To Steal From a Thief

Eine Filmkritik von Lucas Barwenczik

Robin Hood und die große Finanzkrisen-Soap

Die Bewegungsdramaturgie des Banküberfalls ist simpel: Rein, raus, dann immer in Richtung Horizont. To Steal from a Thief erzählt von dem Chaos, das entstehen kann, wenn diese einfache Choreographie unterbrochen wird. Von den Kräften, die sich anstauen und in alle Richtungen entladen. Regisseur Daniel Calparsoro hat einen Film über das Scheitern gedreht: Sowohl über das individuelle, menschliche Versagen, als auch über das strukturelle, wirtschaftliche und politische.
Der Film beginnt als Operation: Mit methodischer Ruhe dringt das Team um den Uruguayer (Rodrigo De la Serna) wie eine Gruppe von Chirurgen in eine Bank in Valencia ein. Die Kamera begleitet die Bankräuber mit schleichenden Fahrten und wie Raubtiere pirschenden Zooms. Nachdem zunächst alles ohne Komplikationen zu verlaufen scheint, stoßen die Diebe plötzlich an innere und äußere Widerstände. Der designierte Fluchttunnel ist durch den in der Stadt tobenden Regensturm vollständig überflutet, die Polizeiblockade um das Gebäude wächst. Außerdem findet einer von ihnen – Gallego (Luis Tosar) – heraus, dass es seinem Anführer nicht nur um Geld und Juwelen geht: In einem der Bankfächer sind die Dokumente eines ehemaligen Regierungsbeamten versteckt, welche nicht nur ihn, sondern gleich eine ganze Bande korrupter Politiker belasten.

Schon diese ersten Krisen reduzieren die vorher so uhrwerkhafte Einheit auf eine Horde rangelnder Kinder. Immer wieder wechseln die Bündnispartner und Pläne, je nach gegenwärtigem Wissensstand, Charaktere verteilen sich entlang unscharfer Konfliktlinien. Calparsoro findet auch in den größten Wirrungen seltsam aufgeräumte Bilder: In Halbkreisen stehende, diskutierende Menschen sind sein Motiv Nummer Eins.

Für einen Heist-Thriller ist To Steal from a Thief überdurchschnittlich dialoglastig. In einer Szene fordert Gallego von einem Kameraden: „Spar dir die Seifenoper für draußen!“ Niemand scheint auf ihn zu hören, diskutieren doch alle munter über ihre zwischenmenschlichen Probleme. Liebschaften und Freundschaften entstehen oder brechen auseinander. Zusätzlich gibt es schwarzhumorige Schlagabtausche unter den Gangstern, die sich selbst für Robin Hoods Wiedergänger halten. Sie erinnern an die dunkle Zeit in den 1990er Jahren, in denen sich plötzlich die halbe Drehbuch-Welt für Quentin Tarantino hielt, inklusive bemühter Kino-Metaphern. Diese Gespräche mögen thematisch in den Film passen, betonen sie doch die Selbstüberschätzung und Inkompetenz der Bankräuber, unterhaltsam sind sie nicht.

Actionsequenzen oder Spannungsmomente sind rar gesät. An der zunehmenden Eskalation auf (durch die Polizeibelagerung) engstem Raum hat der Regisseur spürbar wenig Interesse. Stattdessen gefällt er sich im Modus der graduellen Zersplitterung. Die Enthüllungen reißen die verschiedenen Fraktionen auseinander, parallel dazu beginnt der Film, multiperspektivisch zu erzählen.

Nicht erst dadurch entsteht das Gefühl, den Zusammenschnitt einer Serie zu sehen. Der Thriller wirkt in weiten Teilen überfrachtet, versucht umfangreiche Prozesse und Entwicklungen in kurzer Zeit abzubilden und wird dabei konfus. Die Figuren werden selten mehr als ihre Funktion, lediglich der Männerfreundschaft zwischen den beiden Protagonisten werden einige Momente des Beisammenseins gewidmet. Die Bestrebung, das große Ganze und die Zusammenhänge darzustellen, steht im krassen Kontrast zu der Fernsehästhetik, die ewig in halbnahen und Zweiereinstellungen gefangen bleibt.

Die Verweise auf politische Korruption bleiben MacGuffins; die kritische Haltung, die der Film durchgängig nach außen trägt, ist reine Pose. Der Titel bezieht sich auf die ethische Frage, ob es legitim sei, von einem Dieb zu stehlen. In diesem Fall sind die Banken gemeint. In einer frühen Szene werden einfache Bürger gezeigt, die ihr Hab und Gut durch die Krise verloren haben und verzweifelt auf die Angestellten einreden. Diese Frage ist also unmittelbar beantwortet. Sicherlich könnte man es als scharfsinnig empfinden, dass der politische Konflikt sich hier innerhalb und um eine Bank herum entspinnt. Die Lage wird zu einer Art post-politischem Planspiel, in dem selbst Partei-Differenzen nur im engen Rahmen des Finanzkapitalismus stattfinden können. Oder umgekehrt: Tief im Herzen der vermeintlich so neutralen Finanzwelt findet sich hier doch wieder die Politik. Was im Umkehrschluss bedeuten würde, dass diese sich im besten Fall aus der Wirtschaft heraushält – oder eben von einer Truppe räuberischer Freischärler herausgedrängt werden muss. Der Film kreiert Aporie um Aporie. Auf jede halbherzig gestellte Frage finden sich vage Nicht-Antworten, die von dramaturgischen Tischfeuerwerken überlagert werden und schnell vergessen sind.

Letztendlich ist To Steal from a Thief nicht nur ein Film über das Scheitern, sondern scheitert auch selbst. Theoretisch ist das die perfekte Symbiose von Form und Inhalt, ein neuer, mutiger Ansatz. In der Praxis ist der Film einfach nicht sonderlich gut.

To Steal From a Thief

Die Bewegungsdramaturgie des Banküberfalls ist simpel: Rein, raus, dann immer in Richtung Horizont. „To Steal from a Thief“ erzählt von dem Chaos, das entstehen kann, wenn diese einfache Choreographie unterbrochen wird. Von den Kräften, die sich anstauen und in alle Richtungen entladen. Regisseur Daniel Calparsoro hat einen Film über das Scheitern gedreht: Sowohl über das individuelle, menschliche Versagen, als auch über das strukturelle, wirtschaftliche und politische.
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