Suburbicon - Willkommen in der Nachbarschaft (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Zwei in einem

Suburbicon ist ein sehr eigenartiges kleines Werk. Lang hat es gedauert, bis George Clooney dieses Projekt erfolgreich ins Rollen gebracht hat und nun, wo es endlich da ist, merkt man ihm die schwere Geburt an. Diese Chimäre vereint zwei ganz unterschiedliche Werke zu einem. Das klappt an manchen Stellen hervorragend. An anderen wiederum bleibt einem das Lachen aber tief im Hals stecken.

Was man beim Betrachten des Filmes schnell merkt, diese Unebenheit und eigenartige Verschiebung an manchen Stellen, erklärt sich nur, wenn man die Entstehungsgeschichte Suburbicons betrachtet. Ursprünglich wollten Clooney und sein Drehbuchpartner Grant Heslov ein Drama über eine wahre Geschichte aus den 1950er Jahren der USA verfilmen. In einem kleinen Ort in Pennsylvania namens Levittown ereignete sich im Jahr 1957 ein perfektes Beispiel für die Bigotterie der amerikanischen Gesellschaft. Levittown, eine kleine Vorstadt, die als Utopie einer freien und modernen Gesellschaft begründet und gefeiert wurde, wurde innerhalb kurzer Zeit zum Schauplatz von Hass und Rassismus, als eine afroamerikanische Familie es wagte, dorthin in die bis dahin ausschließlich weiße Community zu ziehen. Die Nachbarn reagierten mit offenem Hass, das Haus wurde belagert, beworfen, Kreuze brannten auf dem Rasen, die Familie wurde überzogen mit Hass und Drohungen. Doch sie trotzten all dem und wurden Teil einer offenen, gewaltlosen Widerstandsbewegung gegen den Alltagsrassismus in den USA; Daisy Myers wurde später als „Rosa Parks des Nordens“ bezeichnet. An dieser Geschichte arbeiteten Clooney und Heslov, als sie ebenfalls ein Drehbuch der Coen-Brüder in die Hand bekamen, in dem — ganz nach Vorbild von Fargo — eine Vorzeigefamilie in Mord und Wahnsinn versinkt.

Suburbicon ist die Vereinigung dieser beiden Geschichten. Sie beginnt in Suburbicon, dem fiktionalen Ort beider Erzählungen, in dem der Postbote gerade voller Entsetzen feststellen muss, dass „die Neuen“, Familie Meyers (Alex Hassel, Karimah Westbrook und Tony Espinosa) schwarz sind. Sofort wird eine Notsitzung der Bürger einberufen, um die „Bedrohung“ irgendwie zu besprechen und loszuwerden. Währenddessen und aus einer Laune heraus wird Nicky (Noah Jupe) von seiner Tante Emma (Julianne Moore) gezwungen, mit dem neuen Nachbarsjungen Andy zu spielen. Daraus entwickeln sich schnell zarte Bande einer Freundschaft, doch die beiden Jungs werden abgelenkt von anderen Problemen. Andys Familie wird belagert und Nicky, aus dessen Sicht der Film die meiste Zeit erzählt, wacht eines Abends auf und zwei Fremde sind im Haus. Sie fesseln seinen Vater Gardner (Matt Damon), seine Mutter Rose (Julianne Moore) und deren Zwillingsschwester Tante Emma und drücken ihnen Chloroform ins Gesicht. Als Nicky wieder erwacht, ist seine Mutter tot. Die anderen haben überlebt. Und noch bevor er den Tod verarbeiten kann, bemerkt Nicky Ungereimtheiten. Tante Emma lässt sich sofort die Haare färben, um wie Rose auszusehen und sie und Nickys Vater sind auffallend schnell sehr vertraut miteinander. Als sie bei einer Gegenüberstellung die beiden Täter nicht identifizieren, merkt Nicky, dass das Ganze ein abgekartertes Spiel ist. Offensichtlich wollte sein Vater die Mutter loswerden, um so die neue Liebe zu Emma ausleben zu können. Und natürlich kommt in dieser Situation auch die auf seine Frau abgeschlossene Lebensversicherung nicht ungelegen.

Ab hier wird es dann wirklich sehr Coenesk, ein Wahnsinn folgt dem nächsten und um die Spuren zu verwischen, sterben im Haus der Gardners alsbald die Menschen wie die Fliegen. Und nebenan, bei den Meyers, die einfach nur in Ruhe leben wollen, ist die Hölle los. So sehr, dass nicht mal jemand bemerkt, wie Gardner Menschen auf offener Straße erschlägt.

Separat betrachtet sind die zwei Erzählungen in sich beide spannend, wenn auch die Dramatisierung um die Meyers, mit der der Film beginnt, sehr bald nur noch eine kleine Nebenhandlung darstellt. Der Fokus liegt auf den Gardners und natürlich entsteht genau im Hin- und Herspringen zwischen diesen zwei Geschichten die eigentliche Message des Filmes, die, auch wenn das Werk in den 1950er Jahren spielt, gerade gar nicht zeitgemäßer sein könnte. Vor allem die Proteste und der Anschlag von Charlottesville vor einiger Zeit zeigen ganz deutlich, wie sehr auf der Höhe der Zeit dieser Film doch ist und wie wenig sich eigentlich im vermeintlich postrassistischen Amerika geändert hat. So gesehen kommt der Film genau richtig.

Doch leider gibt es ein großes Problem. Denn die satirische Farce mit allen Elementen, die die Coens eben ausmachen, ist genau in diesem politischen und vor allem auch menschlich tragischen Zusammenhang nicht angemessen. Der typisch absurde Humor, die Steigerung von Gewalt ins Surreale hinein funktioniert einfach nicht mit einer Geschichte, in der Menschen wahrhaftig und historisch (und aktuell) real zu kämpfen haben. Wenn Matt Damon auf einem Kinderfahrrad von einem Mord nach Hause zurückfährt, ist das lustig. Wenn sein Sohn jedoch mit Todesangst unter seinem Bett kauert und nebenan sein Freund Andy in den Armen seiner Mutter weint, während ein Mob das Haus umzingelt und ihr Auto anbrennt, ist es das nicht. Eine Coen-Farce ist hier einfach vom Ton her völlig fehl am Platze. Die Kombination erweist sich als tontaub und unangenehm. Ja, man kann lachen — aber es ist ein Lachen auf Kosten anderer, die gerade wahrhaftig um ihre Grundrechte als Menschen kämpfen. Es ist ein Lachen, das man sich leisten können muss, ein Lachen, welches aus dem Privileg kommt, die Kämpfe der Meyers und ihre welthaften Konnotationen zu ignorieren, um sich auf die groteske Fargo-light Geschichte der Familie Lodge einzulassen. Auch wenn das Zusammenspiel ab und an klappt und dadurch mit bitterschwarzem Humor etwas bewirkt werden kann, so befindet sich Suburbicon doch die allermeiste Zeit in totaler Schieflage.

Es wäre wünschenswert gewesen, man hätte daraus zwei Filme gemacht. Das wäre für beide Erzählung wohl das Beste gewesen. So kommt die eine zu kurz und wird zum reinen Hintergrund, die andere wiederum entfaltet sich in einem politischen Milieu, in dem sie eher schmerzhaft als humoristisch oder hintersinnig ist.
 

Suburbicon - Willkommen in der Nachbarschaft (2017)

„Suburbicon“ ist ein sehr eigenartiges kleines Werk. Lang hat es gedauert, bis George Clooney dieses Projekt erfolgreich ins Rollen gebracht hat und nun, wo es endlich da ist, merkt man ihm die schwere Geburt an. Diese Chimäre vereint zwei ganz unterschiedliche Werke zu einem. Das klappt an manchen Stellen hervorragend. An anderen wiederum bleibt einem das Lachen aber tief im Hals stecken.

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Meinungen

wignanek-hp · 01.12.2017

Es ist kein Wunder, dass viele amerikanischen Kritiker diesen Film verrissen haben. Wer sieht schon gerne seine eigene Fratze so in einem Spiegel. Man muss den Film sicherlich mehrfach sehen, um alle diese Spitzfindigkeiten und Boshaftigkeiten mitzukriegen, die hier versprüht werden. Es wurde vielfach behauptet, die beiden Geschichten gingen nicht ineinander bzw. man hätte da war zusammengeschustert. Wenn man den Film jedoch genauer betrachtet, passen die beiden Teile hervorragend zueinander. Erst die Geschichte der Schwarzen Familie akzentuiert das absurde Tun der Weißen und der Nachbarsfamilie richtig. Gäbe es diese Geschichte nicht, wäre der Film lediglich ein famoser Spaß à la Coen-Brüder und nicht mehr. Doch so wird er eine Abrechnung mit dem weißen Amerika, das wider besseres Wissen an seinem zementierten Rassismus festhält und nicht wahrnehmen will, dass das weiße Amerika sich selbst zerstört. Einen kleinen Hoffnungsschimmer hat der Film immerhin. Die Jungs der beiden Familien spielen am Ende Baseball miteinander. Sie scheren sich nicht um die Hautfarbe des anderen. Vielleicht ist es doch möglich, die Vorurteile und den Rassismus zu überwinden.