Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt (2012)

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Die letzten Tage

Der Film beginnt direkt mit der Botschaft, die der kommenden Handlung ihren Stempel aufdrückt: Ein Ehepaar sitzt im Auto, im Radio wird gerade verkündet, dass in 21 Tagen die Welt untergehen wird. Es gibt keinerlei Entrinnen davor, die letzte Rettungsmission ist gerade gescheitert. Ein riesiger Asteroid befindet sich auf Kollisionskurs mit der Erde. Die beiden sitzen in aller Seelenruhe da, lauschen geduldig und gefasst der Moderatorenstimme – bis plötzlich sie abrupt die Tür öffnet und eilig davonrennt. Anscheinend kann sie sich Aufregenderes vorstellen, als die letzten drei Wochen ihres Lebens auch noch mit ihrem Ehemann zu verbringen. Er bleibt verlassen im Auto zurück.

In klassischen Katastrophenfilmen bildet solch eine Stelle oft den dramatischen Wendepunkt: Vom Zeitpunkt, an dem alles hoffnungslos erscheint, findet die Handlung über eine Kette voller glücklicher Zufälle, herzlichen Helfern und selbstlosem Mut hin zum glücklichen Ende. Nicht so in Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt, dem Regiedebüt von Lorene Scafaria. Als Zuschauer wird man bei ihr von Beginn an auf die Seite des von seiner Frau zurückgelassenen, durch und durch durchschnittlichen Verlierertyps Dodge (Steve Carell) gezogen, der fortan seinen Weg durch eine im Angesicht des Weltuntergangs aus den Fugen geratene Welt sucht. Seine Strategie sieht so aus, dass er einfach mit stoischer Selbstverständlichkeit weiterhin zur Arbeit fährt und Versicherungen verkauft. Er kann all den wilden Partys, all dem hedonistischen Entgrenzungsverhalten seiner Freunde nichts abgewinnen. Als dann unerwartet ein Brief von Olivia auftaucht, Dodges High-School-Freundin, in dem sie ihm gesteht, dass er ihre große Liebe gewesen sei, weiß er, was für ihn zu tun ist. Er versucht sie aufzuspüren, dabei mit von der Partie ist seine quirlige Nachbarin Penny (Keira Knightley), die gerade dabei ist, sich von ihrem Freund zu trennen und den letzten Flug nach England zu ihrer Familie verpasst hat.

Damit ist klar, was kommen muss: die beiden so gegensätzlichen Charaktere nähern sich einander an: zunächst schüchtern über Gesten und Blicke, dann beginnen sie eine ganz zarte Liebesbeziehung. Dass das alles ziemlich erwartbar ist, darüber könnte man ja noch hinwegsehen. Dass sich Regisseurin Scafaria (die sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeigt) allerdings nicht entscheiden kann, ob sie mit Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt eine apokalyptische Endzeitkomödie oder ein romantisches Roadmovie erzählen soll, das trübt in der zweiten Hälfte des Films den zunächst erfrischend komödiantischen Eindruck, den der Film zu Beginn hinterlässt. Dort sind nämlich eine ganze Reihe guter und unerwartet böser Einfälle mit einer Portion Slapstick gemischt und aneinandergereiht. Die einzelnen Szenen besitzen zwar nicht unbedingt einen Zusammenhang, sind aber sehr kurzweilig anzuschauen und stellenweise wirklich witzig: Da werden orgiastische Partys gefeiert, Heroin unter Anleitung einer Krankenschwester (damit auf jeden Fall alles bestens klappt!) gespritzt, den Kindern wird freimütig und gewissenlos Martini ausgeschenkt, ein Selbstmörder prallt aus heiterem Himmel auf Dodges Windschutzscheibe, als der morgens sein Auto parkt, um zur Arbeit zu gehen. Dann aber, als Penny und Dodge sich aufmachen, um Dodges High-School-Liebe zu finden, verflacht die Handlung zunehmend und das Drehbuch lässt einige Gelegenheiten für gute Dialoge aus und gibt sich stattdessen mit romantischen Oberflächlichkeiten zufrieden. Zum Beispiel als die beiden sich kennen lernen – sie sind wohlgemerkt Nachbarn im gleichen Haus –, fällt kein Wort zum dicht gedrängten und doch anonymen Leben in der Großstadt. Oder als sie vom Stadtzentrum, das von gewalttätigen Unruhen dominiert wird, in die Vorstadt fahren, wo jeder stur weiter seinen Vorgarten pflegt: sich anbietende Themenkomplexe werden einfach ausgelassen.

Was in der zweiten Hälfte von Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt den dramaturgischen Ton angibt, ist die seicht inszenierte Liebesgeschichte der beiden. Steve Carell gibt seinen Dodge derart leise und verhalten, dass das zwar als isolierte Figur in Ordnung geht, jedoch emotional vor dem Hintergrund des nahenden Weltuntergangs nur schwer nachvollziehbar ist. Fortan wird hemmungslos klischeehaft die Liebe beschworen als die einzige Macht, die dem Weltuntergang strotzen kann und ihn womöglich sogar überdauert. Der diabolische Humor des Anfangs ist leider komplett aus dem Drehbuch gewichen, wie wenn Scafaria beim Schreiben eine Pause gemacht, sich dann thematisch umorientiert hätte, um danach weiterzuschreiben, ohne den Beginn noch einmal zu lesen. Warum auch immer dieser krasse Bruch im Drehbuch stattfindet, darüber lässt sich wohl nur spekulieren.

Bedauerlich ist, dass die Regisseurin mit ihrem Versuch, aus gängigen Hollywood-Erzählklischees auszubrechen, im zweiten Teil des Films scheitert. Die Tragik, die mit ihrer Unentrinnbarkeit zu Beginn etabliert wird, soll ja wohl nicht so gesteigert werden wie bei einem anderen Endzeit-Drama, nämlich Lars von Triers Melancholia. Stattdessen erleben wir quasi die US-amerikanische Liebesrauschversion von Melancholia. Um auch dabei nichts anbrennen zu lassen, stülpt Scafaria am Ende der Dramatik der Unausweichlichkeit eine Utopie über, die der immensen Kraft der wirklich echten Liebe. Dabei ist die Ausgangsidee des Drehbuchs doch durchaus originell und bietet genügend Raum für mehr als Oberflächlichkeiten. Schade, Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt hätte einiges mehr werden können.
 

Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt (2012)

Der Film beginnt direkt mit der Botschaft, die der kommenden Handlung ihren Stempel aufdrückt: Ein Ehepaar sitzt im Auto, im Radio wird gerade verkündet, dass in 21 Tagen die Welt untergehen wird. Es gibt keinerlei Entrinnen davor, die letzte Rettungsmission ist gerade gescheitert. Ein riesiger Asteroid befindet sich auf Kollisionskurs mit der Erde. Die beiden sitzen in aller Seelenruhe da, lauschen geduldig und gefasst der Moderatorenstimme – bis plötzlich sie abrupt die Tür öffnet und eilig davonrennt.

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Meinungen

wignanek-hp · 25.04.2013

Die Kritik ist definitiv zu hart. Ich habe den Film – leider nur auf DVD – mit Freude gesehen, was komisch klingt, geht es doch um den Weltuntergang. Und er hat es geschafft, dass ich bis zum Schluss neugierig blieb.
Es gibt in jeder neuen Szene etwas zu entdecken und die Dialoge sind intelligent. Wäre der Film eine Aneinandereihung von Szenen à la „Wie begehe ich den Weltuntergang“ geblieben wie in den ersten 30 Minuten, wäre er langweilig geworden. Irgendwann läuft sich die beste Idee tot. So triftet der Film langsam in eine nachdenklichere Richtung. Mit welchen Menschen würde ich gerne die letzten Stunden meines Lebens verbringen? Wie gehen wir im Angesicht einer solchen Katastrophe miteinander um? Da bleibt der Film Gott sei Dank nicht in den üblichen Klischees stecken, sondern versucht, ehrliche Antworten zu finden. Zum Beispiel wenn die Hauptfigur erkennt, dass es manchmal besser ist, schöne Erinnerungen als solche zu belassen. Was die Liebesgeschichte betrifft, so hätte sie viel kitschiger ausfallen können. Man kennt da ja genügend Bespiele. Aber das Drehbuch gibt den Schauspielern Gelegenheit, mit viel Gespür für die richtige Portion Emotion wahrhaftig zu bleiben. Und sie ist zwangsläufig, na und? Aber wesentlich unaufdringlicher und glaubwürdiger als in vielen ähnlichen Streifen. Wenn man den Film in Ruhe anschaut, kann man viele schöne Momente entdecken.
Überrascht hat mich Steve Carell, den man sonst nur aus den üblichen Kitsch-Komödien kennt. Er kann auch anders und das war schön anzusehen.