The Diary of a Teenage Girl

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Aufwachsen in San Francisco

Seit die Graphic Novel als erzählerische Form an Beachtung (und Qualität) gewinnt, werden auch immer öfter die besseren dieser als „Comics“ nur unzureichend beschriebenen Bücher verfilmt. Das liegt grundsätzlich nahe, verbindet doch die Form schon das Erzählerische mit dem Visuellen – oft genug unter Bezug auf filmische Elemente und Inszenierungsformen. Das ist mal popkulturell-wild wie in Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt oder dem Meta-Superhelden-Epos Watchmen. Mit die spannendsten Graphic Novels sind jedoch zumindest teilweise autobiographischer Natur — und dazu gehört auch Phoebe Gloeckners The Diary of a Teenage Girl, das nun unter dem gleichen Titel von Regiedebütantin Marielle Heller verfilmt wurde.
Die 15-jährige Minnie (Bel Powley) lebt mit ihrer jüngeren Schwester bei ihrer alleinerziehenden Mutter Charlotte (Kristen Wiig). Deren Freund Monroe (Alexander Skarsgård) liegt viel bei ihnen auf dem Sofa. Es wird getrunken, geraucht, gekifft – ein konzentriertes, vielleicht etwas zu stereotypes Bild der 1960er/1970er Jahre in San Francisco. Freie Liebe allenthalben, und so wünscht sich auch Minnie Sex und lässt sich dann auf eine Affäre mit Monroe ein, die beide vor der Mutter geheimzuhalten versuchen. Das kann natürlich auf lange Sicht nur bedingt gut gehen.

The Diary of a Teenage Girl ist klassisches Coming-of-Age-Kino, verbunden noch mit einem „Portrait der Künstlerin als junger Frau“: Denn Minnie zeichnet gerne, sich, die Menschen um sie herum, Frauenkörper, Geschlechtsorgane in floralen Arrangements – die Bilder gehören in Stil und Ausrichtung ganz zu dem Untergrund der 1970er Jahre, zu Robert Crumb und Cartoonistinnen wie Aline Kominsky und Diane Noomin, deren „Twisted Sisters“ im Film auch direkt auftauchen. Minnies Cartoons aber setzen sich in den Film fort, der Real- und Trickfilm verschmelzen miteinander, vor allem in Minnies Gedanken und Phantasien.

Dass hier ein erwachsener Mann Sex mit einer Minderjährigen hat, macht diesem Kritiker einige Bauchschmerzen – aber der Film macht einen weiten Bogen darum, das moralisch zu bewerten. Darum geht es in The Diary of a Teenage Girl offenbar überhaupt nicht. Der Fokus liegt auf der Art und Weise, wie die Menschen miteinander umgehen, da wirken Minnie und ihre Mutter einander ebenbürtig — was auch daran liegt, dass Wiigs Charlotte gegenüber ihrer Tochter gelegentlich einen unreifen Eindruck macht.

Und so wird aus The Diary of a Teenage Girl vor allem dank der jungen Hauptdarstellerin Bel Powley ein zeitgemäß quirliges, drogengeschwängertes Stück Selbstfindungs- und Kunsterweckungskino, nicht aufdringlich, nicht immer überzeugend, aber an jeder Ecke Lebendigkeit ausatmend. Dafür gab es dann, kurz nach der Uraufführung in Sundance, auf der Berlinale auch in der Sektion „Generation 14plus“ den Großen Preis der Internationalen Jury.

The Diary of a Teenage Girl

Seit die Graphic Novel als erzählerische Form an Beachtung (und Qualität) gewinnt, werden auch immer öfter die besseren dieser als „Comics“ nur unzureichend beschriebenen Bücher verfilmt. Das liegt grundsätzlich nahe, verbindet doch die Form schon das Erzählerische mit dem Visuellen – oft genug unter Bezug auf filmische Elemente und Inszenierungsformen.
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