Soy Nero

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

The American Dream (Act)

Den Patriot Act kennt mittlerweile fast jeder, den Dream Act hingegen, der nahezu zur gleichen Zeit als Reaktion auf die 9/11-Attentate entstand, nur wenige. Schon der Name dieses Gesetzes ist zumindest zweideutig. Offiziell steht DREAM für Development, Relief and Education for Alien Minors, aber natürlich denkt dabei jeder sofort an den „American Dream“ — und genau darauf zielt das Ganze auch ab. Das Gesetz sieht vor, illegalen Einwanderern, die mindestens fünf Jahre im Land gelebt haben und dabei maximal 16 Jahre alt waren, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, wenn sie mindestens auch zwei Jahre in der Armee gedient haben. Der Volksmund bezeichnet diese Menschen als „Greencard-Soldaten“, wobei längst nicht alle in den Genuss der versprochenen Vergünstigungen kommen. Von genau solch einem Fall erzählt Rafi Pitts in seinem neuen Film Soy Nero und lenkt damit die Aufmerksamkeit vor allem auf all jene Fälle, wie die Schlusstitel verraten, denen die Staatsbürgerschaft am Ende versagt wurde.
Wenn man als Zuschauer zum ersten Mal sieht, wie Nero (Johnny Ortiz) die mexikanisch-amerikanische Grenze überquert, merkt man schnell, dass der Teenager das nicht zum ersten Mal macht. Seine Bewegungen, sein ganzes Verhalten, auch im Falle einer Festnahme, verraten, dass der Junge das alles schon zum wiederholten Male hinter sich hat. Routiniert erteilt er den Beamten der Border Patrol Auskunft, schweigt an den richtigen Stellen, gibt andererseits genau das preis, was eben gesagt werden muss. Und doch, bei aller Professionalität, merkt man ihm aber auch an, dass er es eigentlich nicht so ganz versteht, dass er nicht einfach im Land seiner Träume bleiben kann. Schließlich ist er hier in South Central Los Angeles aufgewachsen, bevor er und seine Familie aufgegriffen und nach Mexiko abgeschoben wurde. Nero ist nach eigenem Empfinden Amerikaner — und das will er nun auch endlich auf dem Papier werden. Selbst wenn er dafür in den Krieg für die USA ziehen muss. Und so findet er sich irgendwann an einem gottverlassenen Stützpunkt in der Einöde einer fernen Krisenregion wieder, wo er nicht nur um sein Leben, sondern auch um seine Identität kämpfen muss.

Nahezu klassisch in einer Dreiakt-Struktur präsentiert Rafi Pitts seinen Film, wobei die einzelnen Teile sich extrem voneinander unterscheiden und jede für sich genommen das Zeug dazu hat, einen eigenen Film zu bilden. Geht es im ersten Kapitel um Neros Flucht in die USA, schildert die zweite Episode die Begegnung mit seinem Bruder in einem noblen Anwesen in Beverly Hills, während die dritte in ein namenloses Kriegsgebiet führt. Sozialdrama, Satire, Kriegsfilm — diese drei höchst unterschiedlichen Genres lassen sich den drei Teilen zuordnen. Und genau hierin besteht auch das Problem dieses Films: Ein einheitliches Bild mag sich trotz der Fokussierung auf das Schicksal Neros nicht so richtig einstellen. Wie seine Hauptfigur, so sucht auch der Film selbst, wie es scheint, nach seiner Identität und stößt dabei immer wieder auf Ressentiments, Klischees und Vorurteile, die Soy Nero wie ein roter Faden durchziehen. Wobei Pitts die unterschiedlichen Genres und Episoden — allesamt bekannt aus anderen Filmen von Tödliches Kommando — The Hurt Locker bis Sin Nombre — keinesfalls immer trennscharf behandelt, sondern durchaus Überlappungen einbaut.

So zieht sich beispielsweise der beinahe satirische Unterton der Beverly Hills Episode bis in jenen Teil des Filmes hinein, der im Krieg spielt: Dort trifft Nero, der mittels der falschen Papiere seines Bruders inzwischen Jesus heißt, in der Wüste auf einen anderen GI mit Migrationshintergrund, der den Namen Mohamed trägt. Und das ist beinahe ebenso albern wie der Witz, der Soy Nero eröffnet: Treffen sich Jesus und Mohammed in der Wüste… Ein fast schon frivoler Scherz, der dem ernsthaften Anliegen von Rafi Pitts, dessen Film auf der wahren Geschichte eines realen Greencard-Soldiers beruht, diametral entgegengesetzt zu sein scheint. Das könnte aber durchaus in der Absicht des Filmemachers liegen, der es auch in der Vergangenheit immer wieder verstanden hat, mit Versatzstücken des Genre-Kinos subversive Botschaften in seine Werke einfließen zu lassen.

Soy Nero

Den „Patriot Act“ kennt mittlerweile fast jeder, den „Dream Act“ hingegen, der nahezu zur gleichen Zeit als Reaktion auf die 9/11-Attentate entstand, nur wenige. Schon der Name dieses Gesetzes ist zumindest zweideutig. Offiziell steht „DREAM“ für „Development, Relief and Education for Alien Minors“, aber natürlich denkt dabei jeder sofort an den „American Dream“ — und genau darauf zielt das Ganze auch ab.
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