Schwerkraft

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Ein Banker auf Abwegen

Das kommt davon, wenn man einfach nur normal sein will: Man kriegt einen Super-Job, verdient einen Haufen Geld – und plötzlich bricht alles zusammen. Mit seinem Psychothriller Schwerkraft über einen Bankangestellten außer Kontrolle ist Maximilian Erlenwein ein kraftvolles, hochemotionales Langfilmdebüt gelungen. Beim Festival in Saarbrücken gab es dafür den Max-Ophüls-Preis für den besten Film sowie den Darstellerpreis für Nora von Waldstätten und den Sonderpreis Schauspiel für Fabian Hinrichs.
Frederik Feinermann (Fabian Hinrichs) heißt der aalglatte Jungmanager, der scheinbar alles richtig macht. Ein „feiner Mann“: Immer korrekt, die gebügelten Hemden wie die Soldaten aufgereiht in der schicken Wohnung, die sich kaum von dem Einrichtungslook an seinem Arbeitsplatz unterscheidet. Doch eines Tages geschieht etwas, das Frederiks Leben auf den Kopf stellt: Ein Kunde, den er falsch beraten hat, erschießt sich vor seinen Augen, mitten im Besprechungszimmer.

Wahrscheinlich wäre Frederiks Leben auch ohne diesen Schock aus den Fugen geraten. Zu lange hat er nur normal sein wollen, hat alle Gefühle unterdrückt, eine Kontaktsperre über sein Inneres verhängt. Das funktioniert nun nicht mehr. Mit unerbittlicher Schwerkraft zieht es Frederik Feinermann hinab: zu der in die Brüche gegangenen Liebe seines Lebens, zu der ausgeflippten Musik seiner wilden Jahre und zu seinem alten Kumpel Vince (Jürgen Vogel), der lange im Knast gesessen hat. Wenn das kein Zufall ist: Der eine war sieben Jahre im realen Gefängnis und der andere ebenso lange im falschen Leben gefangen.

Wie sich die beiden nun aufmachen in eine dunkle, gefährliche Welt, das erzählt Regisseur Maximilian Erlenwein in einem Mix von erstaunlicher Leichtigkeit. Thriller, mysteriöse Liebschaften, Männerfreundschaft, Abenteuer und ein herrlich schräger Humor – es ist so ziemlich alles da, was unterhaltsames Genrekino ausmacht. Aber es wirkt wie aus einem Guss, ganz im Dienste dieser Selbstfindungs-Geschichte, die mit hohem Tempo und viel Bildwitz erzählt wird.

Schwerkraft arbeitet mit starken Kontrasten. Hier die stilisierte, glattgebügelte Bankenwelt, der die Kamera mit symbolstarken Einstellungen eine lebensfeindliche, fast unheimliche Atmosphäre verleiht. Dort die expressive, in den Bauch gehende Musik, die dem Rebellen in Feinermann ihre Stimme leiht. Maximilian Erleinwein ist zu Recht stolz auf den Soundtrack, für den er Jakob Ilja gewinnen konnte, den Gitarristen der Band Element of Crime. Der hat ihm eine Musik geschrieben, die nicht untermalt, sondern eine eigenständige Rolle spielt: Indem sie den Gefühlen ein Ventil verschafft, die Frederik so lange angestaut hat.

Ein Paar der Gegensätze sind auch Fabian Hinrichs als Frederik und Jürgen Vogel als sein Kumpel Vince. Hinrichs (Hans Scholl in Sophie Scholl – Die letzten Tage) verleiht seiner Figur eine flirrende Naivität, eine spielerische Jungenhaftigkeit. Jürgen Vogel ist dagegen ganz der abgebrühte Knacki, der Mann mit dem dunklen Geheimnis, Er spricht wenig, aber seine vibrierende Körpersprache verrät den Vulkan unter der Oberfläche, der eigentlich nur eines will: Rache.

Zwischen den beiden entwickelt sich eine Männerfreundschaft der schwierigen, aber intensiven Art. Etwa in einer der Szenen, in der der blutverschmierte Frederik zu Vince kommt, obwohl der ihm eigentlich die Freundschaft gekündigt hatte. Wenige Blicke genügen und Vince versteht genau, was Sache ist. Die Versöhnung könnte lakonischer nicht sein: „Willst du ein Bier?“, fragt er den Freund. Und irgendwann vorher fällt noch so ein Satz, der charakteristisch ist für diese herrlich verknappten Dialoge. „Normalität ist etwas für Arschlöcher“, erkennt Frederik. Hätte er das nur mal ein bisschen früher gewusst.

Schwerkraft

Das kommt davon, wenn man einfach nur normal sein will: Man kriegt einen Super-Job, verdient einen Haufen Geld – und plötzlich bricht alles zusammen. Mit seinem Psychothriller „Schwerkraft“ über einen Bankangestellten außer Kontrolle ist Maximilian Erlenwein ein kraftvolles, hochemotionales Langfilmdebüt gelungen. Beim Festival in Saarbrücken gab es dafür den Max-Ophüls-Preis für den besten Film sowie den Darstellerpreis für Nora von Waldstätten und den Sonderpreis Schauspiel für Fabian Hinrichs.
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