The Legend of Tarzan (2016)

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Im echten politischen Dschungel

Sieht man den Trailer zum neuen Tarzan-Film, drängt sich einem die Frage auf, ob man heute einen Film über Tarzan machen kann, ohne sich direkt auf das Terrain von paternalistischen Darstellungsstrukturen und White Primacy zu begeben. Und als logische Konsequenz entstehen daraus die Zweifel, ob man dann überhaupt einen Film über Tarzan heute noch machen sollte. In Edgar Rice Burroughs’ Romanen über Tarzan, den übermächtigen König des Dschungels, geht es eindeutig rassistisch zu. Die afrikanischen Stämme werden gerade in den ersten Büchern kaum als wirkliche Menschen betrachtet, selbst ihr Aussehen wird als nicht humanoid beschrieben. Auch arabisch-stämmige Charaktere kommen in ihrer Rolle als Bösewichte nur allzu schlecht weg. Dabei hatte Burroughs sicher keine politische Agenda für das Buch im Auge – er war eben ein durchschnittlicher weißer Amerikaner zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der sich ganz selbstverständlich kein anderes Machtkonzept vorstellen konnte, als die Überlegenheit des weißen Mannes gegenüber allen indigenen Völkern der Welt.
Betrachtet man die aktuelle politische Lage der USA, dann ist eine Neuverfilmung des Stoffs im Jahre 2016 keine leichte Aufgabe: Allein in den letzten Wochen starben wieder unzählige afroamerikanische Bürger durch die Hände weißer Polizisten. Die Protestbewegung gegen weiße Polizeigewalt #BlackLivesMatter ist stärker denn je. Und die Schießereien der letzten Wochen in Dallas und Orlando, runden das politische Profil der amerikanischen Gesellschaft ab. Die USA, so hat es den Eindruck, sind ein gespaltenes Land, das sich immer mehr auf eine Definition durch Hautfarbe zurückbesinnt. Und da steht Tarzan, der Übermensch, der nicht nur den Dschungel regieren kann, sondern auch seiner menschlichen Umgebung in allem überlegen ist. Was fängt man mit solch einem Helden und seinem Hintergrund heute bloß an? Ein Ansatz könnte sein, in diesem Falle wohl auch der einzig akzeptable, sich von den Büchern zu entfernen und sich einmal mit der Geschichte des Kolonialismus im 19.  und 20. Jahrhundert auseinanderzusetzen.

Und genau hier setzt auch der Film an. David Yates verlegt die Handlung in den Kongo, seit der Berliner Konferenz (1884-1885) nicht nur aufgeteilt zwischen Großbritannien und Belgien, sondern auch Privatbesitz des stark verschuldeten belgischen Königs Leopold II. Um die Schatzkammer zu füllen plant Leopold, die Kautschukproduktion im Kongo voranzutreiben, indem er die Bewohner des Landes versklavt und sie so zum Abbau des Kautschuks zwingt. Doch es ist nicht der übermächtige Tarzan (Alexander Skarsgård), der nun in England unter seinem Adelsnamen John Clayton III. Lord Greystoke lebt, der von sich aus in seine alte Heimat zurückkehrt und die Menschen befreit. Vielmehr braucht er für viele Erkenntnisse den afroamerikanischen Menschenrechtler und Schriftsteller George Washington Williams (Samuel L. Jackson). Es ist Williams, der die Versklavung der Kongolesen vermutet und nur durch seinen Nachdruck geht Clayton Williams Verdacht nach.

Über das Detail, dass ausgerechnet ein Amerikaner den Kongo vor der Versklavung retten will, könnte man die Augen verdrehen. Wäre es nicht zumindest in Teilen tatsächlich so passiert. Williams ist eine historische Figur – auf seiner Reise durch den Kongo war er von den Zuständen dort schockiert und klagte später Leopold II. in einem offenen Brief an. Williams verstarb allerdings noch auf der Rückreise aus dem Kongo und so brauchte es noch Jahre und das Handeln weiterer Persönlichkeiten, bis der systematischen Ausbeutung der Menschen im Kongo ein Ende gesetzt wurde. Natürlich ohne Tarzans Hilfe.

Es grenzt zwar an Absurdität, einer historischen Figur wie Williams die fiktive Figur Tarzans zur Seite zu stellen und beide gemeinsam gegen die Versklavung Kongos kämpfen zu lassen. Doch genau dieser Ansatz lässt den Film nicht nur auf politischem Level funktionieren, sondern auch auf einer ironischen Metaebene. Geht es bei Burroughs größtenteils fantastisch zu, bekommt Tarzan in der neuen Verfilmung einen moderneren Anstrich. Das Fantastische an seiner Person und seiner Geschichte wird erst durch die reale Umgebung hervorgehoben — und das mit einer deutlichen Ironie. Zwar lässt sich Williams auf Tarzan und seine Welt ein, doch sein Gesichtsausdruck verrät, dass er das alles vielleicht auch nicht so ganz ernst nehmen kann. Während Tarzan mit Löwen kuschelt oder mit einem Menschenaffen-Häuptling einen ritualisierten Revierkampf austrägt, schaut Williams eher ungläubig zu. Der lakonische Tarzan und die aufgeschlossene Jane (Margot Robbie), könnten genauso gut letztens aus einer Psychiatrie entkommen sein — das zumindest ist der Eindruck, wenn man sie mit leuchtenden Augen von Tarzans Kindheit im Dschungel sprechen hört. Williams bringt den nötigen Kontrast zwischen dem Ernst des realen Hintergrunds und Tarzans Geschichte. Erst hier zeigt sich deutlich, wie unreflektiert Burroughs Bücher in der Darstellung von Tarzans Welt gewesen ist.

Und es ist eben eine beinahe magische Welt, die dem Zuschauer präsentiert wird. Die in Gabun gedrehten Naturaufnahmen und das, zwar reichlich, aber doch mit Bedacht eingesetzte CGI schaffen Bilder, die man sich gerne auf der Leinwand anschaut. Es werden jedoch viele Abstriche gemacht, um ein breites Hollywoodpublikum zu bedienen. Anstatt das echte Ausmaß von Leopolds II Herrschaft zu zeigen, wurden die Fakten weichgespült. Die Bevölkerung des Kongo wurde in zwanzig Jahren dezimiert, etwa zehn Millionen starben und die Zeit unter Leopold II. wurde als der Kongogräuel bezeichnet. Doch statt Vergewaltigung, Geiselhaft von Frauen und Kindern und deren Erschießungen, abgehackter Hände und unzähliger Toten, sieht man einen moderat gefüllten Waggon mit angeketteten Gefangenen. Anstatt der wirklichen Verwüstung der kongolesischen Dörfer, werden ein, zwei verstreut brennende Hütten gezeigt.

Und natürlich macht es den Eindruck, als hätte man Leopold II. noch gerade rechtzeitig in seiner Ausbeutungsstrategie aufgehalten. Als hätte Tarzan im letzten Moment doch noch den Kongo gerettet. Aber hier verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und der fantastischen Welt Tarzans. Man könnte das nun anprangern, handelt es sich hier doch um eine klassische Hollywood-Strategie. Ein bisschen Wunschdenken ist aber vielleicht in Zeiten einer solchen gesellschaftlichen Spaltung in einem Hollywood-Sommerhit ja auch erlaubt. Das entschuldigt das Weichspülen nicht. Vielmehr zeigt es, wie es um die Ansprüche an den modernen Hollywood-Blockbuster steht.

The Legend of Tarzan (2016)

Sieht man den Trailer zum neuen Tarzan-Film, drängt sich einem die Frage auf, ob man heute einen Film über Tarzan machen kann, ohne sich direkt auf das Terrain von paternalistischen Darstellungsstrukturen und „White Primacy“ zu begeben. Und als logische Konsequenz entstehen daraus die Zweifel, ob man dann überhaupt einen Film über Tarzan heute noch machen sollte.
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