Schoßgebete (2014)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die bewegte Frau

Elizabeth Kiel (Lavinia Wilson) hält sich selbst für ein Wrack. Seit Jahren geht sie zur Therapie, stets befürchtet sie, ein Unglück könnte ihre Familie und sie heimsuchen. Mal glaubt sie, das Haus würde einstürzen und nur sie überlebt, mal bildet sie sich ein, der Fahrstuhl, der sie zu der Praxis ihrer Therapeutin Frau Drescher (Juliane Köhler) bringt, würde zu brennen anfangen. Sie ist sich sicher, dass sie sterben wird, deshalb will sie für Ehemann Georg (Jürgen Vogel) und ihre Tochter Liza (Paulette Pollmann) alles regeln und ändert wöchentlich ihr Testament, in dem unter anderem festgehalten ist, dass ihre Asche in den Hausmüll geschüttet werden und Georg nach ihrem Tod mit Lizas Vater Stefan (Robert Gwisdek) zusammenziehen soll. Ständig kreisen Elizabeths Gedanken um mögliche Gefahren, Unfälle und Katastrophen. Einzig beim Sex kann sie entspannen und einen Moment Ruhe finden – es sei denn, sie muss beim Analverkehr an Alice Schwarzer denken, die behauptet, sie würde jetzt gerade erniedrigt werden. Sobald der Sex aber vorbei ist, ist sie ihren Ängsten wieder ausgeliefert.

Basierend auf Charlotte Roches Buch Schoßgebete erzählt Regisseur Sönke Wortmann nach einem Drehbuch des Produzenten Oliver Berben von einer neurotischen Frau, deren Leben durch einen Autounfall aus der Bahn geworfen wurde, bei dem ihre drei Geschwister starben. Seither wird sie von Schuldgefühlen, Trauer, Überforderung, Wut und Rachegedanken bestimmt, die sie nicht abschütteln kann und weder ihr verständnisvoller Ehemann noch ihre Tochter können etwas ändern. Deshalb gleicht ihr Leben in dem sehr schönen Haus in der Nähe von Köln an der Seite des wohlhabenden Galeristen mit Geld und großem Penis im Grunde genommen nur äußerlich einer Schöner-Wohnen-Idylle, allerdings bemühen sich Sönke Wortmann und Oliver Berben in ihrer Verfilmung, dass die Risse nicht allzu groß werden. Vielmehr entwirft der Film das Bild einer modellhaften Patchwork-Familie, in der sich Georg mit Stieftochter Liza und Elisabeth mit ihrem Ex versteht und es abgesehen von der exzentrischen Mutter keine Probleme gibt. Sobald etwas die Wohlfühlgrenze des Zuschauers – bis auf einige wohl kalkulierte Schockmomente – übersteigen könnte, wird ausgespart: Dass Elizabeth vom Klinikpersonal zur Pflege der Mutter gedrängt wurde und ihren Schmerzensschreien und Leid derart ausgesetzt war, dass ihre eigene Trauer in den Hintergrund gedrängt wurde – und dass sie schließlich den Kontakt zur Mutter abgebrochen hat. Das passt nicht in die modern angehauchte Familienwelt dieses Films. Stattdessen ist der Unfall der emotionale Höhepunkt, der mit hochaufgelösten, dramatisch verlangsamten Bildern gezeigt wird. Im Buch ist diese Erfahrung das wichtigste Puzzleteil zum Verständnis von Elizabeths Persönlichkeit, im Film sollen der Anruf des Boulevard-Reporters, die effektheischenden Schlagzeilen und die Beerdigung lediglich die Anteilnahme für Elizabeth erhöhen. Hier bleibt eine Leerstelle, die weder vom Drehbuch noch der Inszenierung oder der gut spielenden Lavinia Wilson gefüllt wird.

Sicher ist Schoßgebete allein durch die Ich-Erzählperspektive kein leicht zu verfilmendes Buch, auch gibt es abgesehen vom Sex, den Besuchen bei der Therapeutin, dem Unfall und dem Würmerbefall der Familie nur wenig äußere Handlung. Im Zentrum stehen die Gedanken, Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen der Protagonistin, jedoch setzen Sönke Wortmann und Oliver Berben diese nicht wie zuletzt David Wnendt in der guten Verfilmung von Feuchtgebiete in Bilder um, sondern greifen überwiegend auf die Erzählstimme aus dem Off zurück. Dadurch wird vieles, was auf der Leinwand zu sehen ist, zwar erklärt, näher kommt der Zuschauer Elizabeth dadurch aber nicht. Aber letztlich ist der Kauf eines Dildos im Sex-Shop, der im Buch kurz erwähnt, im Film indes in einer Sequenz augenzwinkernd dargestellt wird, einfach lustiger als Elizabeths Beichte im Buch, dass sie auf Georgs Liebe zu seinem Sohn aus erster Ehe (den er im Film nicht hat) eifersüchtig ist und den Jungen das mehr als deutlich spüren lässt. Der Leser eines Buches erträgt eine schwierige, gar unsympathische Hauptfigur besser als der Zuschauer eines Films, jedoch muss eine Verfilmung von Schoßgebete zumindest eine Interpretation der Protagonistin liefern – und sei sie noch so entfernt vom Buch.

Diesem Film fehlt Mut und Entschlossenheit – im Drehbuch und in der Inszenierung. Während David Wnendt bei der Verfilmung von Feuchtgebiete eine Ästhetik entwickelt hat und eigene Wege gegangen ist, ist Schoßgebete weder ein Familiendrama noch eine Sex-Komödie, sondern ein in hübsch gefilterten Bildern erzählter, uninspirierter Film, der offensichtlich nur wenig mit seiner Hauptfigur anfangen kann.
 

Schoßgebete (2014)

Elizabeth Kiel (Lavinia Wilson) hält sich selbst für ein Wrack. Seit Jahren geht sie zur Therapie, stets befürchtet sie, ein Unglück könnte ihre Familie und sie heimsuchen. Mal glaubt sie, das Haus würde einstürzen und nur sie überlebt, mal bildet sie sich ein, der Fahrstuhl, der sie zu der Praxis ihrer Therapeutin Frau Drescher (Juliane Köhler) bringt, würde zu brennen anfangen.

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Meinungen

peggy krueger · 26.09.2014

Das war der schlimmste und langweiligste film aller zeiten. Zuerst waren wir fünf im kinosaal. Dann saßen wir nur noch zu zweit. Ich habe versucht dem film was gutes abzugewinnen. Aber es gelang mir nicht. Ein film für die tonne.