Barbershop: The Next Cut

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Der Schnitt im Debattenshop

Es scheint, man ist mal wieder im Zeitalter des Sequels angekommen. Natürlich war die Fließbandproduktion von Fortsetzungen schon immer eine beliebte Strategie, um mit meist wenig Arbeit viel Geld zu machen. Doch momentan gibt es in der Sequel-Wirtschaft einen starken Vintage-Einschlag. Nach Jurassic World, Independence Day: Resurgence und Ghostbusters kommt nun auch noch Bridget Jones’s Baby ins Kino. Das sind Sequels von Filmen, die schon über zehn Jahre alt sind. Es liegt Nostalgie in der Luft. Vielleicht sehnt man sich nach einer Zeit, in der Filme noch anders waren. Leider konnten die Endprodukte bis jetzt mit ihren Vorgängern eher nicht mithalten. Auch die Fortsetzung des ersten Barbershop-Films ist deswegen kaum eine Überraschung, vielmehr bestätigt Barbershop: The Next Cut die aktuelle nostalgische Ausrichtung Hollywoods.
Es ist genau 14 Jahre her, dass Barbershop Premiere feierte. Der Film um die Männerdomäne eines Herrenfriseurs im Süden Chicagos mit Ice Cube in der Hauptrolle des Friseurladenbesitzers Calvin Palmer war so erfolgreich, dass bereits in den darauffolgenden Jahren mehrere TV-Sequels und Spinoffs des Films produziert wurden. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Muss jetzt auch noch ein Kino-Sequel sein? Die Antwort fällt jedoch überraschend aus: Ja, es muss sein, und zwar dringender denn je. Seit 2002 hat sich in den USA viel getan und es gibt es einiges, worüber auf der Leinwand offen gesprochen werden sollte. Und das geschieht in Barbershop: The Next Cut.

Die politische Lage der USA ist, milde formuliert, angespannt. Der Tod des Afroamerikaners Michael Brown Jr. durch die Hände eines weißen Polizisten im Jahre 2014 hat die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die weiße Polizeigewalt gegenüber Schwarzen erhöht. Doch es hat sich seitdem nichts geändert. Allein in den vorigen Wochen starben wieder unzählige afroamerikanische Bürger durch die Hände weißer Polizisten. Die Protestbewegung gegen weiße Polizeigewalt #BlackLivesMatter ist stärker denn je. Und die Schießereien reißen nicht ab. Das Charleston Church Shooting, bei dem neun Afroamerikaner während eines Gottesdienstes erschossen wurden, fügt sich in eine Reihe mit den Toden von Eric Garner, Tamir Rice, Tanisha Anderson, Walter Scott. Diese Namen, diese Opfer, bekommen in Barbershop: The Next Cut eine Plattform. Sie werden endlich auf der Hollywood-Leinwand ausgesprochen. Die Sorgen und Ängste der Afroamerican Community werden hier endlich ausgesprochen. Und das verdient Anerkennung. Denn mit diesen Themen bricht Malcolm D. Lee das Format der seichten Comedy-Unterhaltung.

Lee, bekannt für den polarisierenden Undercover Brother, der mit kontroversem Witz Racial Issues der USA auseinandernimmt, hat das Politische in das Barbershop-Comedysetting gebracht. Nach der Rezession ist Calvins Friseurladen kein reiner Herrenladen mehr. Nun teilt er sich die Fläche mit dem Schönheitssalon seiner Businesspartnerin Angie (Regina Hall). Dennoch müssen Calvin und Angie weiterhin um die Existenz des Barbershops bangen. Wegen der erhöhten Gangkriminalität in ihrem Bezirk sollen die Straßen um den Salon zu einer Art Sperrzone gemacht werden. Auch Calvins Sohn sympathisiert mit einer im Süden Chicagos vorherrschenden Gang und soll bald als Gangmitglied initiiert werden. Während sich die Todesfälle durch Schießereien immer mehr häufen, versucht Calvin eine Lösung für all die Probleme zu finden. Diese findet er in einem 48-stündigem Waffenstillstand, während dessen sich alle kostenlos die Haare in Calvins Barbershop schneiden lassen können.

Es wird natürlich damit kokettiert, dass das nicht die Lösung sein kann. Dass sich die Gewalt nicht durch ein paar kostenlose Haarschnitte aufhalten lässt. Aber es geht auch um den persönlichen Beitrag, den man für seine Gesellschaft machen kann. Es geht viel um neo-liberales Gedankengut in Lees Film. Und es geht darum, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, weil einem niemand so gut helfen wird wie man selbst. In erster Linie geht es hier um Männer, die sich durch „harte Arbeit“ etwas aufgebaut haben und sich um ihre „Community“ kümmern wollen, aber auch kümmern müssen, weil es ihre soziale Verantwortung ist. Es ist gewissermaßen ein Teil des amerikanischen Traums, dass man die Dinge selbst in die Hand nehmen und damit etwas erreichen kann. Das klingt natürlich verklärt, hat patriotische Untertöne und rutscht beinahe in Kitsch ab, doch Lee schafft es meist, den Neo-Liberalismus doch noch auf die Seite der Ironie zu ziehen.

Calvins Unisex-Salon ist ein klassisches Kammerspielsetting. Die Männer auf der linken, die Frauen auf der rechten Seite. Es wird viel über Genderstereotypen, Gesellschaft und Politik diskutiert. Und eigentlich sind sich die Bewohner des Barbershops über nichts wirklich einig. Jeder hat seine eigene Meinung, es wird gestritten, gesprochen und manchmal auch eine Übereinkunft gefunden. Es ist beinahe wie ein Spiel, nach der Stimme der Vernunft in diesem Durcheinander zu suchen und zu merken, dass es keine gibt, aber auch keine geben muss. Calvins Barbershop ist ein Abriss des Teils der amerikanischen Gesellschaft, der immer noch zu schwach auf der Leinwand repräsentiert ist. Umso erfreulicher ist die Vielfältigkeit seiner Charaktere. Ernste Themen werden mit überraschend oft geglückten Gags gebrochen. Diese Brüche erinnern oft schmerzhaft an den jüdischen Humor – wir leiden, uns wurde Unrecht getan, doch wir sind hier, wir sind der Sache überlegen und deswegen können wir auch jetzt noch darüber lachen.

So fortschrittlich die Herangehensweise Lees an das Comedygenre auch scheint, so funktioniert es auf der Ebene der Genderdebatte leider kaum. Anstatt dem Politischen noch mehr Raum einzuräumen und auch den weiblichen Charakteren mehr Platz für ihre Entfaltung zu geben, lässt Lee zu allem Überfluss eine Eifersuchts-Dreiecksgeschichte einbauen und bedient damit dann doch die klassischen Stereotypen der eifersüchtigen Ehefrau und einer gierigen alleinstehenden Konkurrentin. Der Mann steht natürlich recht unbeholfen irgendwo daneben. Unabhängig von dem zweifelhaften Genderarrangement bereichert dieser Plot-Strang den Film einfach gar nicht. Der Verlauf und Ausgang dieser Geschichte sind dermaßen vorhersehbar, dass man es sich hätte auch einfach sparen können.

Der Waffenstillstand hat natürlich nichts geändert. Die Gewalt, die Kriminalität, die Ungerechtigkeit existieren weiter. Aber man hat ein Zeichen gesetzt. Und in einer sehr amerikanischen Manier verkündet Calvin am Ende des Films, dass er an seine Stadt und daran glaubt, dass sie ihren Weg wieder finden wird. Und dass auch die USA ihren Weg schon in die richtige Richtung machen wird. Diese Aussage wirkt vor dem aktuellen politischen und sozialen Hintergrund der USA gerade aus europäischer Perspektive doch eher blauäugig. Die Faszination vieler Amerikaner mit der Trump-Rhetorik und die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, die sich immer mehr auf eine Definition durch Hautfarbe zurückbesinnt, deutet eher gegen eine Zukunft in die richtige Richtung. Doch was bleibt andererseits einem Friseurladenbesitzer im Süden Chicagos auch anderes übrig, als auf eine bessere Zukunft zu hoffen.

Barbershop: The Next Cut

Es scheint, man ist mal wieder im Zeitalter des Sequels angekommen. Natürlich war die Fließbandproduktion von Fortsetzungen schon immer eine beliebte Strategie, um mit meist wenig Arbeit viel Geld zu machen. Doch momentan gibt es in der Sequel-Wirtschaft einen starken Vintage-Einschlag. Nach „Jurassic World“, „Independence Day: Resurgence“ und „Ghostbusters“ kommt nun auch noch „Bridget Jones’s Baby“ ins Kino. Das sind Sequels von Filmen, die schon über zehn Jahre alt sind. Es liegt Nostalgie in der Luft.
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