The Forecaster

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Mann mit dem Crash-Code

Uns bleiben noch einige wenige Monate, um das Leben ins Saus und Braus zu genießen. Danach, am 1. Oktober 2015, wird sich die europäische Schuldenkrise, unter der der Kontinent schon seit einiger Zeit leidet, derart zuspitzen, dass sich der Euro in den freien Fall begibt. Dies ist zumindest die Prognose, die der amerikanische Ökonom Martin A. Armstrong aufgestellt hat. Und das bereits vor 17 Jahren. Und dieser Mann ist nicht irgendwer: Er gilt als Genie und vielen auch als Scharlatan unter den Finanzanalysten. Vor allem aber ist Armstrong im Besitz einer Formel, mit der er zuverlässig das Auf und Ab an den internationalen Börsen und Finanzhandelsplätzen voraussagen kann – wenn man so will, befindet sich in seinem Kopf eine Art Weltformel, ein Crash-Code; Herrschaftswissen, das in Zeiten wie diesen einen ungeheuren Wert und unendlich viel Macht bedeutet. In seinem neuen Film The Forecaster erzählt Marcus Vetter (Das Herz von Jenin) gemeinsam mit seiner Co-Regisseurin Karin Steinberger die ganz und gar unglaubliche Geschichte eines Mannes, bei dem man sich nie ganz sicher, ob er hochgradig paranoid oder hochgradig genial ist – oder vielleicht beides gleichzeitig.
Armstrong hatte schon früh seine Faszination für Geld und sein Talent im Umgang damit entdeckt. Bereits in jungen Jahren bettelte er seine Mutter an, ihn jeweils einen Blick auf das Wechselgeld werfen zu lassen, um dann die seltenen Münzen umgehend zu Geld zu machen. Durch den Handel mit Hartgeld hatte er es bereits im zarten Alter von 15 Jahren zur ersten Million – ein echter Selfmade-Mann und damit geradezu dazu prädestiniert, in den USA eine steile Karriere aufs (Börsen)Parkett zu legen. Die beförderte ihn in den 1980er Jahren bis ganz nach oben, mit seinem Investment-Unternehmen „Princeton Economics“ jonglierte Armstrong schnell mit Summen im Milliardenbereich und war so etwas wie der ungekrönte König der Wall Street. Nebenbei entwickelte das Finanzgenie basierend auf umfangreichem historischem Zahlenmaterial eine Art Weltformel für die Wirtschaft, mit deren Hilfe sich wiederkehrende Zyklen von Haussen und Baissen zuverlässig und mit verblüffender Präzision vorhersagen ließen. Alle 8,6 Jahre, so seine Erkenntnis, würde sich ein Börsencrash wiederholen, ein Zyklus, der sich mit absoluter Genauigkeit und Zuverlässigkeit seit Jahrhunderten nachweisen ließe. Was dann folgt, ist reine Zahlenesoterik oder wie Armstrong es nennt „die Geometrie der Zeit“, denn die berechnete Zeitspanne, innerhalb derer größere Erschütterungen stattfinden, umfasst 3141 Tage, was wiederum (zumindest ungefähr) dem Tausendfachen der Zahl Pi entspricht. Und die übt schon seit Jahrtausenden eine ganz eigentümliche Faszination auf Menschen aus, die nach einem ordnenden Muster im Chaos der Zeit und des Daseins suchen.

Die Zäsur in Armstrong bis dahin märchenhaftem Aufstieg erfolgt dann im Jahre 1999, als die US-Behörden, so scheint es zumindest, genug von den unbequemen Wahrheiten hatten und den Fondsmanager wegen Betrugs anklagten und hinter Gitter steckten. Armstrong und sein Unternehmen hätten, so lautete der Vorwurf, Anleger in Japan mittels eines komplexen Schneeballsystems um 3 Milliarden betrogen. Ohne dass es zu einer Verurteilung gekommen wäre, verbringt Armstrong die nächsten Jahre im Hochsicherheitstrakt in New Yorker Gefängnisses , angeblich wegen Missachtung des Gerichts, doch in Wirklichkeit, so suggeriert es der Protagonist selbst, sei es der CIA darum gegangen, den geheimnisvollen Computercode seines Wirtschaftsmodells. Weil er die Kooperation verweigert, bleibt er in Beugehaft und sitzt für 12 Jahren hinter Gittern. Als er entlassen wird, hat er fast alles verloren, doch noch immer üben seine Theorien und Prognosen eine eigentümliche Faszination auf die Menschen auf.

Die Geschichte hat alle Zutaten, die auch einen spannenden und modernen Noir-Thriller ausmachen: Einen zwielichtigen (Anti)Helden, eine geheimnisvolle Formel, deren Sprengkraft so enorm ist, dass sie scheinbar mächtige Gegenspieler anzieht, die deren Veröffentlichung mit allen Mitteln verhindern wollen, internationale Schauplätze voller Glamour und Exotik und ein real erscheinendes Bedrohungsszenario, das sich so gewaltig ausnimmt, dass die Menetekel und düsteren Prophezeiungen jedem Zuschauer die Angstschauer über den Rücken jagen. Die Filmemacher sind sich der spielfilmreifen Zutaten ihres Filmes durchaus bewusst – und nutzen diese weidlich zur Spannungserzeugung aus, von der treibenden Streichermusik, die jedem fiktiven Paranoia-Thriller zu Ehre gereichen würde, bis zu den Versuchen, den eigentlich unfilmbaren MacGuffin (die Formel natürlich) dennoch in angemessene Bilder zu kleiden.

Was dabei indes auf der Strecke bleibt, ist eine kritische Haltung gegenüber ihrer „person of interest“, deren Faszination Vetter und Steinberger beinahe in ähnlicher Weise erliegen, wie dies zu Hochzeiten des Aktienbooms mit sogenannten Börsen-Gurus der Fall war. Begünstigt wird das durch die kollektive Verweigerungshaltung seitens der US-Administration, sich zu dem Fall zu äußern. Auch Gegner Armstrongs waren nicht bereit, vor die Kamera zu treten. Stattdessen versammelt der Film vor allem Weggefährten und unterlässt es tunlichst, die steilen Hypothesen kritisch zu hinterfragen. Ob dies nun allein schon ausreicht, um den teilweise recht abenteuerlichen Verschwörungstheorien Armstrongs mehr Glaubwürdigkeit zuzusprechen, ist jedem Zuschauer selbst überlassen, die recht einseitige Sicht auf den Protagonisten provoziert aber zumindest bei Skeptikern einige Zweifel und wirkt bisweilen wie eine Geisterbahnfahrt durch Land Paranoia.

Wer glaubt und glauben will, der wird in Armstrongs durchaus faszinierenden Thesen genügend Bestätigung für steile Verschwörungstheorien finden. Für eher skeptischere Zuschauer hingegen bildet The Forecaster einen Lackmustest in Sachen Fiktionalisierung der so genannten Wirklichkeit, der Film birgt neben allem Geraune auch manche schillernde Erkenntnis, die durchaus treffend das gegenwärtige Chaos auf den Finanzmärkten auf den Punkt bringt („Staaten zahlen ihre Schuld niemals zurück!“ ist dabei schon fast eine Binsenweisheit). Spannend und unterhaltsam ist der Film aber auf jeden Fall, zumal sich in den Prognosen Armstrongs jede Menge gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Sprengstoff verbirgt.

Ob der nächste Crash tatsächlich im Oktober 2015 bevorsteht? Wir werden sehen. Wenn nicht, haben wir noch einmal Glück gehabt. Wenn doch… nun, vielleicht hat Armstrong ja doch recht? Jedenfalls hat er angekündigt, sein begehrtes Modell demnächst zu veröffentlichen: Die Weltformel als Open Source Code – das wäre wirklich mal eine Sensation.

The Forecaster

Uns bleiben noch einige wenige Monate, um das Leben ins Saus und Braus zu genießen. Danach, am 1. Oktober 2015, wird sich die europäische Schuldenkrise, unter der der Kontinent schon seit einiger Zeit leidet, derart zuspitzen, dass sich der Euro in den freien Fall begibt.
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Meinungen

roland Zoch · 28.08.2015

Gerne würde ich diesen Film mir anschauen! Ich komme aus Mittelhessen, nur komisch, daß ich diesen Film seit vielen Monaten in keinem öffentlichen Kino im großen Rhein-Main Gebiet zur Vorführung finde! Weder in den großem Kino Frankfurt Zeil, noch Main-Taunus Zentrum, noch in Gießen habe ich diesen Film auf dem Plan gefunden! Ich bekomme den Eindruck dieser Film wird hier in Hessen von deutschen Kinobetreibern boykottiert!

Marx Forest · 08.05.2015

Ich bin auf den Film gespannt, aber die Aussage in 3141( Pi x 100 ) Tagen käme eine große Krise, bedeutet, daß diese erst Anfang 2017 wäre. Die große Weltwirtschaftskrise war Herbst 2008 + (100 x PI) ergibt bei mir ein anderes Ergebnis. Wenn es mit der Pi-Zahl stimmt, was im übrigen wirkliche eine sehr interessante (mystische) Zahl ist, dann haben wir noch ein bisschen Zeit.
Mfg MF

Peter Becker · 25.04.2015

Hallo, werde mir den Film ansehen. Würde mich interessieren wo die Schuldenspirale hinführt. Vielleicht
gibt der Film Hinweise , Antworten auf meine Fragen....

Stefan gu · 04.03.2015

Diesen Film muss man einfach sehen. Er gibt profunden Einblick in die Geschehnisse der Finanzindustrie. Ein Blick hinter den Vorhang wie man ihn vorher nie gesehen hat.