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Die titelgebenden Plakatwände sind der brillante Stein des Anstoßes einer ganzen Serie von Ereignissen und einem neuen Film von Martin McDonagh, der der großen Frances McDormand hier die Leinwand überlässt. Etwas Besseres hätte er wirklich nicht machen können.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Rache ist süß!

Die titelgebenden Plakatwände aus Three Billboards outside Ebbing, Missouri sind der brillante Stein des Anstoßes einer ganzen Serie von Ereignissen und einem neuen Film von Martin McDonagh, der der großen Frances McDormand hier die Leinwand überlässt. Und sie macht das allerbeste daraus und brilliert als bittersüßer Racheengel in wirklich jeder köstlichen Sekunde dieses Filmes.

Wer Brügge sehen … und sterben? mochte und 7 Psychos gelungen fand, der wird sich nach Three Billboards outside Ebbing, Missouri alle zehn Finger lecken, denn dieser Film ist wahrlich McDonaghs bisher bester. Es beginnt recht harmlos mit Mildred Hayes (Frances McDormand), einer lebensgegerbten Frau, die in einem Overall eine Landstraße entlangfährt und dort an drei alten, ungenutzten Plakatwänden stehen bleibt und überlegt. Dann fährt sie entschlossen in die Stadt und mietet sie für einen Monat. Schon bei diesem Vorgang merkt man den rauen, aber stets mit wundervoller Ironie gespickten Umgangston, den die meisten in Ebbing, Missouri pflegen. Doch Mildred ist die Königin der Pointen und selbst, wenn sie einen nicht verbal völlig zerpflückt, reicht einer ihrer lakonischen, aber harten Blicke und man weiß, dass es besser wäre, jetzt den Mund zu halten.

Die Plakatwände werden nun also wieder benutzt. Drei riesige Plakate mit roten Hintergrund und schwarzer Schrift prangen dort und als der lokale Hilfssheriff Dixon (Sam Rockwell) an ihnen vorbeifährt, verschluckt er sich fast an seinem Kaffee und seiner generellen Inkompetenz. Letztere wird nämlich auf den Plakaten angeprangert, auf denen sein Chef, Sheriff Willoughby (Woody Harrelson) direkt angesprochen wird — mit der Frage, wieso auch Monate, nachdem Mildreds Tochter vergewaltigt, getötet und verbrannt wurde, der Täter immer noch auf freiem Fuß ist. Wer schon mal in einer Kleinstadt gewohnt hat, weiß, was eine solch öffentliche Anklage auslöst: Stille. Denn über so etwas redet man nicht, zumindest nicht öffentlich. Im stillen Kämmerlein zerreißen sich natürlich alle das Maul. Sheriff Willoughby allerdings reagiert und trifft sich mit Mildred, um ihr zu erklären, dass er alles versucht hat, und sie zu bitten, die Plakate abzunehmen, denn er hat gerade ganz andere Probleme. Er stirbt nämlich an Krebs. Doch Mildred lehnt ab, eine Entscheidung, die man als hartherzig sehen kann, die aber vor allem eines zeigt: hier ist eine Frau, die es sich einfach nicht mehr leisten kann, nett zu sein. Hier ist eine Frau, die alles verloren hat, von allen über den Tisch gezogen wurde und die einfach fertig ist mit dieser Welt. Nicht nur ist ihre Tochter tot, ihr Ex-Mann, der sie jahrelang geschlagen hat, vögelt jetzt eine strunzdumme 19-Jährige und ihr Sohn ist sauer auf sie, weil er die Umstände des Todes seiner Schwester von einer Plakatwand erfahren hat. Und Mildred hat nur eines noch übrig: Zorn. In diesem nutzt sie jede Möglichkeit, den Mord an ihrer Tochter in der Öffentlichkeit zu behalten, und zieht nun fluchend durch die Stadt. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann eben andersherum und in der Tat, sie schafft es. Der Fall wird wieder hervorgeholt und Willoughby versucht sich erneut daran, ihn aufzuklären. Sein dickschädeliger Hilfssheriff, der nicht nur rassistisch, sondern dank seiner Mama auch homophob und voller Hass ist, geht die Sache aber auf seine Art an und versucht, Mildred mit allen Mitteln dazu zu bewegen, die Plakataktion zu beenden. Da werden dann eben Menschen eingeschüchtert, Freunde eingebuchtet und Plakatwandvermieter krankenhausreif geschlagen.

Wer McDonaghs Filme kennt, weiß, dass sie im Kern oft harter, harter Tobak sind und sich mit der Arschlochseite des Lebens beschäftigen, die selbst die Besten und Stärksten in die Knie zwingt. Sein Heilmittel gegen die Härten der Existenz sind aber stets zwei Dinge, die auch seine Filme ausmachen: Ironie und grundehrliche Menschenliebe. Außer Dixon ist keine seiner Figuren auf den Mund gefallen, im Gegenteil, hier liefern sich alle absolut grandiose, kluge und schmerzhaft ehrliche Dialoggefechte, die reinen Tisch machen, nie um die Sache herumreden, aber mithilfe von Ironie selbst die schmerzhaftesten Momente in einen kleinen Hoffnungskokon verpacken können, der immer wieder zeigt, dass unter der harten, fiesen Kruste ein zarter, wenn auch verwundeter Mensch steckt, der einfach versucht, weiterzumachen und klarzukommen. McDonaghs Figuren sind wundervoll gezeichnet, alle, sogar die kleinen Nebenfiguren sind ambivalent, dreidimensional und gehen über die Klischees hinaus, als die sie anfänglich angelegt sind. Und so wachsen sie einem sehr schnell ans Herz, diese Raubeine. Wenn Willoughby und Mildred sich ein Wortgefecht allererster Klasse liefern, in dem er sie daran erinnert, dass Frauen vor Gericht nie eine Chance haben, und sie ihn erinnert, dass alle Cops rassistisch, homophob und misogyn sind, und dieser ihr dann versehentlich Blut ins Gesicht hustet, sich entschuldigt und sie sagt „Ich weiß, Baby. Alles wird gut“, dann sieht man sie, die unendliche menschliche Wärme, die hier immer mitschwingt.

Und so kommt es auch, dass diese Figuren ihre Standpunkte bald ändern müssen und sich unerwartete Gemeinschaften bilden, die unerwartete Dinge tun, welche die üblichen Grenzen von Moral nicht völlig transzendieren und sich in den Grauzonen tummeln. Der Film urteilt nicht und lässt seinen Figuren und seiner Geschichte viel Raum und Flexibilität. Und genau das macht ihn zu einer effektiven Kontemplation über Themen wie männliche Gewalt (innerhalb und außerhalb der Polizei), Privilegien und Gerechtigkeit. Dass das Ganze dann noch im Stil eines klassischen Westerns aufgezogen wird, wo Mildred die Rolle der ambivalenten Heldin einnimmt, ist zusätzlich noch die Kirsche auf diesem wunderbaren Kuchen
 

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017)

Die titelgebenden Plakatwände aus „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“ sind der brillante Stein des Anstoßes einer ganzen Serie von Ereignissen und einem neuen Film von Martin McDonagh, der der großen Frances McDormand hier die Leinwand überlässt. Und sie macht das allerbeste daraus und brilliert als bittersüßer Racheengel in wirklich jeder köstlichen Sekunde dieses Filmes.

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Meinungen

Martin Zopick · 26.07.2021

Bis zu diesem Film konnten nur wenige Leute etwas mit der Vokabel ‘Billboard‘ anfangen. Um diesen Begriff herum hat Regisseur McDonagh eine im Grunde einfache Geschichte gesponnen. Und oftmals ist doch das Einfache auch das Genialste.
Mutter Mildred Hayes (überragend Frances McDormand) findet sich nicht damit ab, dass ihre Tochter Angela in der Nähe ihres Hauses vor über einem halben Jahr vergewaltigt und ermordet worden ist. Sheriff Willoughby (Woody Harrelson) hat offenbar nichts getan, um den Fall aufzuklären. Drum mietet sie drei, große Werbetafeln wie sie überall am Straßenrand stehen und klebt an jede eine provozierende Message, die man lange Zeit aber nicht entziffern kann, während die Zuschauer in einen Kleinkrieg in Ebbing, Missouri mit hineingezogen werden.
Ein Drama mit erfrischendem, rotzfrechem Witz entwickelt sich, in dessen Verlauf der totkranke Sheriff sich erschießt, nachdem er mit Ehefrau Anne (Abbie Cornish) ein finales Abschiedsnümmerchen geschoben hatte. Sein Stellvertreter Dickson (Sam Rockwell) wird vom Saulus zum Paulus und steht Mutter Mildred echt bei. Er bestand buchstäblich seine Feuerprobe. Eine ganze Reihe von Personen macht das Umfeld sehr spannend und äußerst interessant: wie z.B. der Kleinwüchsige James (Peter Drinklage), der Mildred ein Alibi liefert oder ihr Ex Charlie (John Hawkes) mit seiner neuen Flamme Penelope (Samara Weaving), ein echtes Prachtexemplar von dummem Blondchen. Mit allen Beteiligten geschieht etwas: Der Pfarrer sieht nur alt aus als Anführer einer ‘Gang‘, der Daumen des Zahnarztes macht Bekanntschaft mit seinem eigenen Bohrer. Die Abschiedsbriefe von Sheriff Willoughby an mehrere Involvierte erhöhen die Spannung weiterhin. Überzeugend gelegte Spuren könnten irrelevant sein. Und dann taucht ein mysteriöser Fremder im Ort auf. Der war’s! Der entlassene Dickson ermittelt weiter. Mildred hatte unterdessen das Polizeirevier in Schutt und Asche gelegt. Nachdem sich Mildred und Dickson bereits auf dem Weg machen um den mutmaßlichen Mörder zu fassen/beseitigen, hat das Drehbuch noch eine überraschende, finale Wende in petto, die von der oftmals gepriesenen amerikanischen Maxime abweicht: Auge um Auge.
Die Preise sind absolut berechtigt.