Ander

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Liebe und nichts anderes

Zugegeben – auf den ersten Blick las sich die Synopsis von Roberto Castóns Spielfilmdebüt Ander eher spröde: In der ländlichen Idylle – oder soll man eher es eher Miefigkeit nennen? – des Baskenlandes führt der Nebenerwerbsbauer Ander (Josean Bengoetxea) ein bestenfalls beschauliches Leben zwischen Hofarbeit und dem Job in einer nahe gelegenen Fabrik. Gemeinsam mit seiner Schwester Arantxa (Leire Ucha), die ebenfalls noch zuhause lebt, sorgt er für das Anwesen und die manchmal bockige Mutter (Pilar Rodriguez). Und daran wird sich zumindest für ihn so schnell nichts ändern – im Gegenteil. Da Arantxa demnächst heiraten und damit das Anwesen verlassen wird, obliegt ihm in Zukunft die alleinige Sorge für den Hof und die alte Dame. Doch dann, kurz vor der bevorstehenden Hochzeit, bricht sich Ander das Bein und nun muss schnell eine zusätzliche Arbeitskraft gesucht werden, die inmitten der anstehenden Vorbereitungen kräftig mit anpackt. Schnell ist eine helfende Hand gefunden in Gestalt des aus Peru stammenden José (Cristhian Esquivel). In der gemeinsamen Zeit freunden sich die beiden grundverschiedenen Männer immer mehr miteinander an, bis es ausgerechnet bei Arantxas Hochzeit zu einem wahren Ausbruch der Gefühle zwischen den beiden und zu einem verwirrenden Liebesakt kommt. Doch wie soll es nun für die beiden weitergehen? Hat ihre aufrichtige Liebe innerhalb der rigiden ländlichen Gemeinschaft überhaupt Aussicht auf Erfüllung und Akzeptanz?
Es sind vor allem die Umstände und Intentionen des Entstehens, die aus Roberto Castóns Spielfilmdebüt Ander ein Werk macht, wie man es selten zu sehen bekommt. Zum überwiegenden Teil ist der Film in Euskera, der Sprache des Baskenlandes gedreht, nur ca. 40 Prozent der Dialoge – gefühlt ist der Anteil noch wesentlich geringer – sind auf Spanisch. Einer vollständigen spanischsprachigen Synchronfassung widerspricht Roberto Castón, der übrigens aus Galizien und nicht aus dem Baskenland stammt, energisch. Weil es eben die Zweisprachigkeit ist, die einen wesentlichen Teil der Geschichte ausmacht und das Baskenland als eigen-, manchmal auch rückständige Kultur vorwiegend ländlicher Prägung beschreibt.

Doch es ist nicht nur diese trotzige baskische Selbstbehauptung, deren Spiegelbild sich auch im Film in Gestalt von Anders Mutter wieder findet, die sich standhaft weigert, Spanisch zu sprechen, die den Film aus der Masse herausstechen lässt. Es ist auch die generelle Verortung einer sehr zarten und bedächtig erzählten schwulen Liebesgeschichte abseits der Städte und Metropolen, in einem Raum, in dem es eben keine schwule Subkultur gibt, in dem sich gleichgeschlechtliche Liebende mehr noch als anderswo verbergen müssen. Ein wenig kennt man dies ja bereits von Ang Lees Cowboy-Epos Brokeback Mountain. Allerdings ist Ander weitgehend frei vom melodramatischen Pathos Ang Lees und konzentriert sich eher auf authentisch wirkende Beobachtungen der Reaktion des Umfeldes von Ander und José. Und so ist es auch beinahe zwangsläufig, dass die Liebenden am Ende eine ganz und gar pragmatische Lösung finden.

Ander ist ein Film, der Mut macht und der durch seine Zurückgenommenheit, seinen herben Charme und seine Kargheit zu gefallen weiß. Zu Recht erhielt Castóns Erstling bei der 59. Berlinale, wo er im Panorama zu sehen war, den C.I.C.A.E.-Preis der internationalen Filmkritik sowie beim Festival von Punta del Este in Uruguay eine Auszeichnung als bester Spielfilm, für die beste Regie und den besten Hauptdarsteller.

Ander

Zugegeben – auf den ersten Blick las sich die Synopsis von Roberto Castóns Spielfilmdebüt „Ander“ eher spröde: In der ländlichen Idylle – oder soll man eher es eher Miefigkeit nennen? – des Baskenlandes führt der Nebenerwerbsbauer Ander (Josean Bengoetxea) ein bestenfalls beschauliches Leben zwischen Hofarbeit und dem Job in einer nahe gelegenen Fabrik.
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Meinungen

Mikro · 20.11.2011

Wunderbar! Auch wenn alles sehr ruhig von statten geht, nicht eine Minute ist der Film langweilig. Die Landschaft ist grandios in Szene gesetzt. Man staunt nur. Ein Film zum nachdenken und genießen.

kimTy · 24.04.2010

Ein toller Film. Er hat eine Zurückgenommenheit, die spricht und für mich noch Wochen danach anhielt - nur zu empfehlen!

moralapostel · 15.04.2010

Sorry, einfach abstoßend