Chasing the Wind

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Was bleibt am Ende?

Die Großaufnahme einer kleinen Holz-Windmühle eröffnet den Film Chasing the Wind von Rune Denstad Langlo (Nord), sie dreht sich, dahinter sind grüne Wiesen und ein See zu sehen und Sägegeräusche zu hören. Dann fällt ein Baum – und der Film wechselt seinen Ort. Eine Frau liegt in einer Wohnung, durch das Fenster kommen die Geräusche einer Großstadt. Berlin, das ein wenig an Leipzig erinnert, ist der neue Wohnort von Anna (Marie Blokhus), seit sie aus ihrer Heimat in Norwegen weggegangen ist. Dort arbeitet sie als Modedesignerin und lebt mit dem Deutsch-Dänen Mathias (Frederik Meldal Nørgaard) zusammen. Dann erfährt sie, dass ihre Großmutter gestorben ist und kehrt nach Jahren der Abwesenheit in ihr norwegisches altes Heimatdorf zurück.
Es ist eine lange Reise in die Vergangenheit – sie fliegt, fährt mit Bus und Schiff und geht schließlich zu Fuß in das Haus ihrer Großeltern. Der Empfang ist unterkühlt, ihr Großvater Johannes (Sven-Bertil Taube) spricht kaum ein Wort mit ihr. Die Großmutter war diejenige, die geredet hat, wenngleich sie wichtige Dinge ausgespart hat. Anna wusste nichts von den Problemen und Krankheiten, sie dachte, es sei alles in Ordnung. Nach und nach erfährt sie, wie das Leben in den letzten Jahren für ihre Großeltern war, sie begegnet ihrer Jugendliebe Hårvard (Tobias Santelmann) wieder – und sieht sich schon bald mit lange verdrängten Fragen konfrontiert.

Chasing the Wind ist ein melancholischer, aber auch humorvoller Film, der die bekannte Geschichte von einer Rückkehr erzählt. Jedoch verzichtet Regisseur und Drehbuchautor Rune Denstad Langlo wohltuend auf die üblichen Klischees und dramatischen Verwicklungen, sondern beweist ein feines Gespür für die alltäglichen Katastrophen und Folgen falscher Entscheidungen, unter denen man ein Leben lang leidet. Für Johannes ist das Leben daher ein vergebliches Jagen nach dem Wind, „Yet when I survived all that my hands have done and what I had failed to achieve, everything was meaningless, a chasing after the wind“ zitiert er gegenüber seiner Enkelin, die einst ihre Eltern verloren hat. Es ist dieser Kummer und Verlust, der sie verbindet, wahre Nähe anfangs jedoch auch verhindert. Dabei überzeugt insbesondere Sven-Bertil Taube (Verblendung) als schweigsamer Großvater, der sich seiner Enkelin erst wieder annähern muss.

Durch Annas Rückkehr werden sie gezwungen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dabei vollzieht sich ihre Annäherung in kleinen, mitunter witzigen, aber auch berührenden Szenen. Dazu gehört der Moment, in dem Anna, die eigentlich keine Kohlenhydrate zu sich nimmt, mit ihrem Großvater das letzte Brot isst, das ihre Großmutter gebacken hat. In diesem Bild stecken mehr Kindheitserinnerungen als jede Rückblende enthalten könnte. Von dieser Originalität hätte man sich mehr gewünscht, zumal Rune Denstad Langlos Stärke eindeutig in der Bildgestaltung liegt. Es gibt wunderschöne Einstellungen von dem kleinen Ort, aber auch Bilder, die den Kummer und die Verbitterung der Charaktere einfassen und sie wortlos in Beziehung zueinander setzen. Jedoch bleibt die Geschichte in vorhersehbaren Bahnen, so dass letztlich an dem ruhigen Familiendrama vor allem eines auffällt: seine Bodenständigkeit.

Chasing the Wind

Die Großaufnahme einer kleinen Holz-Windmühle eröffnet den Film „Chasing the Wind“ von Rune Denstad Langlo („Nord“), sie dreht sich, dahinter sind grüne Wiesen und ein See zu sehen und Sägegeräusche zu hören. Dann fällt ein Baum – und der Film wechselt seinen Ort. Eine Frau liegt in einer Wohnung, durch das Fenster kommen die Geräusche einer Großstadt.
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