kinodiskurs angekommen, man beginnt, ein wenig zu begreifen, was in den vorigen Jahren geschehen ist. Die Anzahl der Fragen, die Cinema Futures(der Titel steht nicht umsonst im Plural, der Möglichkeiten eröffnet) stellt, zeigt aber auch, vor welcher Unsicherheit das Kino steht.

Filmisch ordnet sich Palm größtenteils dem unter, was er vermittelt. Und das ist eine ganze Menge. Beginnend mit dem sich verwandelnden Titel von „A Film by“ zu „A File by“ offenbart sich die Verwirrung und Aufregung einer Datenwelt im ständigen Umbruch. Dabei ist die große Stärke von Cinema Futures der Zugang zu zahlreichen bedeutenden Institutionen und Denkern im Bereich des Kinos und der Medienarchive. Vom Library of Congress, über das Internet Archive, digitalen Restaurierungsinstitutionen in Indien bis zu norwegischen Staatsbunkern besucht Palm eine ganze Menge an Brandherden. Und er spricht mit Arbeitern und Experten auf dem Gebiet wie Martin Scorsese, Nicole Brenez, Christopher Nolan oder David Bordwell. Dabei fokussiert sich Palm in den Gesprächen fast immer auf die Information und die konkrete Arbeit, nicht auf die Person. Dadurch entsteht ein sehr konzentriertes Bild, das vieles vermitteln kann, auch wenn es manchmal etwas redundant wirkt. Diese Redundanz hängt neben einem etwas holprigen Rhythmus im Film aber letztlich auch an einer begrüßenswerten Überforderung. Der Film/das File ist also ein geballter Informationsträger für eine Zeit, von der der Filmemacher vermutet, dass sie ähnlich der Dunklen Zeitalter im Mittelalter für spätere Generationen wie ein Loch erscheinen könnte.

Ab und an dringt durch den Einsatz von Musik und kleinen Regie-Gesten (zum Beispiel eine sehr unnötige Kapitelstruktur) dann doch das Gefühl einer Bedrohung oder Nostalgie durch die Bilder. Deutlich besser funktionieren die Zwischenpassagen aus älteren Filmen und Serien, die auf eine merkwürdige Art den medialen Umbruch dieser Zeit bereits vorausahnen. In diesen Szenen erweist sich Palm samt seinem bedachten Voice-Over-Text als großartiger Flaneur in einer Welt, die ihre Materialität verliert. Fast wie in einem Sci-Fi-Film kommt man sich vor mit diesen riesigen Regalen aus Daten, den blinkenden Festplatten und den dunklen Zimmern. In den riesigen Archiven vermag man auch großes Potenzial entdecken. Ein Potenzial, das eben den Plural des Titels rechtfertigt. Gleichzeitig spürt man, dass da etwas Vergängliches arbeitet. Die gefilmten Handgriffe von Projektionisten gehören vielleicht zu den letzten ihrer Art und ein mehr als deutliches Bild eines zerfallenen Projektionsraums braucht keine Erklärung. Es wird auch sehr klar wie ökonomische Interessen allein diesen Umbruch dominieren. Dabei verurteilt Palm nichts. Die digitale Wende ist in Cinema Futures gleichzeitig eine aufregende Möglichkeit als auch ein Problem. 

Schließlich stellt der Film gekonnt tatsächliche Fragen an die Zukunft des Kinos. Und er macht klar, dass diese nicht einfach nur gestellt werden sollten, sondern auch Antworten verlangen.

Cinema Futures

Eine essayistisch-dokumentarische Bestandsaufnahme der medialen Welt im digitalen Umbruch. Der Film stellt Fragen an die Archivierung und ihre Probleme in einer andauernden Umbruchsphase.

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