Bad Moms

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Gute Mütter kommen in die Küche, die schlechten auch

Bad Moms hätte eine moderne Neuauflage von John Waters Serial Mom oder noch besser eine komödiantische Version von Thelma and Louise oder eine Mischung aus beiden sein können. Ein Film, der die Probleme des modernen Mutterseins voller Komik und Ironie anprangert und die Mütter endlich ausbrechen lässt. Der mit dem Muttersein verbundene Stereotypen wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lässt. Aber Bad Moms ist eine Komödie von Jon Lucas und Scott Moore, den Machern von Hangover, und wartet daher vor allem mit einer enormen Ladung Sexismus à la Hangover auf und präsentiert Selbsthass herausfordernde weibliche Stereotypen der Extraklasse. Allein die fast durchgehend gute Besetzung mit der (großartigen und den Rest überschattenden) Kathryn Hahn, Kristen Bell und Christina Applegate vermag es ab und an, mit improvisierten Gags dem Film ein paar erheiternde Momente zu verschaffen.
Die Hauptbesetzung mit Mila Kunis hingegen ist aus Lucas‘ und Moores‘ Perspektive keine überraschende, aber vielleicht auch eine zu sichere Wahl. Kunis spielt die schöne Amy (das ist wichtig, denn sie ist nicht nur schön, sondern auch wesentlich schöner als der Rest ihrer weiblichen Umgebung), eine halbtags arbeitende Mutter, die immer wieder an ihrem eigenen Perfektionismus scheitert. Als ihr Mann sie für eine Online-Affäre verlässt, versucht Amy endlich aus dem Mutter-Korsett auszubrechen. Das sieht jedoch so aus, dass sie sich einerseits nicht mehr den Schikanen der Schulratsvorsitzenden Gwendolyn (Christina Applegate) unterwirft und sich neue Freundinnen (Kristen Bell und Kathryn Hahn) sucht, mit ihnen Unmengen an Alkohol konsumiert und so tut, als wären sie alle schlechte Mütter.

Das schlechte Muttersein besteht dabei darin, dass Amy ihre Kinder ihr Frühstück selbst zubereiten lässt, darauf verzichtet, weiterhin die Hausaufgaben ihres Sohnes zu machen, öfter Mal schlechten Wein trinkt und eine sexuelle Beziehung mit einem gutaussehenden Witwer eingeht. Der sie im übrigen sexy findet, weil sie „eine gute Mutter ist“. Hier begeben sich Lucas und Moore auf eine neue Ebene der pervertierten misogynen Geschmacklosigkeit. Das ist besonders befremdlich im Zusammenhang damit, dass die Filmemacher ständig versuchen, Amy als „unsexy“ zu verkaufen. Sie trage sportliche BHs und habe nur Jeans und Anzüge, gibt sie beschämt vor ihren Freundinnen zu. Aber es ist immer noch Mila Kunis und es ist völlig egal, was sie an hat. Sie mag einiges sein, aber unsexy gehört sicher nicht dazu. Selbst das Muttersein, falls das Lucas und Moores Logik ist, könnte Mila Kunis nicht unsexy machen. Doch Amys schlimmste Sünde ist eine ganze andere: sie verlässt die PTA (Eltern-Lehrer-Vereinigung) der Schule, die, man soll sich nicht vom Namen täuschen lassen, abgesehen vom männlichem Schuldirektor (Wendell Pierce) nur aus Müttern besteht. Väter beschäftigen sich mit so einem Quatsch natürlich nicht.

Man könnte an dieser Stelle zwar behaupten, dass Amys Halbtagsstelle und die weibliche Überrepräsentation in der PTA durchaus realistisch sind. Denn es sind nun einmal Frauen, die sich meist um das schulische Kindeswohl kümmern, und es sind auch heute immer noch Frauen, die nach Familiengründung in die Halbtagsfalle zurückfallen. Doch anstatt aufzuzeigen, wie unnötig und traurig diese Zusammenhänge sind, reproduzieren Lucas und Moore sie immer wieder aufs Neue. Ausbrechen bedeutet für sie vor allen Dingen, sich mit Alkohol zuzuschütten und Worte wie „Fuck“ oder „Dick“ möglichst oft in den Mund zu nehmen. Liebe Jon Lucas und Scott Moore, das tun Frauen alles schon lange und all das ist längst kein verbotenes Terrain mehr für sie.

Doch genau der Alkohol ist das eigentliche Problem. Man kann die Tragik des modernen Mutterseins nicht mit Alkohol auflösen und nein, bei dem auf der Leinwand vorgelebten Konsum handelt es sich schon lange um kein Genussmittel mehr. Die in Bad Moms dargestellten Exzesse sind keine witzige Einlage, vielmehr zeigen sie ein Phänomen, dass in den USA längst zum Alltag gehört. Mutterabende und Brunches übergossen mit Pinot Noir und Chardonnay sind praktisch zum Kulturgut geworden. Ein virale Satire auf Pokemon Go präsentiert Chardonnay Go (), eine Alternative für amerikanische Vorstadtmütter. Hier sollen frustrierte Mütter Chardonnaygläser in ihrer Nachbarschaft suchen. Zwar gemacht von Frauen für Frauen, offenbart das Video die problematische Verbindung zwischen Alkohol und moderner Weiblichkeit. Man muss sich fragen, ob die Welt wirklich so schlimm ist, dass Frauen ständig Alkohol trinken müssen, um sich zu entspannen oder „auszubrechen“. Trinken sich etwa Frauen heute über die misogyne moderne Welt hinweg? Darauf mag man tief in seinem Inneren schon längst die Antwort wissen. Aber die Betrachtung von Bad Moms gibt im Zweifelsfall viele gute Hinweise.

Umso schockierender ist der Plottwist, den sich Lucas und Moore fürs Ende aufgehoben haben. Denn anstatt der PTA weiterhin fernzubleiben, denn wir erinnern uns, das war ein wichtiger Teil von Amys Befreiungsprozess, wird es Amys nächstes Ziel, die Präsidentin der PTA zu werden, um damit die fiese Gwendolyn auszuschalten. Warum müssen eigentlich Frauen immer gegeneinander kämpfen? Lucas und Moore kreieren einen Catfight par excellence, dabei wird mit keinem Wort erwähnt, dass vielleicht gar nicht allein die Frauen an ihrem Schicksal schuld sind. Doch um die Frauen aufs Neue in ihre Schranken zu weisen, wird die Figur des männlichen Schuldirektors eingeführt, der beim Anblick der aggressiven Frauen im Minutentakt verzweifelt die Augen verdreht. In der Logik von Lucas und Moore ergibt diese Wendung natürlich Sinn. Nachdem die Frauen ein paar Tage ausgelassen gefeiert und ihre Kinder, wenn auch nicht signifikant, vernachlässigt haben, müssen sie so langsam in ihr altes, wenn nun auch leicht modifiziertes Leben, voller weiblicher Stereotypen und absurder Verpflichtungen zurückkehren.

Die Tragik des Films und der Situation moderner Frauen spiegelt sich jedoch letztlich am besten in den Kommentaren männlicher anglophoner Kritiker wieder. Es sei der perfekte Film für frustrierte Mütter auf einem wohlverdienten Mädelsabend, sagt Rolling Stones’ Peter Travers. Auch Variety’s Owen Gleiberman hat ähnliche Worte für „gestresste Mütter“ parat. Denn klar, warum Probleme lösen, wenn man sie mit ein paar Drinks auch einfach weglachen kann.

Bad Moms

Bad Moms hätte eine moderne Neuauflage von John Waters Serial Mom oder noch besser eine komödiantische Version von Thelma and Louise oder eine Mischung aus beiden sein können. Ein Film, der die Probleme des modernen Mutterseins voller Komik und Ironie anprangert und die Mütter endlich ausbrechen lässt.
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