Soundbreaker

Eine Filmkritik von Iskander Kachcharov

Der Jimi Hendrix der Quetschkommode

Wenn man die Klänge eines Akkordeons vernimmt, denkt man an Unterführungen und ziemlich oft gehörte französische Melodien. An den Jahrmarkt und das Riesenrad. Oder doch eher Lederhosen und Musikantenstadl. Dass es auch anders geht, zeigt Kimmo Koskelas Dokumentarfilm Soundbreaker, die Finnlands berühmtesten Akkordeonspieler begleitet: Kimmo Pohjonen, und seine Lebensaufgabe, das Akkordeon musikalisch in das 21. Jahrhundert zu holen.
Kimmo Pohjonen, 1964 geboren, war schon als Kind hoch musikalisch. Bereits als 11-Jähriger zog und drückte Pohjonen sein Akkordeon, damals noch auf traditionelle und an den Musikschulen gelehrte Art und Weise – zugleich aber langweilte ihn das auch ziemlich. Aufgrund väterlich motivierter Zwänge blieb Kimmo bei seinem Instrument, das nicht den Sex-Appeal einer Gitarre oder eines Schlagzeugs versprach. Während seines Studiums der Klassischen Musik in Helsinki kam ihm dann der alles entscheidende Geistesblitz: Das Akkordeon ist das, was man daraus macht. Ohne Normen, ohne Haltungs- und Spielregeln, nur seiner Kreativität und dem inneren Antrieb folgend, fand Pohjonen die so notwendige Identifikation mit seinem Instrument.

Ab diesem Zeitpunkt waren der musikalischen Virtuosität keine Grenzen mehr gesetzt. Pohjonen baute sein Instrument auseinander, fügte Effektgeräte an die Tasten und versah den Blasebalg mit Mikrofonen und nutzte jeden Zentimeter seines Akkordeons zur Klangerzeugung. Mit instrumentellen Experimenten à la Jimi Hendrix wurde Pohjonen so zum Erneuerer und Befreier der Akkordeon-Musik.

Soundbreaker lässt dabei dem Künstler den nötigen musikalischen sowie persönlichen Raum, den ein solcher Charakterkopf braucht. Die von Koskela oft kunstvollen, aber in ihrer künstlerischen Inszenierung nie übertriebenen Bilder schaffen ein stimmiges Pendant zu Pohjonens Musik, die etwas urtümlich Schönes und Wuchtiges in sich trägt und auditive Apokalypsen beschwört. Eine Urgewalt, irgendwo zwischen Richard Wagner und Yann Thiersen, Motörhead und Claude Debussy. Wenn man sich Finnland musikalisch vorstellt mit seiner moor- und waldreichen Wildnis sowie den zahllosen Seen und Flüssen – genau so könnte es klingen.

Besonders gut gelungen sind Koskela die ästhetisch ansprechend gestalteten Performance-Aufnahmen, die Pohjonens musikalische Wandlungsfähigkeit grandios illustrieren. Ob mit dem weltberühmten Kronos-Quartett oder seinem „Earth Machine Music“-Projekt, bei dem er Landmaschinen-Töne in seinen musikalischen Kosmos einbindet. Es gibt kein Klangexperiment, das zu abwegig sein könnte. Denn für Kimmo Pohjonen geht es nicht um Regeln und Traditionen, sondern einzig und allein um neue musikalische Horizonte. Insofern ist sein Film nicht nur für Akkordeonspieler interessant, sondern funktioniert zugleich auch als allgemeingültige Studie darüber, wie das Neue in die Welt kommt. Und sei es nur in Gestalt bisher ungeahnter, ungekannter Klänge.

Soundbreaker

Wenn man die Klänge eines Akkordeons vernimmt, denkt man an Unterführungen und ziemlich oft gehörte französische Melodien. An den Jahrmarkt und das Riesenrad. Oder doch eher Lederhosen und Musikantenstadl. Dass es auch anders geht, zeigt Kimmo Koskelas Dokumentarfilm „Soundbreaker“, die Finnlands berühmtesten Akkordeonspieler begleitet: Kimmo Pohjonen, und seine Lebensaufgabe, das Akkordeon musikalisch in das 21. Jahrhundert zu holen.
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