Sing (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Sing um dein Leben

In der animalischen, animierten Fabelwelt von Sing, die irgendwie weit, weit weg, aber doch auch ganz, ganz nah an unserer Realität ist, lebt ein Koala Bär namens Buster Moon (Matthew McConaughey/Daniel Hartwich). Und dieser liebt das Musiktheater so sehr wie es vielleicht nur ein Busby Berkeley, ein Andrew Lloyd Webber oder ein Kurt Weill jemals liebten. Seine Hingabe ist gänzlich und episch. Aber im Gegensatz zu Weill und Co. ist sein Talent nur durchschnittlich. Deswegen steht sein Theater vor der Pleite, jede seiner bisherigen Shows war eher Nachahmung denn Meisterwerk. Was also tun? Buster Moon entscheidet sich für das Einzige, das ihm ein schnelles Glücksversprechen und fixes Geld zu bieten scheint: eine Talent-Show, die seinem Haus Aufmerksamkeit und Eintrittsgelder und den Talenten einen kurzen Moment von Ruhm verspricht. Und 1000 Dollar. Doch leider macht seine sehr, sehr alte Sekretärin einen Tippfehler und erhöht den Gewinn auf 100.000 Dollar.

Umso größer ist der Ansturm und umso mehr Druck liegt auf Buster Moon, der jetzt irgendwie noch die Kohle besorgen muss. Aber darum kümmert er sich später, erstmal sucht er seine Kandidaten aus. Seine Auswahl entspricht dem perfekten Gesellschaftsdurchschnitt: Da ist die 25-fache Schweine-Mutter Rosita (Reese Witherspoon/Alexandra Maria Lara), deren Mann sie nur noch als Verpflegerin sieht und die in ihrem Hausfrauendasein ertrinkt. Sie wird gepaart mit einem prächtigen, queeren Eber Gunter (Nick Kroll), der im Gegensatz zu ihr keinerlei Hemmungen auf der Bühne zeigt. Johnny (Taron Egerton), ein sensibler junger Gorilla, möchte lieber der nächste Singer-Songwriter werden, anstatt seinem hypermaskulinen Vater bei seinen Einbrüchen zu helfen. Das Elefantenmädchen Meena (Tori Kelly)) würde gern mitsingen, traut sich aber nicht, denn sie fühlt sich inadäquat. Und das obwohl ihre Stimme bombastisch ist. Ihr Körper aber eben auch. Der Mäuserich Mike (Seth McFarlane/Klaas Heufer-Umlauf) ist wiederum so von seinem Talent überzeugt, dass er schon einmal Sachen auf Pump kauft, denn bald hat er ja den Gewinn der Show für sich und steigt endlich in die obere Mittelschicht auf. Die Stachelschweindame Ash (Scarlett Johansson/Stefanie Kloß) wiederum versucht sich von ihrem Ex-Freund und Ex-Bandkollegen zu emanzipieren, der ihr das Talent abspricht.

So bilden diese Figuren ein buntes Sammelsurium aus Tieren und Vorgeschichten. Komplettiert wird es durch die Songs, die ihnen zugeteilt werden, die aus Sing auf musikalischer Ebene ein jukeboxartiges Ereignis machen, das alle Pop- und Softrock-Songs der vergangenen Jahre noch einmal Revue passieren lässt. Von Katy Perrys „Firework“, Lady Gagas „Bad Romance“ und Bananaramas „Venus“ bis hin zu Seals ewigem Grottenheuler „Kiss from a Rose“ ist wirklich alles dabei. Das ist auch der Sinn und Mehrwert, den Sing mit sich bringt. Man kann, wenn man denn möchte, fast jeden Song mitsingen. Die Kombination aus verschiedenen Stereotypen, Lebenswegen und Songs ist es ja, was Castingshows letztendlich so interessant macht.

Was es in Sing nicht gibt, ist Konkurrenzkampf. Denn die Auserwählten und Moon selbst befinden sich alsbald in solch einer miserablen und komplexen Lage, dass sie zusammenhalten müssen. The Show Must Go On, sozusagen.

Sing ist, ganz wie Pets oder ICH — Einfach unverbesserlich, ein Produkt aus dem Haus Illumination, das sich inzwischen neben Pixar, Dreamworks und Walt Disney einen Namen in der Animationsbranche gemacht haben. Ihre Geschichten sind stets eigenproduziert, scheuen sich aber in keiner Weise davor, sämtliche Stereotypen, Figuren und Witze der Animationswelt immer und immer wieder zu benutzen. Das machen sie allerdings geschickt und stets mit viel Humor. Und so ist Sing wie seine Vorgänger zwar nicht gesegnet mit tiefen, multidimensionalen Charakteren oder einem tiefsinnigen Drehbuch, dafür aber mit hervorragendem Timing und eine breiten Palette an Lebensentwürfen und Problemstellungen an die jeder Zuschauer, ob jung oder alt, andocken kann.

So kann man den Film, wie es oft bei Animationen geschieht, einfach als lustige Unterhaltung für Kinder und Erwachsene begreifen. Aber diese Filme sind schon seit ihren Anfängen auch immer wieder Spiegel und manchmal Kommentator der Gesellschaft, in der sie entstanden sind. Auch Sing liefert solch einen Kommentar, obgleich dieser hier wohl nicht gewollt war. Er stellt den „guten alten Zeiten“, in denen Kunst noch von langer Hand geplant und in Kleinarbeit hergestellt wurde, die inzwischen übliche neoliberale Idee des „instant success“ – also des sofortigen Erfüllens aller Wünsche wie Ruhm und Reichtum – entgegen, die das Konzept langer Ausbildung und harter Arbeit inzwischen recht unattraktiv gemacht hat.
 

Sing (2016)

In der animalischen, animierten Fabelwelt von „Sing“, die irgendwie weit, weit weg, aber doch auch ganz, ganz nah an unserer Realität ist, lebt ein Koala Bär namens Buster Moon (Matthew McConaughey/Daniel Hartwich). Und dieser liebt das Musiktheater so sehr wie es vielleicht nur ein Busby Berkeley, ein Andrew Lloyd Webber oder ein Kurt Weill jemals liebten. Seine Hingabe ist gänzlich und episch.

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