And You Belong

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein Blick in die queere Berliner Subkultur

Irgendwie ist der Filmtitel And You Belong irreführend, suggeriert er doch, dass es in dem Dokumentarfilm von Julia Ostertag darum ginge, sich einem Ort oder einer Gruppe zuzuordnen, sich in eine Kategorie einzufügen. Doch im Grunde ist das Gegenteil der Fall, denn die vorgestellten Künstlerinnen und Künstler zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich in keine Schubladen stecken lassen.
Ganz in der Tradition ihrer bisherigen Filme geht es Julia Ostertag auch in And You Belong um die queere Subkultur. Sie portraitiert das Musikerinnen-Duo Scream Club, das sich musikalisch wie auch optisch durch einen wilden Stil-Mix auszeichnet. Die US-Amerikanerinnen Cindy Wonderful und Sarah Adorable leben und arbeiten in Berlin und ausgehend von ihrem künstlerischen Schaffen erforscht And You Belong die queere Musik- und Kunstszene der Hauptstadt. Auch wenn Scream Club der Fokus ihres Films bleibt, stellt Julia Ostertag weitere Künstler aus dem Freundeskreis der Band vor und kann so einen kleinen Einblick in die immense Vielfältigkeit der Szene gewähren.

And You Belong ist wie seine Protagonistinnen bunt, schrill und laut. Julia Ostertag hat eine beeindruckende Materialsammlung zusammengestellt. Zahlreiche Konzertaufzeichnungen, vieles davon Amateuraufnahmen aus dem Privatarchiv der Band, und Musikvideos ergänzen Ostertags eigene Kameraarbeit. Durch die abwechslungsreichen Bilder gewinnt der Film an Tempo und entwickelt zuweilen gar eine rauschhafte Komponente. Dennoch braucht es definitiv eine Nähe zur Szene oder doch zumindest eine gewisse Neugier, um sich von And You Belong dauerhaft mitreißen zu lassen. Denn so bunt und schrill diese Zusammenstellung von Künstlerportraits und Performances auch ist, so wenig sind die einzelnen Elemente durch eine Narration verbunden. Die Entstehungsgeschichte von Scream Club deutet zwar einen roten Faden an, wird aber zu oft durch die Vorstellung weiterer Musiker unterbrochen, als dass eine durchgängige Erzählung entstehen könnte.

Es ist schade, dass dem Zuschauer kaum ein Blick hinter die Fassade aus bunter Verrücktheit gewährt wird. Alle Protagonisten scheinen über unerschöpfliche Energie und gute Laune zu verfügen. Nur ganz selten erwähnt die eine oder andere Momente des Zweifels oder der Mutlosigkeit. Auch die Beziehung zwischen Cindy und Sarah bleibt rätselhaft. Die beiden interagieren mit immenser Vertrautheit, sprechen aber nur sehr ungerne von ihrer Vergangenheit als Liebespaar. Freundinnen, Liebhaberinnen, Kolleginnen  — es bleibt unklar, wie sie sich definieren. Vielleicht aber geht es gerade darum: um das Ablehnen gesellschaftlich festgelegter Kategorien. Cindy, Sarah und ihre Freunde wehren sich mit ihrer ganzen Person gegen das tradierte Schubladendenken. Die Frage, wo sie hingehören, würden sie vermutlich am ehesten mit „zueinander“ beantworten. Trotz allem bleiben sie als Menschen schwer erfahrbar. Statt Natürlichkeit auszustrahlen, wirken sie zuweilen, insbesondere aufgrund des ausgefallenen Stylings, selbst wie Kunstobjekte.

Am Ende des Films kommen wir uns selbst ziemlich langweilig und konservativ vor und es bleibt schwer zu den Protagonistinnen eine Beziehung aufzubauen. Trotz unserer Sympathie für ihre Fröhlichkeit und Kreativität wirken Cindy, Sarah und ihre Freundinnen und Freunde in erster Linie exotisch. Der eine oder andere mag mit Scream Club eine interessante musikalische Entdeckung machen, doch den meisten wird die dargestellte Subkultur wohl leider fremd bleiben.

And You Belong

Irgendwie ist der Filmtitel „And You Belong“ irreführend, suggeriert er doch, dass es in dem Dokumentarfilm von Julia Ostertag darum ginge, sich einem Ort oder einer Gruppe zuzuordnen, sich in eine Kategorie einzufügen. Doch im Grunde ist das Gegenteil der Fall, denn die vorgestellten Künstlerinnen und Künstler zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich in keine Schubladen stecken lassen.
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