Aferim!

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2015 von Joachim Kurz

Durchs wilde Rumänien

„Aferim“ stammt aus dem Türkischen und bedeutet soviel wie „bravo“, „sehr gut“. Dass dieses Wort in Radu Judes Film so häufig auftaucht, dass es fast zwangsläufig auch zum Titel geriet, ist nur eine der viele doppelten Böden und Mehrdeutigkeiten, die dieser Film bereit hält. Denn natürlich spielt dieser Film nicht in der Türkei, sondern in Rumänien (wenngleich zu der Zeit der Osmanischen Besatzung) und „sehr gut“ ist hier nichts.
Es beginnt wie ein Western klassischer Prägung: Constandin (Teodor Corban), der Gesetzeshüter eines lokalen Fürsten, macht sich im Jahre 1835 gemeinsam mit seinem Sohn Ionita (Mihai Comanoiu) auf die Suche nach einem entflohenen „Zigeunersklaven“, der, so heißt es, Geld aus der Kasse gestohlen haben soll. Die Suche führt die beide durch ein Land, das zerrissen ist von verschiedenen Machthabern und Einflüssen, von einen unübersehbaren Völkerschar, bei der die Sinti und Roma ganz unten auf der steilen gesellschaftlichen Leiter stehen. Ihnen wird nicht einmal der Status von Menschen zugestanden, die ganze Geschichte hindurch werden sie in den derben Dialogen nur „Krähen“ genannt. Als Vater und Sohn nach langer Suche endlich den flüchtigen Carfin (Cuzin Toma) finden und ergreifen und gleichzeitig noch einen kleinen Jungen schnappen, den sie auf einen Sklavenmarkt verkaufen wollen, um sich den eigenen Beutel zu füllen, können sie sich endlich auf den Rückweg machen. Während dieser Reise, an deren Ende Carfin der Bestrafung seines Herrn übergeben werden soll, erfahren sie aber, dass die Gründe für die Menschenjagd ganz andere sind als gedacht, denn der Sklave hat sich nicht am Geld seines Herrn vergriffen, sondern an dessen Frau. Und die Bestrafung wird brutal werden…

In stimmungsvollen Schwarzweißbildern und langen Einstellungen, die oftmals gleich zu Beginn kleine Details in sich tragen, die dann erst im weiteren Verlauf wichtig werden, hat Radu Jude dieses Historienbild gemalt, das lange Zeit seinen wahren Charakter verbirgt. So derb sind die Sprüche, so bizarr die Begegnungen, dass man meint, sich in einer Komödie zu befinden. Doch es gibt immer wieder diese Stolpersteine, die das Lachen durchbrechen und unterlaufen: Kann oder darf man wirklich ernsthaft über eine Diskussion lachen, bei der es darum geht, warum die Krähen gar keine Menschen sein können? Und nehmen wir es wirklich als unabänderlich hin, dass die im Zentrum der Western-Prämisse die Menschenjagd auf einen Sklaven hat? Können uns deshalb und wegen des Unabwendbarkeit ihres Handels der humpelnde, fluchende, besserwisserische Vater und dessen linkischer Sohn überhaupt sympathisch sein? Und mehr noch beginnt der Zuschauer sich alsbald schon zu fragen, ob dieser Film, der teilweise auf historischen Protokollen aus dieser Zeit beruht und der dennoch nie staubtrocken und papiern klingt, tatsächlich nur eine abgeschlossene historische Epoche darstellt oder ob die Schatten der dunklen Vergangenheit nicht vielleicht doch in die rumänische Gegenwart hineinreichen? Dass der Film es schafft, einen hohen Unterhaltungswert und Fragen wie diese zusammenzubringen und die Art und Weise, wie er dies tut, machen ihn zu einem wirklich sehenswerten Werk, dem man gerne ein größeres Publikum wünscht.

(Festivalkritik Berlinale 2015 von Joachim Kurz)

Aferim!

„Aferim“ stammt aus dem Türkischen und bedeutet soviel wie „bravo“, „sehr gut“. Dass dieses Wort in Radu Judes Film so häufig auftaucht, dass es fast zwangsläufig auch zum Titel geriet, ist nur eine der viele doppelten Böden und Mehrdeutigkeiten, die dieser Film bereit hält. Denn natürlich spielt dieser Film nicht in der Türkei, sondern in Rumänien (wenngleich zu der Zeit der Osmanischen Besatzung) und „sehr gut“ ist hier nichts.
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