Shana - The Wolf's Music

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die mit dem Wolf tanzt

Nino Jacusso wollte einen echten Indianerfilm drehen. Dafür ist der Regisseur und Drehbuchautor nach Kanada gereist. Herausgekommen ist ein Abenteur für die ganze Familie: Shana – The Wolf’s Music.
Dicht am Boden streift die Kamera durch das hohe Gras, vorbei an Sträuchern und Büschen. Die Violinklänge auf der Tonspur scheinen sie voranzutreiben. Ihre Fahrt endet unter einem Baum, dessen breites Blattwerk vom Wipfel tief nach unten reicht. Darunter steht ein Mädchen (Sunshine O’Donovan) mit einer Geige in der Hand. Ihr Spiel hat einen weißen Wolf angelockt, dessen subjektivem Blick die Zuschauer bis hierher folgten. Der Beginn einer wundersamen Geschichte über die eigenen Wurzeln und das Heranwachsen.

Die 12-jährige Shana (O’Donovan) ist eine begabte Violinistin, die ihrem Instrument die uralten Klänge ihres Stammes entlockt. Mit ihrem Vater Elliot (Marcel Shackelly) lebt sie in Lower Nicola, einer Gemeinde der Scw’exmx im Westen Kanadas. Seit ihre Mutter (Alana Aspinall) vor zwei Jahren gestorben ist, hat sich das einst lebensfrohe Mädchen zu einer nachdenklichen und aufsässigen Jugendlichen gewandelt. Während Elliot seine Trauer im Alkohol ertränkt, zieht sich Shana in ihre eigene Welt zurück. Sie vernachlässigt die Schule und ihre Musik. Viel Zeit verbringt sie unter ihrem Ahnenbaum, an dessen Zweige sie Botschaften an ihre Mutter hängt. Doch der Kontakt zur Welt der Verstorbenen bleibt aus.

Als die neue Lehrerin Lela Woodland (Delilah Dick) in Lower Nicola ihren Dienst antritt, kommt Bewegung ins Dorfleben. Lela, selbst indigener Herkunft, schärft bei den Jugendliche die Wahrnehmung ihres kulturellen Erbes. Shanas Talent erkennt die Pädagogin sofort und meldet sie für ein Vorspielen an einer Musikschule in Vancouver an. Der anfängliche Trotz weicht bald dem Ehrgeiz der 12-jährigen. Doch auf dem Weg zur Aufnahmeprüfung muss Shana zunächst eine ganz andere Prüfung bestehen.

Mit Shana – The Wolf’s Music hat Regisseur und Drehbuchautor Nino Jacusso einen Roman Federica de Cescos verfilmt. Die Idee kam dem Italo-Schweizer einige Jahre zuvor, als er an einer Dokumentation über die Autorin arbeitete. Für seine Abenteuergeschichte ist Jacusso nicht nur in die kanadischen Wälder gereist, sondern hat auch echte Stammesangehörige vor seiner Kamera versammelt. Vor Drehbeginn hat der Regisseur mehr als ein halbes Jahr mit seinen Laiendarstellern gelebt und mit ihnen die Geschichte erarbeitet. Neben den malerischen Landschaftsaufnahmen und der perkussiven Musik ist die authentische Lebenswelt der kanadischen First Nations die große Stärke des Films.

Die Darsteller machen ihre Sache gut, auch wenn man ihnen anmerkt, dass sie keine Profis sind. Außer der jungen Sunshine O’Donovan ist vor allem Delilah Dick als Lehrerin eine Entdeckung. Mit mildem Blick geht die Pädagogin unbeirrbar ihren Weg, hilft den Jugendlichen in ihrer Schieflage zwischen westlicher Moderne und indigener Tradition. Wie so soft ist die Reise zu sich selbst auch in Shana eine Reise in die eigene Vergangenheit, auf der sich die reale mit der mystischen Welt verbindet.

Insgesamt mangelt es Shana jedoch etwas an Schwung. Das gemächliche Tempo, das zu Beginn genau passt, um den ungewohnten Handlungsort samt seiner Figuren einzuführen, entpuppt sich im weiteren Verlauf zunehmend als Hemmschuh. Vor dem großen Finale plätschert der Film zu lange etwas zu unentschieden vor sich hin und setzt zu schwache Wendepunkte.

Trotz alledem ist Nino Jacusso ein sanfter Coming-of-Age-Film mit starken Frauenfiguren gelungen, der eine Brücke von der technischen Moderne in die mystische Vergangenheit schlägt.

Shana - The Wolf's Music

Nino Jacusso wollte einen echten Indianerfilm drehen. Dafür ist der Regisseur und Drehbuchautor nach Kanada gereist. Herausgekommen ist ein Abenteur für die ganze Familie: „Shana – The Wolf’s Music“.
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