Stop Making Sense (1984/2024)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Das prätentiöse Selbstporträt der Talking Heads

Rund vierzig Jahre ist es her, da betritt ein Musiker in einem voluminösen hellen Anzug mit seiner Gitarre die Bühne des legendären Pantages Theatres in Los Angeles, gibt vor, einen urigen Kassettenrecorder mit Rhythmusklängen anzustellen und beginnt mit puristischer Intensität zu singen: „I can’t seem to face up to the facts, I’m tense and nervous and I can’t relax …“ – dieser wohl inszenierte Auftritt bildet den Auftakt einer der letzten Live-Performances der US-amerikanischen Band Talking Heads, die von Regisseur Jonathan Demme in den markanten Konzertfilm Stop Making Sense gebannt wurden. 2024 kommt dieser erneut ins Kino.

Nach der beeindruckenden Solo-Darbietung David Byrnes von Psycho Killer treten allmählich auch die Bassistin Tina Weymouth, Schlagzeuger Chris Frantz sowie Jerry Harrison an Keyboard und Gitarre als Protagonisten der Talking Heads auf und starten effektvoll durch in eine Show mit außergewöhnlicher Lichtgestaltung, die sich in ihrer prozesshaften Dramaturgie zu einem großartigen Event der professionellen, musikalisch wie mimisch mitreißenden Selbstdarstellung einer Band auswächst, die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ein prätentiöses Porträt auswirft, das als brillantes Bühnenstück in die Musikgeschichte eingeht.

Wie akribisch kalkuliert und auf die Essenz der persönlichen Präsenz der Musiker fokussiert sich dieser seinerzeit avantgardistische Konzertfilm gestaltet, der nun erstmals auf Blu-ray bei Arthaus erscheint, bezeugt auch das ausführliche Bonusmaterial dieser 30th Anniversary Edition mit dem Audiokommentar der Talking Heads und des Regisseurs Jonathan Demme, einem monologischen Interview David Byrnes und einer Pressekonferenz mit der später verzwisteten Band, die 1999 im Rahmen des San Francisco International Film Festivals stattfand, wo der Film auch seine Premiere feierte, der als Beste Dokumentation mit dem Preis der National Society of Film Critics prämiert wurde. Als zusätzliche Songs werden hier Cities, Big Business und I Zimbra präsentiert, so dass insgesamt neunzehn Stücke der Talking Heads flankiert von emotional und mit Esprit gesteuertem Körpereinsatz der Musiker Eingang in diese Edition finden, die äußerst ansprechend dazu einlädt, das Phänomen Stop Making Sense einerseits intensiv zu erleben, wie darüber hinaus hintergründlich zu rekonstruieren. Dabei entsteht das lebhafte, dynamische Bild eines Projektes mit einer ganz eigenen, ausgeklügelten Geschichte und einem faszinierenden Resultat, das durch seine unmittelbare Erlebnisfähigkeit des Auftritts der Band besicht, deren Live-Publikum bis zum Ende der Show ausgeblendet bleibt. David Byrne stilisiert sich hier mit elegantem bis ekstatischem Ausdruck und Einsatz zu einem Magier der Musik herauf, der seine Songs durchlebt und durchleidet, dezent mit seinem Publikum spielt und sich sogar zwischenzeitlich von Bühne und Band entfernt, die von Musikern wie Alex Weir, Ednah Holt, Lynn Mabry und Bernie Worrell begleitet wird.

Technisch innovativ als erster Film komplett mit digitaler Audiotechnik ausgesattet gelingt Stop Making Sense das komplexe Kunststück, mit engagierter Präzision die betörende Atmosphäre eines geradezu erzählerischen Flusses in Gang zu setzen, dessen Geschichten sich klanglich und kommunikativ eingebunden als empfindungsreiche Episoden ereignen, die von existenziellen Aspekten wie Identität und Verlorenheit, aber auch von Momenten der Erfüllung tönen. Die puristische Poesie, die sich vor den Augen ihres Publikums scheinbar spontan entwickelt, vermag es mit lässiger Leichtigkeit, akustisch wie visuell zu fesseln, und ihre Analyse schmälert keineswegs ihre inspirierende Überzeugungskraft.

Stop Making Sense (1984/2024)

Rund vierzig Jahre ist es her, da betritt ein Musiker in einem voluminösen hellen Anzug mit seiner Gitarre die Bühne des legendären Pantages Theatres in Los Angeles, gibt vor, einen urigen Kassettenrecorder mit Rhythmusklängen anzustellen und beginnt mit puristischer Intensität zu singen: „I can’t seem to face up to the facts, I’m tense and nervous and I can’t relax …“ – dieser wohl inszenierte Auftritt bildet den Auftakt einer der letzten Live Performances der US-amerikanischen Band Talking Heads, die von Regisseur Jonathan Demme in den markanten Konzertfilm „Stop Making Sense“ gebannt wurden. 2024 kommt dieser erneut ins Kino.

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