Am Himmel der Tag

Eine Filmkritik von Lena Kettner

Wie schön, wenn du geboren wärst

Es beginnt wie ein ganz gewöhnliches Teenie-Drama. Mit viel Alkohol, durchzechten Nächten, schnellem Sex und einem Ereignis, das die Beziehung der 25-jährigen Architekturstudentin Lara zu ihrer besten Freundin Nora auf eine harte Probe stellt. Nachdem sich einer ihrer Dozenten in einer folgenschweren Nacht im Club lieber mit Nora als mit ihr amüsiert, lässt sich Lara im Drogen- und Alkoholrausch Sex von einem der Barkeeper schwängern.
Während Laras Eltern in Pola Schirin Becks Film Am Himmel der Tag nicht glauben können, dass ihre unreife Tochter das Kind tatsächlich bekommen möchte, besteht für Lara nie ein Zweifel daran. Denn das Betrachten des kleinen Flecks auf dem Ultraschallbild wirkt wie eine Wunderdroge. Sie beginnt, ihr chaotisches Leben zu ordnen — und das nicht nur, indem sie den restlichen Alkohol in ihrer Wohnung wegschüttet und die Wände farbig streicht. Lara zieht sich mehr und mehr aus dem ungeliebten Architekturstudium zurück und wandelt sich von einem in den Tag hineinlebenden Mädchen zu einer selbstbewussten jungen Mutter.

Doch dann stirbt Laras Kind. Eine Nabelschnurumschlingung, im sechsten Monat. Und plötzlich wandelt sich das bis zu diesem Zeitpunkt konventionell erzählten Coming-of-Age-Drama von Pola Schirin Beck, Absolventin der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam, zu einer Tragödie von großer dramaturgischer und schauspielerischer Tiefe.

Dieser Film entwickelt seine Kraft vor allem aus der beeindruckenden Wandlungsfähigkeit der Hauptdarstellerin Aylin Tezel, die zuletzt in Dietrich Brüggemanns Komödie 3 Zimmer/ Küche/ Bad als naiv-verträumte Mittzwanzigerin zu sehen war. Lara entschließt sich in Am Himmel der Tag, das tote Kind in ihrem Bauch zu behalten, um das Hochgefühl angesichts ihres neu gefundenen Lebenssinns weiter aufrecht zu erhalten. Doch die Tatsache, dass ihr Baby nicht mehr spürt, lässt sie in einem Zustand innerer Trauer erstarren. Weder ihren Eltern noch ihrer Freundin Nora kann sie sich anvertrauen. Wie ein Schutzpanzer aus Glas wirkt ihr Babybauch – stark genug, um die Angriffe von außen eine Zeit lang abzuwehren, aber zu fragil, um nicht irgendwann zu Bruch zu gehen. Aylin Tezel scheint Laras Schmerz über den Verlust des Kindes nicht zu spielen – es wirkt, als habe sie ihn verinnerlicht. Wie sie ihre Hand kurz nach der erschreckenden Nachricht beim Frauenarzt in der Badewanne sanft über den Babybauch gleiten lässt, wie zum ersten Mal ihren Tränen freien Lauf lässt, als sie ihr Kind nach der künstlich eingeleiteten Geburt in den Händen hält – Tezels intensive, konzentrierte Spielweise bleibt stets frei von jedem Gefühlskitsch.

Der Tod ihres Sohnes ist nicht nur ein schmerzliches Ereignis für Lara, sondern auch der Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit ihrem bisherigen Leben, ihren Ängsten, Wünschen und Bedürfnissen. In einer der berührendsten Szenen von Am Himmel der Tag sitzt Lara beinahe regungslos auf dem Sofa im neonkalten Designer-Interieur ihres Elternhauses. „Wie schön, dass du geboren bist“, singen die zahlreichen Bekannten und Verwandten zu Ehren von Laras Vater, der seinen Geburtstag widerwillig im großen Kreis feiert. Man spürt in diesem Moment, dass Lara dieses Lied gerne für ihren Sohn zum ersten Geburtstag gesungen hätte. Doch es wird ihr letztendlich gelingen, den neu gewonnen Sinn in ihrem Leben nicht mit dem Tod ihres Sohnes zu begraben.

Am Himmel der Tag

Es beginnt wie ein ganz gewöhnliches Teenie-Drama. Mit viel Alkohol, durchzechten Nächten, schnellem Sex und einem Ereignis, das die Beziehung der 25-jährigen Architekturstudentin Lara zu ihrer besten Freundin Nora auf eine harte Probe stellt.
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