Tokyo!

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Montag, 10. März 2014, EinsFestival, 22:55 Uhr

Einen skurrilen Streifzug durch die japanische Weltstadt Tokio unternehmen die drei Filmemacher Michel Gondry, Leos Carax und Bong Joon-ho mit jeweils einer eigenständigen Episode, die eine kleine, abgehobene Geschichte zäher Einzelkämpfer im urbanen Raum präsentiert. Tokyo! aus dem Jahre 2008 wurde bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes in der Sektion Un Certain Regard uraufgeführt und anschließend auf zahlreichen Filmfestivals weltweit gezeigt, konnte aber letztlich nur ein kleines Publikum in die Kinos locken. Nichtsdestotrotz bietet dieser provokante, satirische Episodenfilm mit seinen fantastischen Elementen komische Unterhaltung der bitter-süßen Sorte, die von einem eigenwilligen Aufbäumen der menschlichen Kreatur innerhalb des Metropolen-Molochs zeugt.
Den Auftakt bildet die Sequenz Interior Design des französischen Filmemachers Michel Gondry, der das obdachlose Paar Hiroko (Ayako Fujitani) und Akira (Ryō Kase), das aus der Provinz in Tokio eintrifft, vorübergehend Unterschlupf bei einer alten Freundin Hirokos finden lässt. Akira ist ein junger Regisseur, und sein erster Spielfilm soll bald in der Stadt aufgeführt werden, doch die Bedingungen dafür erscheinen wenig attraktiv. Die beengten Wohnverhältnisse und die Geduld der Gastgeberin haben ihre Grenzen, so dass sich Hiroko auf die Suche nach einem bezahlbaren Appartement begibt, erfolglos durch die weniger hübschen Gegenden der gigantischen Stadt streifend. Schließlich hadert die junge Frau mit ihrem Dasein als Künstler-Freundin und erfährt eine drastische Metamorphose …

Mit dem Beitrag Merde ist der Franzose Leos Carax (Die Liebenden von Pont-Neuf / Les amants du Pont-Neuf, 1991, Holy Motors, 2012) vertreten, der eine kauzige, kriegerische Kreatur (Denis Lavant) aus einem Gully ans Tageslicht klettern lässt, um fortan die Bewohner Tokios das Fürchten zu lehren und die Medien mit Horrormeldungen zu bevölkern. Doch mit dem Erscheinen Maître Volands (Jean-François Balmer) in der Stadt ändert sich die Situation für das Monster mit Namen „Merde“ entschieden, denn der renommierte Jurist ist offensichtlich in der Lage, die schwer zu klassifizierende Sprache des wüsten Wesens zu verstehen. So übernimmt er als Anwalt die Verteidigung von Merde, der von einem seltsam anmutenden Gericht angeklagt wird …

Die Geschichte eines hartnäckigen Kulturflüchters, der unvermittelt in amouröse Wallungen gerät, erzählt der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho in seinem Segment Shaking Tokyo. Da lebt ein Mann (Teruyuki Kagawa) seit Jahren isoliert in seiner kleinen Wohnung zwischen leeren Pizzakartons und Büchern, lässt sich mit dem Nötigsten beliefern und führt das Dasein eines Hikikomoris. Doch eines Tages händigt ihm ein schönes junges Mädchen (Yū Aoi) seine samstägliche Pizza aus, das ihm mit einem plötzlichen Erdbeben über die Schwelle kippt, woraufhin sich der Eremit ganz fürchterlich verliebt. Aus ist es von nun an mit der geruhsamen Einsamkeit, und die Suche nach dem Ziel seiner Sehnsüchte treibt den Einsiedler wieder hinaus in die Straßen Tokios …

Was hier mit dem Schauplatz Tokio als Thema in einem Film zusammenläuft, ist sicherlich kein leichtgängiger und ebenso verständlicher Stoff, sondern stellt vielmehr krasse, kuriose Betrachtungen dreier Filmemacher dar, die mit ihren ganz eigenen Inspirationen über die Weltstadt spielen, damit kräftig Verwirrung streuen und auf diese Weise zu drastischen Visionen und Perspektiven gelangen. In Veränderung und Verstörung bestehen die zentralen Aspekte von Tokyo!, die angesichts der Wucht von Einsamkeit und Verlorenheit alle möglichen gewöhnlichen Entwicklungen schlichtweg ad absurdum führen. Der Mensch, die Stadt, die Gesellschaft und die Natur verkommen allesamt zu Variablen von unauslotbaren Ereignissen, die hier im Mantel der Ironie so bitter wie vergnüglich daherkommen.

Tokyo!

Einen skurrilen Streifzug durch die japanische Weltstadt Tokio unternehmen die drei Filmemacher Michel Gondry, Leos Carax und Joon-ho Bong mit jeweils einer eigenständigen Episode, die eine kleine, abgehobene Geschichte zäher Einzelkämpfer im urbanen Raum präsentiert. „Tokyo!“ aus dem Jahre 2008 wurde bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes in der Sektion Un Certain Regard uraufgeführt und anschließend auf zahlreichen Filmfestivals weltweit gezeigt, konnte aber letztlich nur ein kleines Publikum in die Kinos locken.
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