Apparition - Dunkle Erscheinung

Eine Filmkritik von Lida Bach

Zeichen aus der Zwischenwelt

„Unser Haus ist zu neu, als dass es darin spuken könnte“, sagt Kelly (Ashley Greene) über die gemeinsame Wohnung, die sie mit ihrem Freund Ben (Sebastian Stan) vor Kurzem bezogen hat: „Es hat keine Geschichte.“ Die braucht der in einem kalifornischen Vorstadtausläufer gelegene Bau auch nicht. Die Geschichte in Todd Lincolns unebenem Kinohorror bringt Ben selbst mit.
Sie ist furchterregend anzusehen auf dem alten Videoband, das ein paranormales Experiment seiner Studienfreunde Patrick (Tom Felton) und Greg (Luke Pasqualino), seiner damaligen Freundin Lydia (Julianna Guill) und ihm dokumentiert, doch wahrhaft grausig ist erst, sie zu fühlen. Denn die bei dem Versuch freigesetzte Macht, die seine Freunde und er einst in diese Welt ließen, zieht nun in ihre.

Als erster widerfährt dieses Schicksal Lydia, die auf dem unscharfen Amateurvideo in das hungrige Nichts einer fremden Dimension gesaugt wird. Der fatale Studentenversuch auf dem privaten Found-Footage-Horror, den Kelly entdeckt, ist nicht der erste seiner Art. Ben und die anderen wiederholen ein ähnliches Unterfangen aus den 1970ern. Dabei wollten die sechs Beteiligten in einer wissenschaftlich geplanten Seance durch vereinte Gedankenkonzentration den Geist eines gewissen Charles Reamer beschwören. Jahrzehnte später verstärken ihre Nachahmer die Konzentrationskraft beim sogenannten Charles Experiment mit technologischen Mitteln um das 400-fache. Wie so viele unbedachte Kino-Geisterbeschwörer zuvor öffnen sie eine Pforte, doch sie führt einmal nicht ins Jenseits: The Apparition kommt aus einer anderen Dimension. Der Spuk ist umso unheimlicher, weil er tatsächlich keiner ist. Er ist etwas irdisches, dass sich der Ration der Protagonisten entzieht. Das klassische Gruselkonzept, das Übersinnliches mit Altertümlichem und Geschichtsträchtigem verbindet, wird umgekehrt. Das Böse wird entfesselt durch moderne Technologie, die in der Zeit des ersten Experiments selbst wie Geisterwerk angemutet hätte.

Ein vernachlässigter Subplot verknüpft das Übel, das sich als Moder in Kellys und Bens Umfeld zu fressen beginnt und bald nach Größerem giert, mit technischem Fortschritt. Dessen Produkte zeigen sich entweder dämonisch oder heimtückisch. Patricks Warnmails erreichen Ben zu spät, im neuen Heim installierte Überwachungskameras versagen, eine Tonbandstimme schildert die Übermacht der Erscheinung, die den Sprecher bereits verschlungen hat. The Apparition ist eine gepflegte Horrorstory – auf dem Papier. Von dort schaffen es die frische Variation eines klassischen Themas und Ansätze zu Doppelbödigkeit und psychologischer Tiefe jedoch nicht in das Kinodebüt des Regisseurs. Zur gelungenen Umsetzung seines selbstverfassten Drehbuchs fehlen Lincoln die Originalität und das visuelle Gespür.

Die Lustlosigkeit seiner schablonenhaften Szenen überträgt sich unweigerlich auf den Zuschauer. Dass der mit unter 80 Minuten Laufzeit an der Kurzfilmgrenze vorbei schrammende Horror so langatmig ausfällt, frustriert besonders in den vereinzelten Spannungsmomenten. Der Filmtitel spricht vom Auftauchen einer Präsenz, aber in der Handlung sorgt das Gegenteil für Grauen. Beunruhigender als die aufgefahrenen Poltergeist-Aktivitäten und kleine Mädchen mit strähnigen schwarzen Haaren sind die stillen Zeichen des Übernatürlichen: der Tod des Nachbarhundes in Kellys Heim, eine dort wuchernde, unnatürliche Fäulnis und die bedrückende Leere des Umfelds der Protagonisten. Das unfertige Wohngebiet, in dem abgesehen von Nachbar Mike (Rick Gomez) und dessen Tochter (Anna Clark) kaum Bewohner auftauchen, scheint vor den ersten Warnzeichen schon beherrscht von der Erscheinung.

Doch der Mangel an inszenatorischer Innovation und die kalkuliert jugendfreie Schnittfassung sorgen dafür, dass Schockeffekte so spurlos aus der Geschichte verschwinden wie deren Figuren. Über die titelgebende Erscheinung sagt Patrick in einer Szene: „Sie weiß, dass du Angst hast.“ Als Zuschauer fühlt man sich leider nicht angesprochen.

Apparition - Dunkle Erscheinung

„Unser Haus ist zu neu, als dass es darin spuken könnte“, sagt Kelly (Ashley Greene) über die gemeinsame Wohnung, die sie mit ihrem Freund Ben (Sebastian Stan) vor Kurzem bezogen hat: „Es hat keine Geschichte.“ Die braucht der in einem kalifornischen Vorstadtausläufer gelegene Bau auch nicht. Die Geschichte in Todd Lincolns unebenem Kinohorror bringt Ben selber mit.
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