Carnage Park

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Zum Abschuss freigegeben

Ein Überfall, der aus dem Ruder läuft. Betont lässige Zeitlupenaufnahmen. Ein ironischer Musikeinsatz. Und eine nicht-chronologische Erzählweise. Dass die Arbeiten eines Quentin Tarantino in Mickey Keatings Fantasy-Filmfest-Beitrag Carnage Park Pate standen, ist nicht zu übersehen. Als zweiter dominanter Einfluss drängt sich das Horrorkino der 1970er Jahre auf, dem der junge Regisseur und Drehbuchautor mit der zeitlichen Verortung seiner Geschichte, ihrem Backwood-Einschlag und konsequenten Sepia-Farben überdeutlich huldigt. Auf den ersten Blick mögen all diese Zutaten nach einer interessanten Mischung klingen. Großen Eindruck hinterlässt der staubig-verspielte Terrorstreifen aber nicht – auch wenn Keating sichtlich bemüht ist, den eigentlich simplen Plot künstlerisch aufzuwerten.
Kalifornien im Jahr 1978: Nach einem Banküberfall brettern ‚Scorpion Joe‘ (James Landry Hébert) und der angeschossene Lenny (Michael Villar) durch eine einsame Wüstengegend. Im Kofferraum: ihre verstörte Geisel Vivian (Ashley Bell). Als Lenny plötzlich tot aus dem Auto kippt und sein Partner die Leiche notdürftig verstecken will, bietet sich der jungen Frau die Chance zur Flucht. Dumm nur, dass sie das Grundstück des gestörten Vietnamveteranen Wyatt Moss (Pat Healy) betreten haben, der auf dem weitläufigen Hügel-Gelände schon seit längerem zum Spaß Jagd auf wehrlose Reisende macht.

Wähnt man sich anfangs noch in einem schwarzhumorigen Gangsterfilm, der an Tarantinos Regiedebüt Reservoir Dogs – Wilde Hunde erinnert, nimmt das Geschehen nach einer guten halben Stunde bizarrere Ausmaße an. Gleichzeitig entpuppt sich das anfängliche Springen zwischen den Ereignissen vor und nach dem Raubüberfall als selbstverliebte Spielerei, die keine zusätzliche Dynamik bringt. ‚Tarantino light‘, wenn man so will. Was folgt ist ein atemloses Katz-und-Maus-Spiel, das mit einigen handwerklich überzeugenden Gore-Effekten aufwartet und trotz seiner vergilbten Optik zartbesaitete Zuschauer verschrecken dürfte. Wyatt Moss ist einer dieser komplett verrückten Kino-Killer, die für ihre destruktiven Handlungen keine großen Motive brauchen. Entsprechend exzentrisch fallen sein Erscheinungsbild und Pat Healys Darstellung aus, wobei der durchgeknallte Scharfschütze in manchen Momenten eher komisch denn bedrohlich wirkt.

Um das altbekannte Treibjagdszenario zu bereichern, experimentiert Keating mit visuellen Stilmitteln – etwa ‚schiefen‘, ungewöhnlichen Perspektiven – und fängt regelmäßig Impressionen des Wüsten-Settings ein, das durch den Sepia-Anstrich noch ein Stück unwirtlicher erscheint. Atmosphärisch weiß Carnage Park nur stellenweise zu fesseln, obwohl die Ausstattungsabteilung Wyatts Grundstück als unheimliches Psychopathen-Wunderland aus dem Boden stampft. Schade ist vor allem, dass Keating die mit treibend-schrillen Klängen durchsetzte Tonspur fast nie zur Ruhe kommen lässt. Was im Genre-Klassiker The Texas Chainsaw Massacre auf virtuose Weise Anspannung erzeugt, mutet hier nicht selten unbeholfen an. Dass der Wechsel zwischen nervenzehrenden Soundeffekten und absoluter Stille äußerst wirkungsvoll sein kann, beweist der Home-Invasion-Schocker Don’t Breathe, der aktuell für einige Furore sorgt.

Als kleine Enttäuschung entpuppt sich auch das letzte Drittel, das sich die meiste Zeit im Dunkeln eines weit verzweigten Tunnelsystems abspielt. Gute Ansätze und interessante inszenatorische Einfälle mag man Keating gar nicht absprechen. Unter dem Strich steht aber bloß ein höchst durchwachsener Hinterland-Reißer, der vor allem eine Lust befeuert: alte Backwood-Meilensteine wieder in Augenschein zu nehmen. Filme wie John Boormans Wildnis-Horrortrip Beim Sterben ist jeder der Erste, Walter Hills Vietnam-Parabel Die letzten Amerikaner oder Tobe Hoopers bereits erwähnten Kultstreifen The Texas Chainsaw Massacre.

Carnage Park

Ein Überfall, der aus dem Ruder läuft. Betont lässige Zeitlupenaufnahmen. Ein ironischer Musikeinsatz. Und eine nicht-chronologische Erzählweise. Dass die Arbeiten eines Quentin Tarantino in Mickey Keatings Fantasy-Filmfest-Beitrag „Carnage Park“ Pate standen, ist nicht zu übersehen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen