This Charming Girl

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Korea besitzt eine traditionsreiche Kinohistorie. Während es in der Zeit der japanischen Besatzung unter einer starken Zensur litt, hat sich nach dem koreanischen Bürgerkrieg vor allem in Südkorea – nicht zuletzt durch den Wandel von der Militärdiktatur zur Demokratie – eine eigenständige Filmindustrie entwickelt, die ein Abbild der sich rasend schnell verändernden Gesellschaft wiedergibt.
Jeong-hae (Kim Ji-soo), Ende Zwanzig, lebt isoliert in einer südkoreanischen Großstadt. Zwar geht sie pflichtbewusst jeden Tag zu ihrer Arbeitsstelle, einem Postamt, und hält auch freundschaftlichen Kontakt zu ihren beiden Kolleginnen, aber viel mehr gibt es von ihrem Leben – oberflächlich betrachtet – nicht zu erzählen. Sie schleppt sich von Tag zu Tag, geht ab und zu mit ihren beiden Freundinnen ein Bier trinken, kauft sich alles Nötige für das Abendessen auf dem Gemüsemarkt und bestellt sich bisweilen auch mal den Fast-Food-Bringdienst. Trist ist ihr Leben, bestehend aus langen Fernsehabenden, dem kontemplativen Versorgen ihrer Blumen und dem Sammeln bibliophiler Bücher. Die Postangestellte versucht zwar aus ihrem eintönigen Alltag auszubrechen, indem sie sich ein Kätzchen zulegt, aber dessen Liebesbeweise erträgt Jeong-hae kaum. Genau so wenig, wie die ihres Fast-Ehemannes, den sie einen Tag vor der geplanten Heirat spontan verlässt. Dem zarten Werben eines jungen Schriftstellers kann sie nur unbeholfen entgegentreten, fordert ihn ungewöhnlich forsch heraus, woraufhin dieser eingeschüchtert die Flucht antritt. Unerwartet trifft sie an einem ihrer wenigen geselligen Abende auf einen betrunkenen jungen Mann, den sie mit zu sich nach Hause nimmt. Durch seinen emotionalen Ausbruch hilft er ihr unbewusst, einen Weg aus ihrem inneren Gefängnis zu finden. Bei ihm gelingt ihr sogar ein körperlicher Zugang, zu dem sie vorher nicht in der Lage war. Sukzessive entblättert der Film durch Rückblenden und Erinnerungsfetzen die Geschichte der jungen Frau — deren Mutter Illustratorin von Büchern war, wodurch sich die bibliophile Leidenschaft von Jeong-hae erklärt — und mit deren Vater sie eine tragische Vergangenheit verbindet. Ganz geläutert wird Jeong-hae am Ende des Filmes nicht sein, aber immerhin ist sie auf dem Weg zu sich selbst.

Der Regisseur Lee Yoon-ki hat sich für This Charming Girl die Kurzgeschichte Jeong-hae von Wu Ae-ryung zum Vorbild genommen. Seine Vision war es, visuell die Geschichte einer gewöhnlichen jungen Frau zu erzählen, die auf der Suche nach Liebe ist und sich dabei jedoch selbst im Weg steht. Warum das so ist, wird extrem behutsam und sensibel im Laufe der knapp 100 Minuten aufgedeckt. Dabei ist die Intention, ein charmantes Mädchen zu zeigen, allerdings nicht sehr überzeugend, denn vielmehr steht der stetige Kampf von Jeong-hae im Vordergrund, wodurch jede zwischenmenschliche Beziehung fast zur Unmöglichkeit wird. Selbst zu Tieren kann die wortkarge Eigenbrötlerin keinen herzlichen Kontakt herstellen, auch wenn sie sich wirklich bemüht, aber letztendlich scheitert sie in ihren vergeblichen Versuchen. Der koreanische Originaltitel heißt in der Übersetzung Eine Frau, Jeong-hae, und der deutsche Verleih hätte sich vielleicht besser daran getan, diesen zu benutzen, als das irreführende This Charming Girl.

Trotz des unglücklich gewählten Filmtitels ist dem Regisseur Lee Yoon-ki — der mit diesem psychologischen Werk jenseits von südkoreanischen Regiegrößen wie Kang Woo-seok oder Park Chan-Wooks steht — eine sehr beeindruckende Arbeit gelungen, die sich zum einen mit dem persönlichen Schicksal der Postangestellten Jeong-hae auseinandersetzt, zum anderen die heutige gesellschaftliche Rolle von Frauen in Südkorea thematisiert. Eine Gesellschaft, die bei Frauen keinen außerehelichen Geschlechtsverkehr duldet, sie erst zum vollwertigen Mitglied nach der Eheschließung macht. Die Figur der Jeong-hae sprengt diese normativen Grenzen, ist für südkoreanische Verhältnisse bisweilen sehr mutig und forsch, was aber nicht an einem feministischen Bewusstsein liegt, sondern an ihren traumatischen Kindheitserfahrungen, die sie das Gefühl für Grenzen hat verlieren lassen. Und nicht nur das Gefühl für Grenzen, sondern auch das für Emotionen. Innerlich erkaltet, kann sie auch nach außen keine Wärme abgeben. Dies alles vermittelt der Film auf schmerzlich intensive aber auch schöne Weise. Allerdings braucht man als Zuschauer sehr viel Geduld, denn die kaum vorhandenen Dialoge bedeuten eine manchmal kaum auszuhaltende Stille, und die extrem langen Close-ups der Hauptdarstellerin sind fast zu viel, als dass man sie ertragen kann. Trotzdem ist dies wohl das beste Mittel der Wahl, um die innere Be- und Gefangenheit der Protagonistin überzeugend darzustellen.

This Charming Girl

Korea besitzt eine traditionsreiche Kinohistorie. Während es in der Zeit der japanischen Besatzung unter einer starken Zensur litt, hat sich nach dem koreanischen Bürgerkrieg vor allem in Südkorea – nicht zuletzt durch den Wandel von der Militärdiktatur zur Demokratie – eine eigenständige Filmindustrie entwickelt, die ein Abbild der sich rasend schnell verändernden Gesellschaft wiedergibt.
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