A Silent Rockumentary

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Stummfilm mit Soundtrack

„It’s not a record, it’s a movie!!“ heißt es ganz unten auf der Website der Brass- und Blues-Band Mardi Gras.bb, auf der das aktuelle Album „Crime Story Tapes“ beworben wird. Und auch in der Dokumentation A Silent Rockumentary über die Band zitiert eines ihrer Mitglieder einen Journalisten, der die Audio-Veröffentlichungen von Mardi Gras mit Filmen vergleicht, und er nimmt es als Kompliment.
Tatsächlich lässt die vielköpfige Mannheimer Band sich seit jeher offensichtlich und hörbar besonders von älteren Filmen inspirieren und bringt immer wieder Konzeptalben heraus, die einem durchgängigen erzählerischen Leitfaden folgen und in deren Zentrum oftmals skurrile Figuren stehen, die mehr oder weniger greifbar Filmen aus früherer Zeit entstammen könnten. Ein deutliches Beispiel liefert hier abermals die Website der Band, auf der die Rolle des Sängers Jochen „Doc“ Wenz auf dem neuen Album wie folgt umschrieben wird: Er sei, heißt es da, diesmal „ein etwas eleganterer Philip Marlowe, ein nach berufsbedingt erworbener Hirnverletzung nur mäßig erfolgreicher Gentleman-Detektiv, der in lakonischem Erzählton durch das üppig mit Klischees des ‚film noir‘ gespickte Geschehen führt.“

Mardi Gras.bb tauchen auf in Stefan Hillebrands Wir werden uns wiederseh’nund waren auch bereits verantwortlich für einen Teil des Soundtracks in Jonas Groschs letztem Film Die letzte Lüge. Mit A Silent Rockumentary widmet er ihnen eine eigene, mittellange Doku, die ganz von ihrer Musik getragen wird. Möglicherweise inspiriert vom retrospektiven Sound und Habitus der Band, vielleicht auch, weil es schwerfällt, ihre Tonkunst durch das schlichte gesprochene Wort zu überlagern, wählte er dafür die Form eines Stummfilms. Nicht im dogmatischen Sinn, sondern eher so wie bei The Artist mit musikalischem Soundtrack (dazu Radiomitschnitten o. ä.) und einem gesprochenen letzten Satz. Was die einzelnen Personen sagen, wenn sie den Mund öffnen und unhörbar bleiben, wird über Zwischentitel vermittelt, die ganz in Stummfilmmanier gestaltet sind und daneben auch als Off-Kommentar fungieren. Was Doc Wenz im On singt, ist manchmal zu hören, manchmal auch nur zu lesen.

In fünf Akten und visuell leider nur in bescheidener Qualität in Farbe und Schwarzweiß sind Mardi Gras.bb vor, auf und hinter der Bühne zu sehen sowie ausführlicher bei Aufnahme-Sessions im Frankfurt-Rödelheimer Hazelwood-Studio, das mittlerweile dichtgemacht hat.

Inhaltlich bringt sich A Silent Rockumentary zudem in die Debatte zur Reform des Urheberrechts in den Zeiten digitaler Märkte ein. „Freibier für alle! Lebenslang. Flächendeckend. Immer und überall“, erklärt da, bildlich sehr überzeugend, Doc Wenz. „Damit bekomme ich bei den nächsten Wahlen 15%! Die Frage, die ich mir aber dabei stellen muss: Was passiert mit den 100.000 Kneipiers, Getränkehändlern und Brauereiangestellten? Sagen wir denen: Euer Bier ist toll, wir trinken es gerne, aber bezahlen wollen wir dafür jetzt nichts mehr. Wohl kaum, oder? Und da stellen sich nun die Internet-Revoluzzer hin und meinen, sie würden es denen ‚da oben‘ mal zeigen. Dabei schädigen sie vor allem die ‚da unten‘.“

Illegale Downloads und schwindende CD-Verkäufe treffen nicht allein Madonna, Rammstein und Grönemeyer, so Wenz, sondern auch Mardi Gras.bb und alle anderen Musiker, die auf Tantiemen angewiesen seien. So gesehen, kommt Groschs kurzer, „stummer“ Musikfilm jetzt vor der Bundestagswahl 2013 zum richtigen Zeitpunkt wenigstens in einige Kinos.

A Silent Rockumentary

„It’s not a record, it’s a movie!!“ heißt es ganz unten auf der Website der Brass- und Blues-Band „Mardi Gras.bb“, auf der das aktuelle Album „Crime Story Tapes“ beworben wird. Und auch in der Dokumentation „A Silent Rockumentary“ über die Band zitiert eines ihrer Mitglieder einen Journalisten, der die Audio-Veröffentlichungen von Mardi Gras mit Filmen vergleicht, und er nimmt es als Kompliment.
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