Sputnik (2013)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

"Wie einst Juri Gagarin"

Wir warten ja noch auf den großen deutschen Wenderoman, auf den Film schließlich, der dieses seltsame Jahr 1989/1990, das zwei Republiken umstülpte zu dem einen Land, das sie vorher schon waren (oder nicht mehr). Seit Thomas Brussigs Helden wie wir hat es unzählige Versuche gegeben, und erwiesenermaßen waren die besten jene, in denen die Hauptfiguren wie bei Brussig zwischen Schelmen- und Heldendasein herumeierten wie einst Günter Schabowski auf Nachfrage in der berühmten Pressekonferenz am 9. November.

Vor allem fehlt aber noch ein Kinderfilm, der diese historischen Momente wenigstens halbwegs erfolgreich auf die Hörner nimmt. Man ahnt da eigentlich schon, dass sich das nicht als großes historisches oder nationales Drama entfalten kann – das ginge an Perspektive und Interessen der allermeisten Kinder wohl weit vorbei. Was stattdessen geht, ist Begrenzung, Fokussierung „wie in einem Brennglas“.

In Sputnik spielt deshalb womöglich nicht ganz unabsichtlich ein solches Brennglas, eine große Linse, eine zentrale Rolle: sie wird womöglich gestohlen, beschlagnahmt und dann wieder gestohlen um schließlich die Zeitenwende herbeizuführen. Denn auch in Markus Dietrichs Film, Brussig lässt grüßen, führen scheinbar Unbeteiligte, vor allem: Unbekannte, die eigentliche Grenzöffnung eher versehentlich herbei. Vielleicht.

Die zehnjährige Friederike (Flora Li Thiemann) lebt mit ihren Eltern (Yvonne Catterfeld und Maxim Mehmet) im kleinen Dorf Malkow, nicht allzu weit von Berlin entfernt und mitten in der DDR. Sie ist fasziniert von allem, was mit dem Weltraum zu tun hat, Juri Gagarin natürlich im besonderen, und schaut im Westfernsehen „Raumschiff Interspace“ (in der Schankstube des elterlichen Gasthofes ist das aber verboten). Mit ihrem jungen Onkel Mike (Jacob Matschenz) baut sie wilde Luftfahrgeräte und Maschinen – dabei befördert sie eine Heißluft-Ballonkonstruktion dann auch schon mal unsanft in einen Baum.

Es ist der Herbst des Jahres 1989, und für Rieke bricht eine Welt zusammen, als Mikes Ausreiseantrag plötzlich genehmigt wird und er noch am gleichen Tag das Land gen Westen verlassen muss. Sie will den geliebten Onkel unbedingt zurückbekommen und plant deshalb mit ihren Freunden, Mike mit einer Beam-Maschine aus West-Berlin zurück nach Malkow zu holen.

Dietrich, hier zugleich Autor und Regisseur, lässt die Kinder in ihrer Phantasiewelt treiben, ohne sie gleich zu entzaubern; so ganz vertraut er diesem Erzählstrang dann aber doch nicht, gelegentlich müssen Gespräche von Riekes Eltern oder in der Gaststube ein wenig mehr Hintergrund liefern. Da schrammt dann der Film ab und an ins Geschichtsbuchhafte, weil es sich eben anfühlt, als habe man hier noch ein paar Notizzettel mit Hintergrundinformationen ankleben müssen – als seien für die Erwachsenen die gelegentlich eingeblendeten Datumsangaben nicht schon Hinweise genug.

Und so ist Sputnik am stärksten, wenn er den Kindern folgt und diese noch mit jenen Erwachsenen interagieren, die ihre Begeisterungen teilen und fördern: mit Onkel Mike eben und mit dem Betreiber des kleinen Ladens im Ort, Herrn Karl (Andreas Schmidt), der ihnen die erwähnte Linse „organisiert“. Als einzig wirklicher Vertreter der Staatsmacht wirkt, neben den Gestalten im Fernsehen, der Vopo Mauder (Devid Striesow), „Abschnittsbevollmächtigter“ und eher eine Witzfigur, der aber auch mal einen Mannschaftswagen herbeiholen kann, um Karl festnehmen zu lassen.

Natürlich geht dabei historische Tiefe verloren, aber die macht Sputnik mit seiner spannenden Abenteuergeschichte im kleinsten Rahmen locker wieder weg, zumal geschichtliche Tragweite auch problemlos im Hintergrund mitschwingen darf. Die entscheidendere Schwäche des Films ist, dass er seinen Figuren nur in begrenztem Maße Tiefe zu geben vermag und die Handlungslogik an einigen Stellen doch arg rappelt.

Aber so richtig beschweren will man sich darüber nicht; dafür sind der Film und seine jungen HauptdarstellerInnen zu charmant. Und Sputnik ist immerhin der erste richtige und ernsthafte Wende-Kinderfilm. Darauf ein enthusiastisches „поехали/pojechali“!
 

Sputnik (2013)

Wir warten ja noch auf den großen deutschen Wenderoman, auf den Film schließlich, der dieses seltsame Jahr 1989/1990, das zwei Republiken umstülpte zu dem einen Land, das sie vorher schon waren (oder nicht mehr). Seit Thomas Brussigs „Helden wie wir“ hat es unzählige Versuche gegeben, und erwiesenermaßen waren die besten jene, in denen die Hauptfiguren wie bei Brussig zwischen Schelmen- und Heldendasein herumeierten wie einst Günter Schabowski auf Nachfrage in der berühmten Pressekonferenz am 9. November.

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