Sunrise (2014)

Schattenspiele

Es ist Nacht. Es regnet. Kommissar Joshi (Adil Hussain) ist in seinem Auto unterwegs, auf seinem Armaturenbrett leuchtet eine Plastikgottheit in bunten Farben, fast so, als wolle sie etwas bunte Hoffnung auf die durchtränkten, dunklen Straßen von Mumbai bringen. Es wird eine lange Nacht werden in Partho Sen-Guptas Film Sunrise, erst am Ende wird die Sonne für kurze Zeit scheinen. Denn der Titel bezieht sich nicht auf die Tageszeit, sondern auf den Namen von Joshis Tochter Aruna, der übersetzt Morgendämmerung bedeutet. Aruna ist eines der über 100.000 Kinder, die in Indien in jedem Jahr verschwinden.

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Immer wieder ist Joshi auf den monsungetränkten Straßen Mumbais unterwegs, um seine Tochter zu suchen, immer wieder zieht es ihn in einen geheimnisvollen Nachtclub namens „Paradise“, in dem junge Mädchen für ein geiferndes Männerpublikum tanzen. Von Sen-Guptha in surreale, entrückte Bilder gefasst, erscheint dieser Ort als Hort der Geheimnisse, als Eingang in die versteckten Wege, auf denen die vielen verschwundenen Kinder umhergeschleust werden. Hinzu kommen Bilder aus dem Alltag dieser Mädchen, die versteckt werden und sich ihrem Schicksal schmerzhaft beugen. Joshi glaubt, dass auch seine Tochter an einem dieser Orte zu finden ist – und jagt den Schatten hinterher, die diese Kinder entführen und ausbeuten.

Aufgrund der Geschichte und Ästhetik erinnert Sunrise zunächst an einen Neo-Noir-Film, allerdings nutzt Regisseur und Drehbuchautor Sen-Guptha diese Genre-Elemente insbesondere zur Erforschung des Innenlebens seines Protagonisten. Immer wieder laufen Schatten über Wände, denen Joshi nacheilt, beobachtet er dunkle, schemenhafte Gestalten, die Kinder mitnehmen oder den Tatort eines Kindermordes verlassen. Diese Jagden werden in düstere Bilder gefasst, die sich ebenso wiederholen wie Joshis Besuche im „Paradise“ und die Erlebnisse aus seinem Polizistenalltag. Dabei ist nicht eindeutig auszumachen, ob diese Schatten real oder eingebildet sind, beständig verwischen die Grenzen zwischen Realität und Imagination in den meisterhaften Bildern des Kameramanns Jean-Marc Ferriere. In diesem Film wird wenig gesprochen, aber dank der Bilder viel erzählt, so verweist schon am Anfang eine kurze Einstellung auf Joshis wahrscheinliche Zukunft, als ein alter Mann auf dem Polizeirevier zu sehen ist, dessen letzte Hoffnung von einer Puppe symbolisiert wird, die er fest umklammert.

Sunrise ist ein Film über das Innenleben eines Vaters, der seine Tochter verloren hat. Er hat sich an dem Tag, an dem seine Tochter entführt wurde, verspätet, so dass sie vor der Schule auf ihn warten musste. Seither will er Entführungen verhindern, imaginiert sich als Retter anderer Mädchen und schließlich seiner Tochter. Dabei ist dieser Film auch eine Auseinandersetzung mit dem Maskulinitätsverständnis in Indien: Joshi – gespielt von dem herausragenden Adil Hussain (Life of Pi) – ist ein Mann, es war seine Aufgabe, seine Tochter, seine Familie zu beschützen und er hat versagt. Und fast nebenbei verweist Sen-Gupta noch auf die indische Gesellschaft, in der sich Gewalt und Frauenverachtung längst ausgebreitet haben und Kinder – insbesondere Mädchen – kaum wahrgenommen werden.

(Festivalkritik Filmfest München 2015 von Sonja Hartl)

Sunrise (2014)

Es ist Nacht. Es regnet. Kommissar Joshi (Adil Hussain) ist in seinem Auto unterwegs, auf seinem Armaturenbrett leuchtet eine Plastikgottheit in bunten Farben, fast so, als wolle sie etwas bunte Hoffnung auf die durchtränkten, dunklen Straßen von Mumbai bringen. Es wird eine lange Nacht werden in Partho Sen-Guptas Film „Sunrise“, erst am Ende wird die Sonne für kurze Zeit scheinen.

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