The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Es ist kompliziert!

Das Spider-Man-Reboot durch Marc Webb wurde gemischt aufgenommen. Es gab Lob, aber auch viel – teils ideologische, teils begründete – Kritik. Zwei Jahre sind vergangen, nun erscheint mit The Amazing Spider-Man: Rise Of Electro die Fortsetzung. Hat Webb die Zeit genutzt, kreative Energie gesammelt und die Schwächen des Vorgängers im zweiten Teil ausbügeln können? Eine eindeutige Antwort fällt schwer.
Seit es Spider-Man gibt, ist New York City sicherer geworden. Doch der junge Peter Parker (Andrew Garfield), der hinter der Maske steckt, hat es alles andere als leicht. Nicht nur, dass ihn sein Heldendasein in Dauerstress versetzt, auch das Versprechen, das er dem sterbenden Captain Stacy (Denis Leary) gegeben hat, lastet schwer auf dem jungen Mann. So versprach er ihm, seine Tochter Gwen (Emma Stone), Peters große Liebe, außer Gefahr zu bringen – eine Herausforderung, die sich als größer erweisen wird, als es mit dem Superschurken Electro (Jamie Foxx) aufzunehmen.

Man kann es kaum leugnen, der Start ist furios: In den grandiosen ersten Szenen schwingt sich ein deutlich heller als bisher kostümierter Spider-Man durch die Häuserschluchten New Yorks, um ein paar Ganoven aufzuhalten. Hier kommt gleich alles zusammen, was den Film sehenswert macht: Visionäre Action, veredelt mit gekonntem 3D und einem Humor, der direkt aus den Ultimate-Spider-Man-Comics zu entspringen scheint. Auch im weiteren Verlauf gibt es immer wieder diese Momente, in denen man den Regisseur in den Arm nehmen und ihm einfach danken will. Webb ist ein Meister des Augenblicks, das zeigt sich an mehreren Stellen und besonders dann, wenn sich das Bild und der kongeniale Score von Hans Zimmer und den „Magnificent Six“ (Pharrell Williams, Johnny Marr, Michael Einziger, Junkie XL, Andrew Kawczynski und Steve Mazzaro) gegenseitig in die Höhe schaukeln. Hinzu kommen viele äußerst charmante Szenen, die den Alltag des Superhelden zeigen, beispielsweise wenn Spider-Man verschnupft einkaufen geht, sich aus dem engen Anzug zu schälen versucht oder, unbemerkt von seiner Tante, das Spinnenkostüm waschen will.

Doch in solchen Momenten – oder sagen wir besser Fragmenten –, aus denen sich der Film zusammensetzt, beginnen sich auch seine Schwächen zu offenbaren. Webb ist zwar ein Meister des Moments, aber nicht der Kontinuität. Während Sam Raimi bei seinem Spider-Man dessen Genesis zügig abhandelte und sich im weiteren Verlauf auf die emotionale Entwicklung Peter Parkers konzentrierte, kämpft Webb an vielen Fronten und verpulvert seine Kraft in Nebengefechten. Doch eine Geschichte ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Eine spannende und mitreißende Geschichte zu erzählen, die den Zuschauer im doppelten Wortsinn mitnimmt, das leistet das neue Autorenteam nicht – und auch Webb scheitert daran, sich für einen bestimmten Fokus zu entscheiden. Schon der umständliche deutsche Titel The Amazing Spider-Man: Rise Of Electro (im Original schlicht The Amazing Spider-Man 2) lässt anklingen, wie unsicher man hierzulande war, worum es eigentlich geht. Zum Selbsttest: Nach dem Film einfach mal versuchen, jemandem den Inhalt in drei Sätzen wiederzugeben…

Bereits die ersten zehn Minuten beginnen mit einer Rückblende zu Peters Eltern, die allein vom Informationsgehalt kaum etwas beisteuert. Auch die Liebesgeschichte zwischen Gwen und Peter laviert eher vor sich hin, als dass sich hier wirklich etwas entwickelt. „Es ist kompliziert“, sagt Peter zu seiner Freundin im Laufe ihrer Liebesverhandlungen. Und das ist symptomatisch für den ganzen Film: Kompliziert, nicht komplex, wohlgemerkt. Unübersichtlichkeit und fehlender Fokus lässt sich sowohl in der Beziehung zwischen Gwen und Peter – die eigentlich das Kernstück des Films sein müsste! – diagnostizieren als auch in Peters umständlichen Bemühungen, die Geschichte seiner Eltern zu erforschen, um seine Vergangenheit zu entschlüsseln (sehr schade, dass der Zuschauer hier permanent einen Wissensvorsprung hat). Gleiches gilt auch für seine Scharmützel mit den Superschurken, die für Peter irgendwie durch die Brust ins Auge, für den Zuschauer wieder offensichtlich mit OsCorp verbunden sind. Ebenfalls kein gutes Händchen zeigt Webb bei der Ausformulierung der Bösewichte. Verglichen mit Dr. Curt „The Lizard“ Connors beim Vorgänger sind die Antagonisten hier zwar etwas vielschichtiger, doch glaubwürdig konstruiert sind sie nicht. Die Wandlung vom schusseligen OsCorp-Angestellten zum verbitterten Superschurken Electro ist zwar durch die Story motiviert, aber ebenso abrupt wie die Persönlichkeitsentwicklung von Peters Jugendfreund Harry Osborn (Dane Dehaan). Mit anderen Worten: Trotz viel Electro funkt es zwischen den Figuren im Film viel zu selten.

Das quasi komplett neue Team, angefangen bei den Autoren Alex Kurtzman, Roberto Orci und Jeff Pinkner, vor allem aber Star Trek: Into Darkness-Kameramann Daniel Mindel und der neue Cutter Pietro Scalia, wirken sich insgesamt positiv aus. Und auch Webb hat eindeutig dazugelernt, zumindest was die visuelle Seite des Superhelden-Stoffs betrifft. Außerdem ist dem Regisseur hoch anzurechnen, dass er versucht, das Spider-Man-Universum zu erweitern und der Geschichte neue Facetten abzuringen. Aber hier verzettelt er sich. Er hat zu viele Elemente in der Luft und hantiert mit sehr unterschiedlichen Stimmungen. Die Jonglage meistert er nicht. Aber es ist eben auch kompliziert.

The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro

Das Spider-Man-Reboot durch Marc Webb wurde gemischt aufgenommen. Es gab Lob, aber auch viel – teils ideologische, teils begründete – Kritik. Zwei Jahre sind vergangen, nun erscheint mit „The Amazing Spider-Man: Rise Of Electro“ die Fortsetzung. Hat Webb die Zeit genutzt, kreative Energie gesammelt und die Schwächen des Vorgängers im zweiten Teil ausbügeln können? Eine eindeutige Antwort fällt schwer.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

thommes · 17.04.2014

Ich bezeichne mich gerne als "the amazing Spider-Fan", bin ich doch seit 1976 in Spidey's Netz gefangen. Schon während ich den Film sah kamen mit ganz ähnliche Gedanken. Ich hätte diese in der Tat nicht besser zusammenfassen können, als ihr es hier getan habt. Dennoch darf sich der geneigte Fan diesen Film auf jeden Fall ansehen.