Amapola

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Diesmal ist es persönlich

Es kommt selten vor, dass ein Film dem Zuschauer durch pure Pracht und Schönheit den Boden unter den Füßen wegreißt. Geschieht es aber doch, dann ist das nicht nur ein rarer und wertvoller Moment, es ist ein cineastisches Erlebnis, das man so schnell nicht wieder vergisst. Genau das ist die argentinisch-amerikanische Ko-Produktion Amapola, die märchenhaft schön, so leicht wie der Sommerwind und so erhaben schwer wie eine Oper ist.
Amapola (Camilla Belle) hat als kleines Mädchen ihren größten Schatz dem Fluss übergeben. Denn der Legende nach wird der Fluss sich revanchieren und ihr ihre große Liebe bringen. Viele Jahre später betritt Luke (Francois Arnaud) das Hotel. Ihre Blicke treffen sich, Amapola ist wie verzaubert. Und er ist es auch. Ein erstes Treffen wird anberaumt. Es ist, als würden sich die beiden schon ewig kennen, doch inmitten einer Aufführung von Shakespeares Ein Mittsommernachtstraum als Oper, die von Amapolas Eltern angeführt wird, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Was hätte sein sollen, vergeht, das gemeinsame Glück wird niemals wahr. Doch dann hat Amapola eine Vision, die alles verändern könnte.

Eugenio Zanetti, der einst als Ausstatter für Restoration — Zeit der Sinnlichkeit mit einem Oscar ausgezeichnet worden ist, erzählt mit Amapola seine ganz eigene Version von Shakespeares Ein Mittsommernachtstraum. Er rückt ihn nicht nur in den Mittelpunkt seiner Erzählung, er spiegelt das leichtfüßige Treiben jener Verliebten, die immer wieder an den Falschen geraten, auch noch. Aber ihn interessiert eine getreue Adaption nicht, er nutzt sie, um eine tief mit der Historie seiner Heimat verwurzelte Geschichte zu erzählen, die er stilistisch extrem kontrastiert.

Einerseits spielt Amapola in der Nacht des Militärputschs in den 1960er Jahren, nach dem alles anders sein sollte, andererseits im Argentinien des Jahres 1982, in dem aller Glanz und alle Glorie verschwunden sind. Es ist die kalte harte Tristesse einer Welt, die ganz und gar aus den Fugen geraten ist. So güldenleuchtend der erste Teil des Films ist, so düsterdeprimierend ist das Ganze nach dem Zeitsprung in die 1980er Jahre. Zanetti lädt das Phantastische in seine Geschichte ein, er macht es zum Teil seines überbordenden Märchens, das mit traumhaft schönen Bildern eine Welt zeichnet, wie sie unwirklicher, aber begehrenswerter nicht sein könnte.

Es lässt sich vortrefflich darüber diskutieren, was real, was nur Illusion ist, ob am Ende alles nur ein Traum oder gar das letzte fiebrige Phantasieren vor dem körperlichen Ende ist. Zanetti lässt das offen, er gibt keine exakte Antwort, aber er deutet Möglichkeiten an, die ganz nach persönlicher Präferenz interpretiert werden können. Durch die Perfektion des letzten Akts lässt Zanetti zweifeln, dass dies der Realität entspricht, aber es muss nicht zwangsläufig anders sein. Wenn man akzeptiert, dass Visionen real sind und dass das Schicksal nicht vorgegeben ist, dann steht dem Happyend nichts im Weg.

Aber wie auch immer man Amapola als Ganzes verstehen mag, eines ist unbestritten. Was Zanetti hier abgeliefert hat, ist ein wahrer Augenschmaus. Dies auf der großen Leinwand zu sehen, erinnert wieder daran, wieso man sich überhaupt in die Magie des Kinos verliebt hat.

Amapola

Es kommt selten vor, dass ein Film dem Zuschauer durch pure Pracht und Schönheit den Boden unter den Füßen wegreißt. Geschieht es aber doch, dann ist das nicht nur ein rarer und wertvoller Moment, es ist ein cineastisches Erlebnis, das man so schnell nicht wieder vergisst.
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