4 Könige (2015)

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Vier flogen über das Kuckucksnest

Ein Element verbindet eigentlich alle Weihnachtsfilme. Eine Rührseligkeit, die ideal zu den Feiertagen passt. Friede, Freude, Eierkuchen, das ganze Brimborium, inklusive Harmonie, tollem Weihnachtsbaum, dicken Geschenken und ganz viel Kitsch. All das gibt es in 4 Könige nicht. Zwar wird eine Weihnachtsgeschichte erzählt, aber eine, die vom Kontrast lebt.

Weihnachten in der Jugendpsychiatrie: Vier Jugendliche – die vorlaute Lara (Jella Haase), der verängstigte Fedja (Moritz Leu), die stille Alex (Paula Beer) und der zu Gewaltausbrüchen neigende Timo (Jannis Niewöhner) – feiern das Fest der Liebe nicht mit ihren Familien, sondern in der Anstalt. Freiwillig, gezwungenermaßen, weil ihre Familien konfliktfreie Feiertage wollen. Die Gründe sind vielfältig und bitter, aber der unkonventionelle Arzt Dr. Wolff (Clemens Schick), der in ihnen allen Potenzial sieht und ihnen vertraut, stellt den 4 Königen, wie ein paar Kinder auf der Station sie nennen, eine einfache Frage: Was ist für sie Weihnachten? Die Antworten werden überraschen, so wie auch dieses Weihnachtsfest, das keiner der vier jemals wieder vergessen wird.

Die Idee zu dem Stoff hatte Autorin Esther Bernstorff, als sie den Chef einer Jugendpsychiatrie kennen lernte und erfuhr, dass viele Familien an Weihnachten ihre Problemkinder in der Psychiatrie abladen, um „besinnliche Weihnachten“ feiern zu können. Eine hässliche, ja geradezu gruselige Vorstellung, die Bernstorff aber nur als Ausgangspunkt nimmt. Die Geschichte von 4 Könige könnte an jedem Tag spielen, sie rund um Heiligabend zu positionieren, verleiht ihr aber eine größere Tragweite. Man stelle sich nur vor, wie schlimm es ohnehin schon sein muss, in der Psychiatrie zu sein. Aber wie viel bedrückender muss es sein, wenn draußen das Fest der Liebe stattfindet, man selbst aber abgeschoben wurde?

Daraus bezieht der Film eine nüchtern-drückende Grundstimmung, konzentriert sich aber ansonsten auf das ungleiche Quartett, das allen Schwierigkeiten zum Trotz zu einer Art Einheit findet. Die Regie-Debütantin Theresa von Eltz zeigt ein sicheres Händchen, setzt mitunter aber zu sehr auf bedeutungsschwangeres Schweigen, wo im echten Leben jemand die Stimme erheben würde. Das trägt zu einer gewissen unwirklichen Stimmung bei, die im Kontrast zur ansonsten authentisch wirkenden Erzählung steht.

Die inneren Konflikte der Figuren sind dabei deutlich interessanter als die widrigen Umstände. Dass in der Station antagonistische Kräfte sind, die den jähzornigen Timo nicht nur scheitern sehen wollen, sondern darauf setzen, dass es so kommen wird, ist etwas dick aufgetragen. Interessanter ist da schon Dr. Wolff, der den Heiligen Abend auch in der Klinik verbringt. Weil er selbst einsam ist? Das wird nur angedeutet, aber man versteht es so. In den Hallen dieser Klinik wandeln somit nicht nur die verlorenen Kinder, sondern auch der Mann, der sie zurück in die Gesellschaft führen wird.

Clemens Schick ist exzellent, die Jungdarsteller sind jedoch wirklich klasse, allen voran die wandelbare Jella Haase und der ausdrucksstarke Jannis Niewöhner, die beide zu den interessantesten Mimen ihrer Generation gehören.

4 Könige wirkt nach, noch lange, nachdem der Abspann gelaufen ist. Das vor allem aber auch, weil er so unkonventionell erzählt ist, erst langsam beginnt, dann immer tiefer ins Drama dieser Figuren vordringt und dann einfach abbricht. Es gibt kein Happyend, ja, noch nicht mal ein richtiges Ende. Die Feiertage sind vorbei, das Leben in und außerhalb der Klinik geht weiter und der Blick des Zuschauers, der für kurze Zeit auf diesen Mikrokosmos gerichtet war, wendet sich wieder anderem zu. Vergessen wird man diese vier Könige aber nicht so schnell.
 

4 Könige (2015)

Ein Element verbindet eigentlich alle Weihnachtsfilme. Eine Rührseligkeit, die ideal zu den Feiertagen passt. Friede, Freude, Eierkuchen, das ganze Brimborium, inklusive Harmonie, tollem Weihnachtsbaum, dicken Geschenken und ganz viel Kitsch. All das gibt es in „4 Könige“ nicht. Zwar wird eine Weihnachtsgeschichte erzählt, aber eine, die vom Kontrast lebt.

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Meinungen

Königin · 12.12.2017

Richtig cooler und feinsinniger Film!

wignanek-hp · 04.12.2015

Mit dem „Kuckucksnest“ hat dieser Film überhaupt nichts zu tun. Nur weil er in der Psychiatrie spielt und die Krankenschwester nichts kapiert, ist er doch nicht mit dem Forman-Film zu vergleichen. Hier geht es um die 4 Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen in unserer Gesellschaft gescheitert sind und – wenn man auch die Gründe nur rudimentär erfährt - schleicht sich beim Zuschauer doch das Gefühlt ein, dass die Gesellschaft nicht so ganz unbeteiligt daran ist. Die junge Darstellerriege ist phänomenal allen voran Jannis Niewöhner, der als latent gewaltbereiter Timo wohl den schwierigsten Part hatte und ihn mit Bravour gemeistert hat. Es ist auch schön, dass Jella Haase auch mal jenseits von „Chantal“ wahrgenommen wird. Sie ist so eine fantastische Schauspielerin und hat auch vor „Fack ju Göhte“ schon interessante Filme gemacht und es ist zu hoffen, dass das Publikum sie auch noch in ihren anderen Rollen akzeptiert. Sie hätte es wahrlich verdient!