Holodomor - Bittere Ernte

Eine Filmkritik von Falk Straub

Der Begriff „Holodomor“ bezeichnet die schwere Hungersnot, die in der Ukraine zwischen 1932 und 1933 Millionen Menschenleben kostete. Regisseur George Mendeluk hat diese Tragödie mit Max Irons, Barry Pepper und Terence Stamp in einen Historienfilm gepackt, der das richtige Maß vermissen lässt.

Die Sympathien in Holodomor – Bittere Ernte sind von der ersten Sekunde an klar verteilt. Wenn Douglas Milsomes Kamera über die goldenen Kornfelder fliegt und die Bauern bei der Arbeit zu bezaubernden Flötentönen einfängt, kommt das Publikum nicht umhin, deren entbehrungsreiches, aber ehrliches Leben als Idylle zu begreifen. Um ganz sicher zu gehen, ist den Bildern ein Voice-over beigegeben. Darin rekapituliert Yuri (Max Irons) die Geschichte seiner Heimat, einem Land der Legenden, in dem alles möglich sei. Er erzählt von seinem Vater Yaroslav (Barry Pepper) und seinem Großvater Ivan (Terence Stamp), stolzen Kosaken, denen keiner die Freiheit nehmen könne. Die Wildpferde tanzen dazu in Zeitlupe über die Steppe. Die „Drachen“, die es wirklich gebe, fallen kurze Zeit später, nach dem Sturz des Zaren ein. Sie tragen das Gesicht des sowjetischen Soldaten Sergei (Tamer Hassan), und mit ihnen halten Lügen, Unfreiheit und Tod Einzug. Mit ihnen wechseln auch die Farben. Fortan scheint die vorherrschende Jahreszeit dieses Films Herbst und Winter zu sein.

Der 1948 in Augsburg geborene, kanadische Regisseur George Mendeluk hat ukrainische Wurzeln. Sein Historienfilm, der die Freiheit, Geschichte und kulturelle Eigenständigkeit der Ukraine gleich zu Beginn auffällig häufig betont, ist angesichts der gegenwärtigen Lage in Osteuropa eine eindeutige Botschaft. Diese vor der historischen Folie des Holodomor zu verkünden, ist allerdings eine mehr als fragwürdige Entscheidung. Zwar trägt auch Mendeluk mit seinem Film ein Stück dazu bei, die verheerende Hungersnot, über deren Bezeichnung als Völkermord zwischen der Ukraine und Russland bis heute Uneinigkeit herrscht, einem breiteren Publikum bekannt zu machen, deren Vermittlung wird aber weder dem Thema noch den Opfern gerecht.

Wie so viele Historienfilme steht auch Holodomor – Bittere Ernte vor der Schwierigkeit, komplexe, multikausale Ereignisse verständlich zu vermitteln. Und wie in so vielen Historienfilmen wird auch in diesem Fall Geschichte verkürzt, vereinfacht, personalisiert und emotional überhöht. Die Figuren sind so holzschnittartig und starr, wie die Sympathien in Gut und Böse aufgeteilt sind. Nur Yuri macht ansatzweise einen Wandel durch, allerdings lediglich vom feinfühligen Künstler zum qua familiärem Erbe vorherbestimmten Freiheitskämpfer. Um alle Ereignisse so übersichtlich wie möglich zu vermitteln, schreitet der Protagonist das Schicksal eines ganzes Volkes in Personalunion ab. Diese Art der Geschichtsvermittlung, die ironisch gebrochen etwa in Robert Zemeckis Forrest Gump (1995) wunderbar funktioniert, wirkt in Holodomor doch arg deplatziert.

Neben dem heillos klischierten Drehbuch, das neben kritischem Historienfilm auch gern Kriegsepos und Liebesmelodram wäre, in weiten Teilen aber nie über das Niveau einer pathetischen Schmonzette hinauskommt, liegt das zum einen an den Darstellern. Allen voran Max Irons ist sichtlich überfordert. Zum anderen schrammt Mendeluks Inszenierung wiederholt an der Lächerlichkeit vorbei, weil der Kanadier stets bemüht ist, sein 20-Millionen-Dollar-Budget nach dem zehnfachen Betrag aussehen zu lassen. Das führt dann dazu, dass wunderschöne Landschaftsaufnahmen neben solchen stehen, in denen die Natur mühelos als Studiokulisse zu erkennen ist, deren kitschige Ausleuchtung an Fantasyfilme aus den 1980ern erinnert. Mittelmäßige Stunts, schnelle Schnitte und eine verkantete Kamera sollen wiederum die geringe Anzahl der Kämpfer in entscheidenden Schlachten verdecken. Es ist dieses unausgewogene Nebeneinander zwischen Anspruch und Wirklichkeit, das Holodomor zu einem seltsamen Filmerlebnis macht. Wäre das Thema nicht so ernst, man könnte glatt darüber lachen.

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